Die Frau mit dem Todesschwert – „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ wandelt auf den Spuren asiatischer Samuraifilme

Haruka Ayase und Takao Osawa in "Ichi - Die blinde Schwertkämpferin"

Die blinde Wandermusikantin Ichi (Haruka Ayase) zieht durch das alte Japan auf der Suche nach ihrem Vater. Unter der scheinbar schwachen Erscheinung der jungen Blinden verbirgt sich eine geschickte Schwertkämpferin. Ihr Umfeld ist darauf aus, Blindheit und Schwäche auszunutzen, hat die junge Wanderin erfahren. So verlässt sie sich einzig auf das in ihrem Blindenstab verborgene Schwert und seine Macht, zu töten. Doch der Krieger Toma (Takao Osawa), der nach einem traumatischen Kindheitserlebnis nicht mehr kämpfen kann, und ein kleiner Junge lehren sie behutsam, aus ihrer geistigen Isolation auszubrechen. Als Toma von einer kleinen Gemeinde als Beschützer gegen die plündernde Bande des skrupellosen Banditen Banki eingestellt wird, tritt Ichi für ihn gegen Banki-Bande  an. Doch mit Banki verbindet die junge Frau mehr, als beide ahnen. Mit ihm muss sie sich ihrer Vergangenheit und der dunklen Seite ihrer Persönlichkeit stellen. Denn durch ihre seelische Kälte droht Ichi, sich ganz ihrem Tötungstrieb zu überlassen.

„Ich kann den Unterschied nicht sehen.“ Mit diesen Worten beschreibt Ichi nicht ihre physische Blindheit, sondern ihre seelische. Die intolerante Assoziation physischer Behinderung mit geistiger Abweichung ist vorrangig in der westlichen Kultur verankert. In der asiatischen Sage und Populärkultur geht mit der körperlichen Einschränkung oft eine besondere Befähigung einher. Auf einer Figur mit diesen Eigenschaften basiert „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“. Der blinde Samurai Zatoichi zählt zu den berühmtesten Figuren der japanischen Filmgeschichte. Für die von zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen inspirierte Neufassung der Geschichte feminisierte Regisseur Fumihiko Sori die von Takeshi Kitano dargestellte Gestalt. Wie Sori dies tut, ist ein interessanter Aspekt hinter der unausgewogenen Handlung. Statt Krieger wie Zatoichi ist Ichi eine Wandermusikantin. Ein weiblicher Samurai ist im asiatischen Kino wohl eine Ausnahmeerscheinung vergleichbar mit einer Päpstin im europäischen. Sieht man Ichi zu Beginn in einem Bordell mit blinden Prostituierten leben, fragt sich, ob sie selbst dort arbeitete, was der Film leider unbeantwortet lässt. Der leidenschaftliche Würfler Zatoichi nutzt sein außergewöhnliches Gehör beim Glückspiel. Ichi hingegen lässt sich bei dem Spiel durch Toma vertreten, dem sie die richtigen Einsätze zuflüstert. Ichis Weiblichkeit erscheint anhand solcher Szene als Ursache für ihre Passivität und Verwundbarkeit. Am deutlichsten tritt letzte in der langen Rückblende hervor. Als junges Mädchen wurde Ichi vergewaltigt und daraufhin ausgestoßen. Seitdem zieht sie als Wandermusikantin herum. Anders als Zatoichi will sie sich nicht für ein Unrecht rächen, sondern ihren Vater finden, der sie einst verließ. Ihre Weiblichkeit erlebt Ichi in der von strengen Konventionen geprägten japanischen Gesellschaft als Schwäche. Im Gegenzug hat sie sich eine „maskuline“ Gefühlskälte angeeignet.

Diese hintergründigen Ansätze erheben „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ über durchschnittliche westliche Kampfkunstspektakel. Im Gegensatz zu deren Helden fliegen die Figuren in „Ichi“ nicht in Ninja-Sprüngen durch die Luft und überschlagen sich in unzähligen Saltos. Angelehnt an die traditionelle Schwertführungskunst bewegen sich die besten Kämpfer lautlos und mit animalischer Geschicklichkeit. Fellhandschützer und die Fellmaske ihres finalen Gegners verbinden Ichi und Banki symbolisch mit wilden Tieren sowie miteinander. Bei Banki verbirgt sich hinter der Fellkleidung psychische Hässlichkeit, bei Ichi hingegen Sanftheit. Dass sie ihre offensichtliche Bekehrung laut verkündet, damit es auch der letzte im Publikum begreift, zählt zu den wenig subtilen Schwächen des Films. Allerdings ist derartige Direktheit typisch für die Filmtradition, in der „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ sich bewegt: die asiatischen Kampfkunst-Filme der siebziger und achtziger Jahre wie „Lady Snowblood“, „Der Mann mit der Todeskralle“ und natürlich „Zatoichi“. Die sind in erster Linie massentaugliche Unterhaltungsfilme, deren Macher eine alte Weisheit  oft vernachlässigen: Die Feder ist mächtiger als das Schwert. Auch die eines guten Drehbuchautors.

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Originaltitel: Originaltitel: Ichi

Deutscher Titel: Ichi – Die blinde Schwertkämpferin

Genre: Action

Land/Jahr: Japan 2008

Kinostart: 14. Mai 2009

Regie und Drehbuch: Fumihiko Sori

Darsteller: Haruka Ayase, Takao Osawa, Shidou Nakamura, Yosuke Kotake

Verleih: Rapid Eye Movies

Laufzeit: 120 Minuten

FSK: Ab 16

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