In der Physik bewundert man die Sextanten und optischen Geräte des Tycho Brahe und erfährt wie in all den anderen Gebieten durch Schrifttafeln die wichtigsten Erfindungen, Entdeckungen und dazugehörige Namen. Absoluter Renner ist dabei der Antikythera-Mechanismus, der im Original etwas 150 vor Chr. erfunden und angewandt wurde und den man heute flott als den ältesten Rechner der Welt ansehen kann. Das Wissen darum verdankt man dem Engländer Michael Wrigth, der den Mechanismus der erst 1901 aus einem römischen Schiffswrack als rostiger Kasten mit zerbrochenen Zahnrädern geborgenen Maschine im Jahr 1997 aus Holz und Messing rekonstruierte. Demnach konnte man mit diesem Analogrechner sowohl die Positionen von Sonne und Mond sowie den fünf damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn voraus- oder auch rückberechnen, somit Sonnen- und Mondfinsternisse angeben, aber im Umkehrschluß konnte man aus der Position der Gestirne auch auf den aktuellen Tag und das Jahr schließen. Und das auch noch gleich durch verschiedene Kalenderscheiben für den ägyptischen und den griechischen Kalender, auf letzterem konnte man die vierjährig stattfindenden Olympiaden ablesen. Wenn wir ehrlich sind, lohnt schon dieses Wunderding den Weg nach Oldenburg, denn wir werden ganz klein bei all dem, was lange vor uns erfunden wurde und dann doch nicht ausreichend gewürdigt und weiterentwickelt wurde.
So nebenbei bekommt man im Bereich „Mathematik“ auch etymologischen Sprachunterricht und weiß nun, daß ein Kerbholz ein durch Einkerbungen quantifizierter Schuldschein war und was es also damit auf sich hat, etwas auf dem Kerbholz zu haben. Auch das Bayerische Rechentuch hat es in sich und gerade in der Mathematik würde man sich nun anschauliche Beispiele wünschen, wie man damit arbeitet. Wie man damit rechnet und wie man damit spielt. Aber, denkt man das weiter, dann erfordert jedes dieser wunderbaren Instrumente und die Gerätschaften in dieser Ausstellunge einen je eigenen Film, in dem das Hantieren, die Wirkungsweise und auch das Ergebnis sinnlich erfahrbar wird. Damit wäre eine solche Schau der gewesenen Dingwelt überfordert und so ist man zufrieden, daß immer wieder Bildschirme versuchen, Funktionsweisen der Ausstellungsstücke medial zu vermitteln. Wir übergehen die kosmologischen Weltbilder und damit auch Albrecht Dürers Messungen – nur hier im Artikel, denn vor allem, was den Himmelskörper oder Messungen am Menschen angeht, haben wir den gewaltigsten Respekt und das höchste Interesse – und bleiben lange bei den Exponaten der „Medizin“, die nicht nur die Operationen an Schädeln der Vorzeit zeigen und einen Knochenheber für die Schädeldecke, sondern auch Instrumente wie eine Starstichnadel, mit der schon im 1./2. Jahrhundert der Star gestochen wurde, damit dann also das Augenlicht erhalten blieb. Bewundernswert auch die Erkenntnisse seit der Antike zum Blutkreislauf und leicht schauerlich diese Blutegel da, die vollgesogen rund vier Monate verdauen und erst dann erneut auf Beute aus sind und auf den menschlichen Körper gesetzt wurden.
Im übrigen kann man diese Ausstellung auch als eine Schau zur Freude der Augen betrachten. Über die Schönheit der technischen Apparaturen sprachen wir schon, über die edlen Materialien aus Holz, Messing, Silber. Aber noch nicht von den griechischen Vasen, die detailgetreu beispielsweise Fische nachahmen. Auf dem kleinen attischen rotfigurigen Lekythos um 420/410 v. Chr. – anders als in Marmor kann man den Ton durch seinen Dekor auf einen Rhythmus von fünf Jahren genau bestimmen! – ist ein allerliebster Delphin dargestellt. Der war den Griechen der „König der Wassertiere“. Er folgt meist Poseidon, dem Gebieter der Meere und des Wassers, aber auch andere Götter bedienten sich seiner. Aber welchen Zusammenhang haben wir hier, wo doch ein Lekythos in der Regel eine Grabbeigabe war, in der Duftöle den Toten angenehm ins Jenseits begleiteten. Diesseitiger dagegen der ebenfalls rotfigurige Fischteller, aus dem dritten bis zweiten Jahrhundert v. Chr., der in der Form absolut modern als Schale durchgeht und auch die Fischdarstellungen sind derart naturalistisch, daß man zwei Zackenbarsche und einen Rochen ausmachen kann – sagt das Museum, unsere Augen haben nicht so viel Fischwissen, was wir aber wissen ist, daß die Fische kleine Kunstprodukte sind, die einen Picasso neidisch gemacht hätten.
Wir freuen uns auch über die Texte des Aristoteles ’De animalibus’, in der lateinischen Übersetzung von Michael Scotus. Es sind drei Abhandlungen über Zoologie, die in der arabischen Welt auf Interesse stießen und über diese an uns gelangten, ein Thema, das ja Schwerpunkt der Ausstellung ist. Höchste Zeit, uns in der zweiten Etage nun mit dem Querschnitt zu beschäftigen, nämlich mit den ausgewählten Städten und Zeiten, die für ihre Zeit das Wissen zusammenschnürten und weitergaben: Alexandria, Bagdad, Toledo, Florenz und Paris. Fortsetzung folgt.
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Ausstellung: bis 24. Januar 2010
Katalog: Ex oriente lux? Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft, Begleitband zur Sonderausstellung „Ex oriente lux“ im Augusteum Oldenburg, hrsg. von Mamoun Fansa, Verlag Philipp von Zabern 2009
Ein Ziegelstein. Ein wahres Schwergewicht. Aber das Papier braucht es auch, um die vielen Exponate darzustellen, ihre Wirkungsweise zu erklären, und darüber hinaus ganze Wissenschaftsgeschichten der Einzeldisziplinen im Überblick zu bieten. Dennoch sind die einleitenden Essays das Eigentliche, weshalb man diesen Katalog auch denen, die nicht nach Oldenburg kommen können – es werden viel zu viele sein – dringend empfehlen kann. Ein Buch fürs Leben, denn man kann immer wieder darin blättern und sich auf den Weg durch die Zeitreise der Wissenschaften machen. Und wer wirklich nicht kommen konnte, der hat in „Räume der Wissenschaften“ und „Themen der Wissenschaften“ detaillierte Abbildungen und Beschreibungen der ausgestellten Gegenstände, die wirklich sehr gelungen sind, und dem Museumsbesucher, der eh nicht alles auf einmal erfassen kann, das Gefühl geben, zu Hause noch einmal in Ruhe sich vertiefen zu können. Und auf der Seite 277 sieht man die bronzene Isis Lactans, aus der Spätzeit der 26. Dynastie Ägyptens, 664-525 v. Chr., bei der man mit einem Blick feststellt, wie viele Anregungen und Vorbilder ein Max Ernst für seine Skulpturen gewann.
Internet: www.NaturundMensch.de