Bruderkrieg – Tobey Maguire und Jake Gyllenhaal sind „Brothers“ in Jim Sheridans Kriegsdrama

Wenn die Suggestion unzähliger Kriegsmelodramen – und in deren Tradition stellt sich Sheridan zweifellos – zutrifft und ein bedeutsames Ereignis immer tiefgreifende Gefühlsregung weckt, lässt „Brothers“ kalt, weil er nicht bedeutsam ist. So verhält es sich auch auf der Leinwand. Das Gefühl trügt hier nie, auch nicht Grace. Der im Afghanistan-Krieg für Tod erklärte Sam ist nicht gefallen, sondern Geisel der Taliban. Als er nach Monaten physischer und psychischer Folter als gebrochener Mann zu Grace und den kleinen Töchtern Isabelle (Bailee Madison) und Maggie (Taylor Geare) zurückkehrt, hat sein vormals kriminellen Bruder Tommy (Jake Gyllenhaal) seinen Platz eingenommen. Seinen Hass und Schmerz richtet der traumatisierte Sam nun gegen sich und seine Familie.

Wut, Trauer, Ohnmacht, Ausweglosigkeit – sollten sie nicht fühlbar sein bei einem ambitionierten Drama wie „Brothers“? Susanne Biers dänisches Drama „Brodre“ zeigte in schlichten, eindringlichen Bildern die zerstörerischen Auswirkungen des Krieges auf das alltägliche Leben und die intimsten Beziehungen. Auf die existentialistischen Dramen im Zuge des Vietnamkrieges wie „The Deer Hunter“ und „Coming Home“ bis auf die griechische Tragödie greift Sheridan in seiner Neuverfilmung von „Brodre“ zurück. Vor die Kamera von Frederick Elmes ´, der mit Jarmusch, Lynch und Ang Lee arbeitete, führt er ebenso authentische wie präzise Darstellern wie Natalie Portman, Mare Winningham und Sam Shepard. Doch aus all dem ersteht bei Sheridan nur ein lebloses Konstrukt, übervoll von flachen Zitaten, vorhersehbaren Klischees und verkapptem Patriotismus.

„Almost feels like home.“, beschreibt Sam seine innige Verbundenheit zur Armee, untermalt von schwelgerischer Musik und Grace versichert, sie habe ihn seit der Schulzeit geliebt. Konservative Durchhalteparolen wie „God bless our home“ und „Save our fallen soldiers“ prangen im wahrsten Sinne gleich Aushängeschildern in der Szenerie. Tobey Maguire, ob er verstört in einer Berghöhle kauert oder sich psychopathisch gegen den Kopf schlägt, kann nie die forcierte Künstlichkeit des Hollywoodstars, der sich als ganz großer Charakterdarsteller beweisen will, abschütteln. Der fast fanatische Obrigkeitsgehorsam Sams, der Militarismus seines Vaters (Sam Shepard) und die angebliche Legitimität des US-Einsatzes in Afghanistan werde nie in Frage gestellt. Grace ist die moralisch wie optisch perfekte Gattin, Maggie und Isabelle die idealen Töchter. Das Schwarze Schaf Tommy mutiert zum mustergültigen Ziehvater und reuigen Sünder.

Seinem künstlerisches und thematisches Potential verhöhnt „Brothers“ geradezu. So sinnlos und überflüssig wie der Krieg, den er thematisieren will und nicht überzeugend thematisieren kann, bleibt er missratener Stiefbruder von Susanne Biers überlegenem Original.

Titel: Brothers

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Drama

Kinostart: 27. Januar 2010

Regie: Jim Sheridan

Drehbuch: David Benihoff

Darsteller: Tobey Maguire, Jake Gyllenhaal, Natalie Portman, Sam Shepard, Mare Winningham, Bailee Madison, Taylor Geare, Patrick Flueger, Carey Mulligan, Clifton Collins, Jr.

Kamera: Frederick Elmes

Musik: Durinda Wood

Schnitt: Jay Cassidy

Laufzeit: 105 Minuten

Verleih: Koch Media

www.kochmedia.de

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