Dunkle Leidenswege – Brendan Fraser durchlebt „The Passion of Darkly Noon“ in Philip Ridleys Thriller

Leben konnte der siebzehnjährige Darkley (Brendan Fraser) diese Jugend nicht, wie der in einer fundamentalistischen Sekte aufgewachsene Junge nie eine Kindheit hatte. Verstört flieht er durch den Wald vor dem grausigen Geschehen, dass ein Massaker in der Sekte verursachte. Seine Eltern sind tot, Darkley verloren im Wald. Dorthin haben sich die junge Callie (Ashley Judd) und ihr stummer Partner Clay (Viggo Mortensen) zurückgezogen, die den verängstigten jungen Mann aufnehmen. Irritiert von der Leidenschaft des unverheirateten Paares und Callies Sexualität durchlebt Darkley seine persönliche Passion. Als er in Clays hasserfüllter Mutter (Grace Zabriskie) eine neue Elternfigur findet, erwacht der fundamentalistische Geist seiner Eltern in ihm.

Aus der Leere des Idahos der Fünfziger, in dem er „The Reflecting Skin“ ansiedelte, verlegt „The Passion of Darkley Noon“ die Handlung in die Gegenwart. Aberglaube und Fanatismus sind ebenso präsent wie unter der Landbevölkerung Idahos. Die finstersten menschlichen Abgründe öffnen sich in Ridleys Filmwelt dort, wo am meisten Licht herrscht. In dem symbolschweren Bilderkosmos scheint selbst in solchen Details eine tiefere Bedeutung zu wohnen. In der Hölle sei das Licht wie Dunkelheit, schrieb John Milton in „Paradise Lost“. Einer Verkörperung Satans, Miltons Hauptprotagonisten, ähnelt auch Darkly. Aus dem Ort, der ihm von Kindheit an als Paradies vorgekauelt wurde, ist er vertrieben worden. Bei dem Versuch, sich eine eigene Welt zu schaffen, entfesselt er im wahrsten Sinne ein Inferno. Jude heißt der Lastwagenfahrer, der Darkly aufließt; in der Bibel sowohl der Name Judas Ischariots als auch von Judas Thaddäus, des Schutzheiligen der Verzweifelten.

Überdeutlich ist die sinnliche Callie an Maria Magdalena angelehnt, der Zimmermann Clay an Jesus. Bewaffnet sich Darkly mit Clays Werkzeug, steht dies unterschwellig für den Missbrauch von Religion und Glauben zu gewalttätigen Zwecken. Der namenlose Wald ist symbolischer „backwood“, in dem religiöse, emotionale und sexuelle Verirrungen wuchern. Aufgeschlossenheit und Bigotterie hausen hier beieinander. Einmal hineingeraten findet keine der Figuren heraus, weder Darkly noch die verirrten Zirkuskünstler. Aus dem Nichts tauchen sie als archetypische Karawane gegen Filmende auf. Ihre Frage nach dem Weg ist vergebens, Callies Glaube, sie kenne den Weg, verblendet. Führen die Blinden die Blinden, gehen beide in die Irre.

Ridley verläuft sich in seinem überzogenen Mystik-Thriller in aufdringlichen Metaphern, voyeuristische betrachteter Sexualität und Gewalt. Interessant ist das überfrachtetet Mystik-Drama nur aufgrund des kritischen Subtextes über die Facetten fanatischen Glaubens. Fraser erscheint mehr als homoerotischer Kind-Mann, denn als scheuer Jugendlicher. Den Vornamen seiner Figur leitet der Regisseur von einem Bibelzitat her, dass die Verschwommenheit der menschlichen Weltsicht widerspiegelt. Sie verzerrte wohl auch Ridleys dramaturgische Perspektive bei der Inszenierung von „The Passsion of Darkley Noon“.

Titel: The Passion of Darkley Noon

Land/ Jahr: USA, Deutschland 1995

Genre: Psychothriller

DVD-Start: 15. April 2004

Regie und Drehbuch: Philip Ridley

Darsteller: Brendan Fraser, Ashley Judd, Viggo Mortensen, Loren Dean, Grace Zabriskie, Mel Cobb, Kate Harper, Lou Myers

Kamera: John de Borman

Musik: Nick Bicat

Schnitt: Leslie Healey

Laufzeit:100 Minuten

Verleih: Sunrise

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