„Die Leute sind radikaler geworden“ – Interview mit dem israelischen Historiker Moshe Zimmermann über die Wahl zum israelischen Parlament

Moshe Zimmermann

Über was wird morgen bei der Wahl zur 18. israelischen Knesset abgestimmt?

Vor zwei Monaten dachte man noch, dass das Hauptthema die Wirtschaft und die sozialen Verhältnisse sein wird. Aber wegen des Krieges konzentriert sich alles auf die Sicherheitssituation, vor allem auf das Problem Gaza und Hamas.

Nach den Umfragen liegt der Likud von Benjamin Netanjahu an erster Stelle. Wird er neuer Premierminister?

Man kann mit einer ziemlichen Sicherheit prognostizieren, dass Netanjahu der nächste Regierungschef sein wird; dass die Partei von Ehud Olmert nur an zweiter oder dritter Stelle sein wird; dass die extrem rechtsradikale Partei von Herrn Lieberman sogar auf die dritte Stelle vorrücken kann. Das bedeutet, dass man in Israel eher eine rechtsorientierte Koalition haben wird. Die Linke hat schon vor Jahren abgedankt und kann sich nicht regenieren.

Während des jüngsten Krieges nahm die Beliebtheit von Verteidigungsminister und Chef der Arbeitspartei Ehud Barak zu …

Vor zwei Monaten lag er bei zehn bis elf Prozent, heute liegt er bei 13-14 Prozent. Man kann so oder so nicht von einer Partei reden, die um den Posten des Ministerpräsidenten kämpft. Entweder sitzt man in der Opposition oder man ist als kleinerer Partner in der neuen Koalition wie bisher.

Bedeutet das alles, dass das Land durch den Krieg in Gaza weiter nach rechts gerückt ist?

Eindeutig. Die Leute sind im Krieg und wegen des Krieges radikaler geworden. Der Erfolg der Partei von Lieberman – sie heißt `Israel Beitenu ´ (Israel, unser Haus) – ist nur auf dem Hintergrund des Gaza-Krieges zu erklären. Bei den letzten Wahlen hat er etwa neun Prozent bekommen. Jetzt aber, wo sehr viele Leute frustriert sind, weil sie sich mehr von diesem Krieg erhofft haben, erhält er Unterstützung – weil er immer die radikalste Lösung vorschlägt: Mehr drauf zu hauen, die Araber aus Israel zu vertreiben und jeder Staatsbürger soll einen Vertrauensschwur für den Staat abgeben.

Netanjahu war Mitte der 90er Jahre schon einmal Premierminister. Ist er heute ein anderer Politiker?

Er versucht, sich mithilfe seiner PR-Leute als ein anderer zu präsentieren: jemand, der weniger radikal und kein Hitzkopf mehr ist, jemand, der aus der Geschichte gelernt hat. Aber man kann in jeder Hinsicht sagen, dass er sich nicht geändert hat. Seine Politik in Bezug auf die Palästinenser oder die arabische Welt ist noch immer eine harte, anti-arabische Politik. Die Israelis suchen einen starken Mann, da bietet sich Netanjahu sehr gut an.

Welche praktischen Folgen könnte der Wahlsieg seiner Partei haben, deren Motto `Je stärker der Likud, desto sicherer das Land ´ lautet?

Wenn die Regierung von Netanjahu tatsächlich eine rechtsorientierte Regierung wird, über die Koalition mit Shas, den rechtsradikalen Orthodoxen und mit Lieberman, dann bedeutet das, dass sich auf dem Weg zu einem Frieden oder zu einer Vereinbarung mit den Palästinensern nichts bewegen kann. Das bedeutet, dass wir bei einem Stillstand bleiben und die Radikalisierung der arabischen und muslimischen Umgebung unvermeidbar sein wird.

Was ist Ihr persönlicher Wunsch an ausländische Politik?

Man hofft sehr, dass die angeblich indifferente Welt sich etwas mehr engagiert. Die letzten acht Jahre mit George Bush waren für Israel eine Katastrophe, weil er eben diese rechtsorientierte israelische Politik durch Dick und Dünn unterstützt hat. Deswegen konnte sich hier kaum etwas bewegen.

Und Ihr Wunsch an Neupräsident Obama?

Dass er zumindest die Politiker hier überzeugt, dass es eine Alternative gibt. Vielleicht versucht er mit seinem eigenen Charme wie sein Vorgänger Clinton, die Herzen der Israelis zu erreichen. Das kann etwas bewegen.

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