Dokumentation: Offener Brief von Jürgen Todenhöfer und Willy Wimmer – „Schluss mit dem Krieg!“

Tornado-Aufklärung mit Recce Lite Pod Incirlik Air Base 2016. Quelle: Bundeswehr Foto Falk Baerwald

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Jürgen Todenhöfer und Willy Wimmer appellieren in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Bundestagskollegen sowie an die Soldaten des betreffenden Aufklärungsgeschwaders, des Lufttransport-Kommandos und der betroffenen AWACS-Einsatzflugzeuge: „Hört auf, verfassungswidrige Kriege zu führen!“

Angesichts der für morgen geplanten Verlängerung des Bundeswehrmandates für Syrien und den Irak fordern der frühere verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Willy Wimmer (1) und der frühere rüstungskontrollpolitische Sprecher der CDU/CSU Jürgen Todenhöfer die Mitglieder des Deutschen Bundestag auf, ihr verfassungswidriges Kriegstreiben umgehend zu beenden.

WELTEXPRESS dokumentiert den Appell:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Bundestagskollegen, liebe Soldatinnen und Soldaten des betreffenden Aufklärungsgeschwaders, des Lufttransport-Kommandos und der betroffenen AWACS-Einsatzflugzeuge!

Bitte wehren Sie sich bei der Bundestagsdebatte am kommenden Donnerstag und erforderlichenfalls auch danach gegen den weiteren Einsatz der deutschen Bundeswehr in Syrien und im Irak!

Der Bundeswehreinsatz in Syrien und im Irak ist verfassungswidrig, unsinnig und kontraproduktiv.

Verfassungswidrig

weil es für diesen Einsatz kein Mandat des UN-Sicherheitsrats gibt. Das bestätigen nicht nur namhafte Völkerrechtler, sondern auch der Ex-Chef der Rechtsabteilung des BMVg Dieter Weingärtner (2).

Unsinnig und kontraproduktiv

Die Behauptung, man könne untergetauchte IS-Terroristen im Irak oder Syrien mit Flugzeugen finden, ist eine intellektuelle Beleidigung der deutschen Bevölkerung einschließlich unserer Soldaten. Viel wahrscheinlicher ist, dass es dem Westen – auch im Blick auf den Irankonflikt – darum geht, seine militärische Präsenz in Syrien und im Irak aufrecht zu erhalten.

Die Städte-Bombardements der Anti-IS-Koalition, für die die Bundeswehr die Aufklärung liefert, haben in der Vergangenheit bereits zigtausenden unschuldigen irakischen und syrischen Zivilisten das Leben gekostet. Etwa im irakischen Mossul, wo 20.000 Zivilisten getötet wurden, oder im syrischen Raqqa.

Noch Ende August 2019 wurden in der Provinz Idlib (!) bei einem US- Raketenangriff auf „Terroristen“ Zivilisten getötet. Deutschland trägt durch sein Mandat Mitverantwortung für jede dieser menschlichen Katastrophen.

Der Einsatz ist ein Terror-Zuchtprogramm

Bomben auf Städte sind keine sinnvolle Terror-Bekämpfung. Viel wirkungsvoller wären die klassischen Strategien zur Terrorbekämpfung wie Unterwanderung, Geld oder Unterbindung der Waffenströme in Zusammenarbeit mit lokalen Antiterror-Einheiten.

Unser Appell an die Kanzlerin und den Deutschen Bundestag

Wir fordern die deutsche Bundeskanzlerin und die deutschen Abgeordneten auf, das verfassungswidrige Mandat nicht zu verlängern. Der Bundestag muss aufhören, sich bei Auslandseinsätzen das Grundgesetz „ZURECHT ZU BIEGEN“, wie der langjährige Leiter der Rechtsabteilung des BMVg, Dieter Weingärtner, das bitter genannt hat.

Appell an unsere Soldatinnen und Soldaten

Für den Fall, dass der Bundestag das verfassungswidrige Mandat dennoch verlängert, bitten wir alle betroffenen Soldaten, ihr Gewissen sorgfältig zu überprüfen. Es kann nicht Aufgabe unserer Soldaten sein, das Grundgesetz zu brechen.

Sie würden dadurch gegen ihren Soldaten-Eid verstoßen. Er lautet:

„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das RECHT und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“

Die Bundesregierung und die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten wissen, dass das Mandat der Bundeswehr für Syrien und den Irak verfassungswidrig ist. Unter früheren Bundesregierungen wäre es undenkbar gewesen, einen derart offenkundig verfassungswidrigen Krieg zu führen und dafür auch noch die Zustimmung des Bundestags zu erhalten.

Das Mandat widerspricht dem klaren Friedensgebot unseres Grundgesetzes.

Wir sind ein Rechtsstaat. Ein Rechtsstaat darf keine verfassungswidrigen Kriege führen. Beenden Sie bitte unverzüglich diesen verfassungswidrigen Zustand!

Willy Wimmer
Jürgen Todenhöfer

Quellen und Anmerkungen:

(1) Wimmer war außerdem von 1988 bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung.
(2) Weingärtner leitete 16 Jahre lang, bis 2018, die Rechtsabteilung des BMVg. Am 22.11.2018 veröffentlichte er in der „Frankfurter Allgemeine“ den Artikel „Wehrverfassung in Not – Wie sich die Bundesregierung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr das Grundgesetzt zurechtbiegt“.

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