Paris, Frankreich; Berlin, Deutschland (Weltexpress). Dass die Eliten hier und heute sich nicht mehr als nationale verstehen, sondern als Weltbürger, das wundert wenig, beuten sie doch nicht mehr nur die halbe Welt aus, sondern die ganze. Mit Hilfe der Banken und also des weltumspannenden Finanzkapitalismus ist es sogar den Industriekapitalisten gelungen, sich rasant zu bereichert. Die oberen Zehntausend sind auch in der Bundesrepublik Deutschland längste eine Millionen. International betrachtet nennt ein Tausendstel der Weltbevölkerung um drei Viertel des gesamten Privateigentums sein Eigen. Dass die Eigentumsfrage wie eh und je die entscheidende aller Fragen ist, das wissen sie und halten sich – Eigentum verpflichtet – deswegen einen gigantischen Hofstaat, der weltweit rund 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Die machen zwar nicht Jahr für Jahr Millionenen, aber haben Millionenvermögen dank hoher Einkommen.
Johannes Eisleben nennt sie in seinem Artikel in „Achgut“ (11.5.2019) unter der Überschrift „Der verborgene Hofstaat des neuen Adels“ wenn auch nicht beim Namen, so doch bei der Berufsbezeichnung. Ausnahmsweise ein ausführliches Zitat: „Dazu gehören“ laut Eisleben „beispielsweise: Berufspolitiker in der Legislative, der Exekutive und in den Parteistiftungen, die Staatsbeamten der Exekutive, Richter und Staatsanwälte, hohe Offiziere der Streitkräfte, hohe Gewerkschaftsfunktionäre, Verbandsführer, angestellte Konzernmanager, Konzerndienstleister wie Rechtsanwälte, Steuerberater und Management-Berater, aber auch Kirchenfunktionäre, leitende Angestellte der staatlichen und der führenden privaten Medien, Klinikdirektoren, GKV-Manager und andere führende Akteure des Gesundheitswesens sowie Hochschulprofessoren und andere führende Angestellte des Bildungssektors.
Die überwiegende Mehrheit dieser Schicht lässt sich kulturell ganz gut verorten, Ausnahmen bestätigen die Regel. Sie liest affirmative Medien wie Spiegel, Zeit, SZ, Economist, Handelsblatt oder Manager Magazin und konsumiert Staatsmedien wie DLF, ARD oder ZDF, deren Berichterstattung bereits zu einem guten Teil in den Bereich Propaganda übergegangen ist.
Die Mitglieder dieser Trägerschicht sehen sich als aufgeklärt und progressiv, bekennen sich zur Abschaffung des Nationalstaats, zum globalen Finanzkapitalismus, zum Euro, zur EU, zur Erzählung von der zurückzuzahlenden Schuld des Westens gegenüber der Dritten Welt, zum Narrativ des anthropogenen Klimawandels, zur “Energiewende”, zur Grenzöffnung, zur Reduktion des Ordnungsstaates, zum Islam als einer dem Christentum gleichwertigen Religion oder gar zur Rechtfertigung privater politischer Gewalt (Antifa-Sympathisanten bei SPD, Grünen, Linken).
Mit anderen Worten, diese Schicht durchschaut die Herrschaftsmechanismen nicht, sondern nimmt die neue Herrschaftsideologie als humanistische ‚Haltung‘ ernst.“
Dagegen stehen die Belogenen und Betrogenen, die in Frankreich derzeit in Gelb auf der Straße laufen, um nicht dort zu enden. Es sind die Armen, die gegen die Reichen protestieren. Die Reichen? Eisleben antwortet mit dem „Anstieg der Anzahl der Milliardäre von 470 (im Jahr 2000) auf 2153 (Im Jahr 2018)“, die es zu „einer Verzehnfachung ihres Gesamtvermögens auf 8.700 Milliarden US-Dollar in diesem Zeitraum“ brachten.“ Sein Fazit: „Die globale Eigentumszweiteilung ist damit extremer als in Frankreich vor 1789.“
Was Eisleben vergisst, das ist die Erkenntnis, dass Protest kein Widerstand ist. Zum Verständnis dieser Begriff darf an dieser Stelle an Ulrike Meinhof erinnert werden, die in „Konkret“ (5/1958, S. 5) unter „Vom Protest zum Widerstand“ schrieb: „Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle andern auch nicht mehr mitmachen.“ Dass weder diese Erkenntnis noch der Satz von ihr stammt, darf erwähnt werden. Meinhof notiert selbst im zitierten Artikel, dass das von einem „Schwarzen der Black-Power-Bewegung auf der Vietnamkonferenz (…) in Berlin“ stamme.
Die Seinen zu informieren, das reicht nicht. Informieren, organisieren und radikalisieren – philosophisch und methodisch – muss der Dreiklang der Parole für das Proletariat, bei Eisleben sind das diejenigen, die „mit weniger als 60 Tausend EUR Jahreseinkommen“ auskommen müssen oder auch die „unteren 85 Prozent“, bei denen die Geilheit auf die Fleischtöpfe der Bourgeoisie, der Macht und Herrschaft größer ist als der von Protest und Widerstand, lauten. Mit Ironie und Geduld wird es sich von den bereits Abgehängten in der Matratzeneckenvereinzelung der städtischen Nischen, die nicht weiter werden, und derer in der Provinz – im besten Falle der Provence – schwer überleben lassen, wenn die „Schuldtürme“ (Eisleben) der Bourgeoisie dem Proletariat vor die Füße fallen. Die Vorbeben sind auch da schon bitter zu spüren.
Selbstverständlich müssen die Gelbwesten, weil sie eine in unteren Volksschichten verankerte Bewegung sind, eine Partei gründen, Wahlen gewinnen, in die Parlamente einziehen, Gesetze verabschieden, regieren und Posten auch in der ausführenden und gesetzgebenden Gewalt übernehmen. Je eher, desto besser.
Das, was für die Gelbwesten in Frankreich gilt, das gilt auch für die bescheidene Bewegung namens Aufstehen. Parteien gründen, Bündnisse schmieden, Kader bilden, die Macht und Herrschaft übernehmen können und wollen. Darauf kommt es an, denn die Mitglieder und Mandatsträger der Altparteien, dazu zählt auch die antideutsche Linkspartei, werden es nicht richten. Und die AfD ist im Zweifelsfall die Partei der Vermögenden und Eigentümer.