Klaus Staeck, der Gesamtkünstler, dessen hervorragende Eigenschaft die Kombination von Hirn, Auge und Hand ist, denn, das, was er sieht oder erfährt, kann er so treffsicher wiederum in Bilder und Texte dazu umsetzen, daß ihn genial zu nennen, weder anmaßend, noch anbiedernd, noch übertrieben, noch herbeigeholt, sondern einfach wahr ist!! Und Staeck ist einer, der einem durch Kunst verdeutlicht, daß geistige Erkenntnis auch geistiger Genuß ist, daß Lachen befreit, aber nicht in dem Sinne, daß einem alles wurscht wird, sondern umgekehrt, daß das Lachen über den Plot, den Staeck einem wieder einmal vor Augen führt, dazu dient, sich noch schärfer der gezeigten Mißstände anzunehmen. Zumindest im Kopf. Daß der 71jährige, – man glaubt an einen Tippfehler, ach, was ist schon Alter! – nun seit April 2006 auch noch als Präsident der Künste in Berlin ein schwieriges Amt inhalts- und formvollendet ausführt, ist eine weitere Charakteristik, die zeigt, daß es Klaus Staeck immer um Bürgerbeteiligung, immer um gesellschaftliches Engagement derer ging, über die politisch entschieden wird, und so könnte man auch sagen, daß Klaus Staeck als Künstler und nun auch als Akademiepräsident immer auch stellvertretend für andere spricht, im besten Sinne ein Citoyen, in der Tradition und dem Geist der Aufklärung, so wie Rousseau ihn gegenüber dem Bourgeois abgrenzt.
Aus der Aufklärung übrig geblieben zu sein, ist kein schlechtes Stichwort für Klaus Staeck, der ja schon 1972 mit einem Plakat Furore machte, in dem er den Manipulatoren des Wortes den eigenen Strick um den Hals legte: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen.“. So genau hörten sich damals die Schlagzeilen der Bildzeitung an, die durch die verfremdeten und verdrehten Staecksätze erst die Wahrheit der fiesen Absichten offen legten. Heute scheint das so klar: kein Arbeiter hat eine Villa im Tessin und welche Arbeiter wählen heute noch SPD. Aber damals waren die Kampfparolen des bürgerlichen Lagers mit Unterstützung der Bild tatsächlich ein Graben- und Unterstellungskampf, den Staeck mit dieser surrealen Schlagzeile in seiner grundsätzlichen Absurdität offen legte und damit auch erledigte. Zumindest im Kopf.
In der Ausstellung sehen Sie schon in der Halle große Transparente mit Parolen wie: „Ordnung muß sein“ von 1987, wo ein Kissen in Deutschlandfarben mit dem unnachahmlichen kleinbürgerlichen Knick in der Mitte allein durch diesen Knick sagt, wo es lang geht. Wir könnten über alle aufgehängten Plakate unser intellektuelles-ästhetisches Entzücken ausdrücken, wie in dem mit deutschtümelnder Schrift von 1975: „Mitbürger! Lesen macht dumm und gewalttätig. Die Generalschriftumskammer“ und mit dem von der Bildzeitung und der CDU inkriminierten Buch von Heinrich Böll, Die verlorene Ehre der Katharina Blum, die genau diese Machenschaften zum Inhalt hat, oder aber 22 Jahren später bei der angeblichen Reform der Hochschulen:
"Ein Volk das solche
Boxer
Fußballer
Tennisspieler
und Rennfahrer hat
kann auf seine Uniwersitäten ruhig verzichten."
Der dem Text/Bild immanente Widerspruch ist es, der zur Erkenntnis und zum Lachen führt, wie das Plakat, das lauter Männer aus dem Bundestag zeigt, aber den Schriftzug: „Jeder zweite Abgeordnete ist eine Frau.“
Aber, so nehmen wir einmal an, diese Plakate kennen die meisten und man kann sie auch in Büchern anschauen. Darum sind die eigentlichen Überraschungen zwei andere Bereiche. Klaus Staeck fotografiert und Klaus Staeck ist ein Objektkünstler. Fotografieren tut er alles, was ihm unter die Linse kommt und seine Aufmerksamkeit ist gleichermaßen auf Porträts ihm bekannter, wie auch auf Menschen allgemein gerichtet, aber auch auf die Natur und vor allem auf menschliche Behausungen, die oft eher aussehen, wie von einem anderen Stern, ungepflegt und wenig wohnlich. Da gibt es für seine Fotografien kein gemeinsames Motto, bis auf eines, daß man immer wieder, schaut man sich das Alltägliche genau an, auf einmal entdeckt, warum Staeck genau dieses Objekt fotografierte. Das ist so die Erkenntnis zweiter Art, auf die seine Fotografien fußen.
