Die „Trocks“ aus New York im Admiralspalast in Berlin. „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ – It‘s a Man‘s World!

Les Ballets Trockadero de Monte Carlo
Les Ballets Trockadero de Monte Carlo am 9. Januar 2018 im Admiralspalast Berlin. © 2018, Foto: Andreas Hagemoser

Berlin, Deutschland (Weltexpress). „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ in Berlin im Admiralspalast in Mitte in der Friedrichstraße zu Gast. Die Trockaderos oder „Trocks“ – in den USA wird alles passend gemacht und möglichst kurz – sind aus New York. Dort wo „William“ schon zu lang ist und zu „Bill“ eingedampft wird – „Bill Clinton“ steht nicht in dessen Pass – sind sechs Wörter französisch natürlich viel zu viel. Donald Trump wird immer damit aufgezogen, dass er twittert.

Trocks, Trump, Twitter

Nun, er wusste, dass ihm nicht die ganze Presse wohlgesonnen war und wollte sich ein bisschen unabhängig machen. Vor allem hat eine Twitternachricht höchstens 160 Zeichen. Das ist sogar dann nicht viel, wenn man auf englisch schreibt. Auch im Englischen gibt es Sätze, die mehr Anschläge haben. Wie viele das sind, 160? Die beiden Sätze oben am Anfang des Absatzes, beginnend mit „Nun“ und endend vor dem „Das“, haben mit Leerstellen ein Dutzend Zeichen mehr (172). Ohne Leerzeichen gerade mal 146.

Es gibt ein deutsches Buch, dessen Text aus einem Satz besteht, einem einzigen. Das „Büchlein“ füllt viele Seiten.

Fasse dich kurz

Warum die Trockaderos oder Trocks sich mit französischen Namen schmücken, ist kurz erklärt. Während die Musik der Welt nicht ohne das Italienische auskommt – allegro, crescendo, fortissimo – kommt das Ballett nicht ohne das Französische aus. Die erste (premier), zweite, dritte Position, „pas de deux“ und „pommes frites“ ist francais, „French fries“ eher nicht.

Das russische Ballett spricht französisch

Die außergewöhnliche Ballettcompagnie „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ bringt die großen Klassiker der Ballettgeschichte, darunter die Originalchoreografien der „Ballets Russes“ wie Tschaikowskis „Schwanensee“, vollendet und originalgetreu auf die Bühne.

Der Russe Tschaikowski („Nussknacker“) wird im Ballett unter „Ballets Russes“ (sprich: ‚Balee rüss‘) eingeordnet – russisches Ballett, nicht Roulett – selbstverständlich ein französischer Begriff.

Monaco und Monte Carlo

Warum Monte Carlo? Ist das nicht irreführend?

An der wunderschönen Côte d‘Azur, wo man leben kann wie Gott in Südfrankreich, gibt es eine Strandbar namens „Café Acapulco“. Schöner geht es kaum als an den Buchten zwischen Marseille und dem einst italienischen Nizza. Doch die französischen Gastwirte denken an Mexiko und benennen sich nach dem mexikanischen Badeort am Pazifik.

Ballets Trockadero ganz groß

Auf dem DIN-A5-Programm und den Plakaten hat der Layouter die Wörter „… de Monte Carlo“ kleiner gesetzt. Ob das den US-Kürzungsgewohnheiten entgegenkommt, wissen wir nicht. Vielleicht beugt man sich in vorauseilendem Gehorsam der dritten Gewalt.

Ein US-Witz aus einem Hollywoodfilm lautet: „Was sind 500 tote Anwälte auf dem Meeresboden?“ „Ein guter Anfang.“ Stünde Monte Carlo größer auf dem Plakat, klagte vielleicht jemand dagegen, dass die Tänzer gar nicht aus Monte Carlo seien, der Hauptstadt Monacos, sondern aus New York.

Wahrscheinlichkeitsrechnung

Unwahrscheinlich? Wie wahrscheinlich ist es, einen heißen Kaffee zum Mitnehmen zu bestellen, sich daran zu verbrühen und dann, sich vor Gericht beschwerend, man hätte gewarnt werden müssen, der heiße Kaffee sei heiß, Millionen an „Entschädigung“ oder Schmerzensgeld zu bekommen?

Nach gesundem Menschenverstand und ‚common sense‘ unmöglich, doch genau das geschah in den USA.

Achtung, heiß!

