Die Schwanenmörderin – Natalie Portman tanzt den „Black Swan“ in Darren Aronofskys eiskaltem Schauerballett

„Perfektion ist nicht nur Kontrolle, sondern auch Loslassen.“, sagt Leroy (Vincent Cassel) Nina, die ihr Leben geben würde, um die ersehnte Hauptrolle in Tschaikowskis Oper nicht an ihre ungezähmte Konkurrentin Lily (Mila Kunis) zu verlieren. Dass sie geboren wurde die in einen Schwan verzauberte Prinzessin aus „Schwanensee“ zu sein, weiß sie. Dass zu dem Part der Tod gehört, der am Ende des Balletts auf ihre Figur wartet, nimmt sie hin. Nur im Todesmoment kann der makellose Schwanengesang erklingen. Blutrot muss das schneeweiße Gefieder werden, bevor Nina zum „Black Swan“ werden kann. Die Farbkontraste von zarten Pastelltönen und intensiven Farben unterstreichen die psychische Spaltung Ninas. Die dunklen Anteile ihrer Persönlichkeit hat sie systematisch verdrängt. Ihre seelische Wandlung in den „Black Swan“ erlebt sie als physische Häutung. Aronfoskys tragische Heldin ist im wahrsten Sinne „going to pieces“. Aggressionen äußert Nina in unbewussten Selbstverletzungen. Seelenwunden, aus denen ihre unterschwelligen Versagensängste sprechen. Bis der „Black Swan“ seine Schwingen zum künstlerischen Höhenflug spreizt.

Das Flüggewerden ihre Tochter verfolgt Ninas Mutter mit angstvollem Hass. Gleich einer bösen Königin herrscht sie über ihre kleine Prinzessin. Lippenstift und Parfum der ehemaligen Primaballerina (Winona Ryder) verkörpern für Lily verbotene Früchte. Verführerisch sein darf sie selbst nicht. Die Perfektion, welche ihre Mutter ihr abverlangt, ist die abstrakte Vollkommenheit des Tanzes, eine asexuellen Schönheit wie die des Wasservogels, den Lily im Ballett verkörpert. Unter den mütterlichen Schwingen verwandelt sich der schöne Schwan in ein hässliches Entlein, ein unerbittlich zur Arbeit an seiner Ballettkarriere getriebenes Aschenbrödel. Tanzen, tanzen bis der kleine Spann ganz rot ist muss Aronofskys „Black Swan“. Rucke di gu, Blut ist im Schuh.

Nach dem nüchternen Realismus von „The Wrestler“ taumelt Aronofsky mit seiner Figur im Vertigo eines Psychodramas. Von Lilys erstem Erscheinen an ist unmissverständlich, dass sie Ninas verlorenes Spiegelbild ist. Nina selbst eine Olympia, eine mechanische Ballerina wie die pirouettierende Figur in ihrer Spieluhr. Unbarmherzig wird sie aufgezogen, bis das psychische Räderwerk springt. Der cineastische Tanz des „Black Swan“ fasziniert wie in der Oper nicht trotz, sondern gerade durch seine melodramatische Düsterkeit und hemmungslose Passion.

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Titel: Black Swan

Land/ Jahr: USA 2010

Genre: Psychothriller

Kinostart: 20. Januar 2011

Regie: Darren Aronofsky

Drehbuch: Mark Heyman, Andres Heinz, John McLaughlin

Darsteller: Natalie Portman, Mila Kunis, Barbara Hershey, Winona Ryder, Vincent Cassel

Kamera: Matthiew Libatique

Musik: Clint Mansell

Schnitt: Andrew Weisblum

Laufzeit: 110 Minuten

Verleih: Twentieth Century Fox

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