Direkt, unmittelbar und zu unserem großen Erstaunen, gelingt ihm ein Aha-Erlebnis bei den Besuchern allerdings mit seinen uns zuvor völlig unbekannten Ready-Made – hätte die Klassische Moderne gesagt -, seinen Skulpturen, Collagen oder Installationen wäre die Genrebezeichnung, wo es aber ganz und gar nicht auf die Bezeichnung ankommt, sondern die Objekte selbst. Und erst hier vor all den Dingen, die Staeck so gekonnt zu einer neuen, kritischen Einheit zusammenfügt, wird einem bewußt, daß wir diese seine Fähigkeit zur darstellenden Kunst mittels Gegenständen überhaupt nicht gekannt haben. Diese Teilchen aber hier sind es, die die Besucher ausrufen lassen: „“Da bleibt einem echt die Luft weg!“ „Der Mann ist echt genial.“ „Staeck macht fitt“. „So ein geistreicher Mann.“
„Abendmahl“ von 1982 bietet den Übergang vom Foto zur Installation. An der Wand hängt eine sehr große Fotografie, auf der genußvoll bei einem Büffet – wieder nur Männer – gespeist wird. Davor ein Tisch, auf dem auf kleinen Tellerchen die kargen Mahlzeiten der Weltbevölkerung visualisiert sind. „Baumkuchen“ von 1991 dagegen ist nur noch hinterfotzig. Eine breite Baumscheibe stellt einen Kuchen dar, auf dem Zündkerzen die Kerzen vorstellen, der Tortenheber ist in Funktion, ein Stück Torte ist schon aufgegessen und der Schriftzug der Torte heißt: 100 Jahre Automobil. Es sind die unerwarteten Materialien genauso wie der Tiefsinn, der einen innehalten läßt, wenn in „Strafrechtsreform“ von 1969 ein ausgehöhltes „Deutsche Gesetze“ Buch, in dem statt der Seiten zwei Eisenstäbe ein Gefängnis andeuten, wo einem das Gruseln kommt. Oft denkt man, warum man auf diese Idee nicht selber gekommen ist: „Gestörte Verbindungen“ von 1969. Ein echtes Telefonbuch von 1969/70 ist im unteren Teil ausgeschnitten, wohinein Drähte und Telefonkabel hineingestopft sind. Über allem hält eine Glasplatte mit Schrauben das Gewirre fest. Ja, so war sie die Deutsche Post, die damals die gestörten Verbindungen zu verantworten hatte. Alles zerschlagen, aber nichts besser geworden, denkt man sich still.
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Ausstellung: bis 31. August 2009
Katalog: Klaus Staeck, Schöne Aussichten, hrsg. von Jörn Merkert, mit Texten von Matthias Flügge, Uwe Loesch etc., auf 204 Seiten finden Sie auch 300 Abbildungen, was immer noch nicht langt, den Kosmos Staeck wirklich zu dokumentieren. Aber man sollte damit anfangen. von der Berlinischen Galerie in Staecks Hausverlag Steidl 2009
Info der Berlinischen Galerie:
FINISSAGE
am 31. August 2009 um 19:00 Uhr
Klaus Staeck: Schöne Aussichten
Eine Retrospektive – 29.05. bis 31.08.2009
Die Ausstellung ist geöffnet bis 22:00 Uhr
Normaler Museumseintritt: 6€ / 3€
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Sehr geehrte Damen und Herren,
Klaus Staeck resümiert die Ausstellung in der Berlinischen Galerie und sein politisch-künstlerisches Lebenswerk, das ihn durch Jahrzehnte leidenschaftlichen demokratischen Engagements in der Bundesrepublik bis in sein aktuelles Amt als Präsident der Akademie der Künste geführt hat. Zum Abschluss der erfolgreichen Retrospektive lädt der Künstler zu einem gemeinsamen Rundgang durch die Ausstellung, die mit über 300 Exponaten aus fünf Jahrzehnten die bislang umfangreichste Präsentation seines Schaffens in Berlin ist.
Ihre Fragen und Signierwünsche sind ihm herzlich willkommen!
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Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur / Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin / Tel. (030) 789 02 600 / Fax (030) 789 02 700 / Öffnungszeiten täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr / Eintritt 6 Euro, ermäßigt 3 Euro, jeden ersten Montag im Monat 2 Euro / U1 Hallesches Tor, U2 Spittelmarkt, U6 Kochstraße oder Hallesches Tor, U8 Moritzplatz, Bus 248, M29, M41