Jetzt trägt jeder Deckel die Warnung „Caution, contents hot“, auch die meisten Abdeckungen von Kaffee-to-go-Bechern in Deutschland tragen den Hinweis. Da das deutsche Rechtssystem – noch – anders funktioniert, ist der Hinweis ‚in English‘ eingepresst. Der deutsche Unterwegs-Kaffeetrinker, der die drei Wörter nicht versteht, darf sich die Zunge verbrühen; die Bäckerei geht straflos aus.

Zögen hier amerikanische (Rechts-)Verhältnisse à la TTIP ein, würden die Warnhinweise wohl auf deutsch erscheinen – und viele Unternehmen schließen, nachdem sie Millionenstrafen für Haltloses und Selbstverständliches erhalten haben würden.

Genuss für Anfänger, Fortgeschrittene und Liebhaber des Balletts

Das Tolle an den Vorführungen der „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“ ist, dass jeder, der hingeht, davon profitieren kann. Man braucht keine Vorkenntnisse. Ein „niedrigschwelliges Angebot“.

Balletterfahrung erhöht den Genuss, doch jeder Lacher ist ein Kracher; egal, wie wenig Vorbildung vorliegt. Der Tanz steht nur vordergründig im Vordergrund; eigentlich ist es der Humor.

Auch ein aufmerksames Kind, dem im Zirkus vor Staunen der Mund offensteht, hätte hier seine Freude, wenn es denn zur 20-Uhr-Vorstellung noch aufbleiben dürfte und sich zu benehmen wüsste.

Der Beleuchter ist (k)eine Leuchte

Beispiel Scheinwerfer.

Wir, die Alten, kennen von Ilja Richter aus der Fernsehsendung „Disco“ (disco 78, disco 79, etc.): „Licht aus, Spot an!“

Das geschieht im Admiralspalast. Der Scheinwerfer sucht – vielleicht heißt er deswegen im Englischen ‚searchlight‘ – die leere Bühne ab. Links, rechts – die Bühne bleibt leer. Hat der Regisseur die Anweisung aus seiner Sicht gegeben? „Linke Seite beleuchten“, während er Richtung Zuschauerraum blickte? Oder hat der Beleuchter eine Rechts-Links-Schwäche und verstand das andere Rechts?

Neben mir der Platz bleibt leer (sagte das Licht)

Der stahlend helle, kreisrunde Lichtschein gleitet langsam über den Vorhand, den Bühnenboden – nichts. Der Lichtfleck bleibt leer. Endlich scheint er den richtigen Ort gefunden zu haben, vielleicht einen schnellen, aufgebrachten Befehl über den Sprechfunk erhalten zu haben – der Lichtpunkt hastet nach rechts, verweilt, die Spannung steigt, die Musik setzt ein – und der Tänzer erscheint auf der anderen Seite, kaum, dass man es sofort bemerkt, im Halbdunkel.

Der Saal erbebt vor Gelächter.

Laien wie Kenner, Junge wie Ältere haben ihren Spaß, lachen von Herzen, einige, bis die Tränen kullern.

Immer wieder gibt es solche Situationen, die im Kontrast stehen zu dem perfekten, klassisch ausgebildeten Ballettensemble.

Parodistisch von Anfang an

„Les Ballets Trockadero“ – gegründet im New York des Jahres 1974. Parodistisch von Beginn an. Warum 1974, wie passt das in die Zeit? Am 9. August 1974 trat US-Präsident Richard Nixon von seinem Amt zurück. Vielleicht kam er damit einer Amtsenthebung zuvor. Jedenfalls hatte es vielfachen Amtsmissbrauch gegeben, um an der Macht festzuhalten. Ausspionierung der politischen Gegner, Einbrüche, Wanzen, Lügen. Seit Juni 1972 waren viele unter dem Begriff „Watergate-Skandal“ zusammengefassten bekannt geworden.

Das Volk belogen – nach Strich und Faden

Dazu gehörte auch, dass die Regierung das Volk über den Vietnamkrieg belogen hatte. Seit 1965 wusste die US-Administration, dass sie den Krieg nicht gewinnen konnte, schickte aber immer mehr Soldaten und Waffen nach Südvietnam. Teils, um den Kommunismus einzudämmen, teils um dem südvietnamesischen Staat mit der Hauptstadt Saigon zu helfen, aber zu 70% um die Demütigung nicht einzugestehen.

Dies geht aus den Spielfilmen „THE SECRET MAN“ mit Liam Neeson und Diane Lane und „DIE VERLEGERIN“ mit Meryl Streep, Tom Hanks und Alison Brie hervor, der am 22.2.2018 startet, noch während der Berlinale.

