Die Halbstarken – Die Brüder Ochsenknecht blamieren sich in “Gangs”

“Gangs” setzt sich aus den typischen Bandenfilmklischees zusammen. Das Subgenre des Bandenfilms wurde in Deutschland in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt, befanden die Produzenten von “Gangs”. Eine recht eigensinnige Perspektive, angesichts der Flut an Bandenfilmen, welche das Jugendkino überschwemmte. Gab es nicht “Die Vorstadtkrokodile”, unzählige Teile von “Die Wilden Hühner” und “Die Wilden Kerle”? Und fielen unter “Die Wilden Kerle” nicht auch Wilson Gonzales und sein kleiner Bruder Jimi Blue Ochsenknecht? “Die Wilden Kerle” von einst sind jetzt “Die Halbstarken” oder “Der Wilde” mal zwei, klein und etwas größer. Flo (Jimi Blue Ochsenknecht) und seine Freunde Jan (Jannis Niewöhner), Rambo (Michael Keseroglu) und Nur (Kai Michael Müller) sind die Jugendbande “Rox“, deren Rivalen die Bande “78er“ sind. Als Rox-Anführer Chris (Wilson Gonzales Ochsenknecht), Flos großer Bruder, aus dem Gefängnis entlassen wird, muss er Schulden bei der verfeindeten Schlägergang “Killaz” abzahlen. Flo verliebt sich unterdessen in Sofie (Emilia Schüle). Das verhätschelte Pummelchen soll Balletttänzerin aus reichem Hause sein. „Kein altmodisches Ballett wie `Schwanensee’ oder `Der Nussknacker`, sondern sexy.”, beruhigt Regisseur Matsutani alle, die fürchten, “Gangs” könnte ästhetisch oder gar anspruchsvoll werden. New York und Mexiko City waren wohl gerade ausgebucht, daher zanken sich die “Gangs” im knallharten Asphaltdschungel Berlins.

In den härtesten Vierteln wurde “Gangs” gedreht: Friedrichshain und Moabit! In Friedrichshain leben Studenten und junge Familien. Krass hartes Pflaster. In Moabit vertreten die soziale Unterschicht nicht lässige Jugendliche, sondern müde Obdachlose, die auf der Parkbank Billigwein aus Tetrapacks trinken und Sozialhilfeempfänger. “Gangs” inszeniert Armut als das aufregende Konstrukt von Freiheit und Abenteuer, zu dem es verwöhnte Wohlstandskinder, sagen wir beispielsweise wie die gutbetuchten Söhne eines prominenten deutschen Schauspielers, gern verklären. Flo und Chris sind in “Gangs” vom gewalttätigen Vater und der desinteressierten Mutter verlassene Straßenkinder. Woher sie und die übrigen “Rox” das Geld für ihre Motorräder, das Bandenauto, Designerkleidung, Bier, Döner und Discobesuche nehmen, bleibt rätselhaft. Doch Bares liegt im Berlin von “Gangs” praktisch auf der Straße. Die Clique überfällt mal eben einen Geldtransporter. Dabei stellen sich die Fünfzehn- bis Sechszehnjährigen so dämlich an, dass der Transporterfahrer ihnen mitleidig den Schlüssel für die Handschellen gibt, mit denen sein Kollege an den Geldkoffer gekettet ist.

In passenden Momenten stürmt ein Sondereinsatzkommando mit Maschinengewehr im Anschlag hinter den Rox her, als hätten die Beamten hinter dem nächsten Baum darauf gewartet, dass jemand “Und Action!” ruft, was Anlass zu protzig-öden Verfolgungsjagden gibt. Da ist man als Kleinkind auf dem Dreirad wildere Rennen gefahren.  Kommen die “Gangs“ in ihrem Hauptquartier an, einem schicken Loft mit Grundstück, wie ihn Normalverdiener nur erträumen können, endet die Verfolgung automatisch, als könnte die Polizei nicht um die nächste Mauerecke gucken. “Fünf Typen in Lederjacken und ´ne Dogge im Auto. Superunauffällig.”, heißt es von einem Bandenmitglied der “Gangs”. Eltern, Jugendamt, Sozialdienst – von nichts und niemandem werden die froh und frei lebenden Minderjährigen behelligt. Nicht einmal Pipi Langstrumpf hatte es so einfach. Ungeniert stellt Regisseur Matsutaki sein blamables Machwerk in eine Reihe mit “West Side Story”. So wie Chris als laue Marlon-Brando-Karikatur aus “The Wild One” ausstaffiert herumstolziert, schwirrten Matsutaki wohl noch andere Bandenfilme im Kopf herum.

Für Produzent Andreas Ulmke-Smeaton bedeutet in einer Gang sein “”¦dass man gemeinsam eine Menge Spaß hat, Abenteuer erlebt, einfach Gas gibt.” Für Kinderbanden von Vorschulkindern wie “Die Kleinen Strolche” mag das zutreffen. Mit echten Jugendbanden hat es nichts zu tun. Selbst Döner und Schokoriegel essen interpretiert “Gangs” als jugendliche Aufmüpfigkeit. Wilson Gonzales Ochsenknecht schlief übrigens mehrfach bei den Dreharbeiten ein. Wer den öden Jugendfilm “Gangs” im Kino sieht, kann das nachvollziehen.

Titel: Gangs
Start: 1. Oktober
Regie: Rainer Matsutaki
Drehbuch: Peer Klehmet, Sebastian Wehlings
Darsteller: Jimi Blue Ochsenknecht, Wilson Gonzales Ochsenknecht, Emilia Schüle, Sina Toktsch
Verleih: Disney
www.gangs-derfilm.de

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