New York, Washington und „Die Verlegerin“

Vorbild für „Die Verlegerin“ war die mutige Kay Graham, die nachdem der New York Times (NYT) verboten worden war, Enthüllungen zu publizieren – ein in einer Demokratie ungeheuerlicher Vorgang, der die Pressefreiheit in ihren Grundfesten erschütterte und eine Erscheinung der Nixon-Regierung darstellte – in der damals noch nicht überregionalen Tageszeitung „Washington Post“ das druckte, was die NYT nicht mehr durfte.

In Zeiten des Humors

2017/ 18 ist wieder ein amtierender US-Präsident im Fadenkreuz eines FBI-Sonderermittlers.

Der Humor ist ein ständiger Begleiter der Trocks. Deutsche Kabarettisten bezeugen, dass ihnen die Trump-Administration und die (über-?)harte Reaktion der Presse dagegen sehr entgegen kam, musste man doch nach den Gags nicht lange suchen.

Gut 40 Jahre nach 1974 geht es auch um Freiheit.

Was haben die Trockaderos damit zu tun?

Die Trocks als Kinder ihrer Zeit

Protest war seit Mitte der Sechziger, in Europa seit Ende der Sechziger eine Folge der Lügen über den Vîetnamkrieg und die Überheblichkeit des Establishments. Bin Hammam, ein Fußballapparatschik aus Katar, fasst das aktuell selbstkritisch zusammen. Da Zigtausende junge Männer in den 60ern und frühen 70ern nach Südostasien geschickt wurden – 60.000 von ihnen um zu sterben – und die Wehrpflicht wieder eingeführt wurde, regte sich Widerstand vor allem bei jungen Männern. „Flower Power“, Blumenkinder, Hippies und Drogen waren Schlagworte und Phänomene der Zeit, die teils geblieben sind. Ohne die Lügen über die Verhältnisse in Vietnam wären wahrscheinlich die Kommunisten Ho Chi-minh und Mao Tse-tung nie so gut weggekommen. In der verzeifelten Lage stieg der Bedarf nach Humor, entwickelte sich aber auch eine Freiheit, Dinge auszuprobieren. LGBT-Selbsterkenntnisse nahmen einen Aufschwung.

Und die Trocks? Sie präsentieren doch in einer althergebrachten Kunst mit strengen Regeln die großen Klassiker wie “Schwanensee“ von Tschaikowski! Mit Prinz Siegfried, Schwanenkönigin Odette, Benno und von Rothbart. Wo bleibt da das Revolutionäre?

Humor und Geschlecht (-errolle)

Die Komik entsteht durch die bewusste Überzeichnung der Schwächen und Missgeschicke, die beim Tanzen auch den Besten passieren können – doch ist das nicht das Einzige.

Den „Primaballerinen“ des New Yorker Ensembles sind ausnahmslos Herren der Schöpfung. Die männlichen Körper wirken in den weiblichen Rollen mit Ballettröcken gewollt-ungewollt komisch und stellen herkömmliche Geschlechterrollen und -bilder – Heterosexualität hin oder her – infrage.

Honi soit qui mal y pense.

Heute, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel die nicht-heterosexuelle Ehe mit auf den Weg gebracht hat, auch wenn sie nicht dafür stimmte, mag vieles normal geworden sein. Amtsträger wie Klaus Wowereit und Barack Obama entsprechen nicht der Weiß-männlich-heterosexuellen Norm der 50er und Sechziger Jahre.

Doch seinen Reiz haben die Darbietungen der graziösen Tänzer vom Mittelmeer oder aus New York nicht verloren.

Es ein Gewinn, ihnen zuzuschauen; auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Die Gelegenheit sollte man sich nicht unbedingt entgehen lassen.

Wer auf sie fliegt, fliegt auch schon mal hin.

Eine Auswahl aus den Tourneedaten

USA

20. und 21. Januar in Long Beach
23. Januar in Santa Fe, New Mexico
25. Januar in San Antonio, Texas
27. Januar in San Angelo, Texas
30. Januar in Irving, Texas
etc.

EU-Europa

26. -27. März in Belgrad auf dem Tanzfestival 15. bdf „Belgrade Dance Festival“
18.-24. Mai in Helsinki (Kulttuuritalo)
26. Mai um 19.30 Uhr in Malmö (Nöjesteatern)
9. und 10. Oktober in Dublin, Irland (Bord Gais Energy Theatre)
2. und 4. November in Belfast (Grand Opera House)

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