Berlin, Deutschland (Weltexpress). Vor fünf Jahren wurde der Kulturpalast Dresden nach vierjährigem Umbau mit einem Festkonzert der Dresdner Philharmonie wiedereröffnet. Schon seit seiner Gründung im Jahre 1969 war der im Stil der DDR-Moderne erbaute Kulturpalast Dresden ein Publikumsmagnet, für die Dresdner, für Besucher aus dem Umland, und natürlich auch ein Anziehungspunkt für Künstler aus der DDR und dem Ausland. Über das Fernsehen wurden beliebte Veranstaltungen wie »Zwischen Frühstück und Gänsebraten» zu Publikumsrennern, aber nicht nur das: durch Kinderchor, Kinderballett, Pionierfeste, Arbeitsgemeinschaften war der Palast so etwas wie die Hohe Schule der Kultur für Zehntausende Kinder und Jugendliche. Dafür hatte der Palast bestes Personal und viel Geld.

Was die Dresdner weniger wahrnahmen, aber historische Bedeutung erlangen sollte, war die Tatsache, dass er zum Modell für den Palast der Republik in Berlin werden sollte. Der Palast der Republik musste dem Hohernzollernschloss, oder besser gesagt der Rache der bundesdeutschen Eliten weichen, doch der Kulturpalast Dresden ist ein bleibendes Zeugnis der DDR-Moderne, was durch die geniale Idee der Architekten von Gerkan, Marg und Partner für die Vervollkommnung des Gebäudes noch untermauert wurde. Wie Oberbürgermeister Dirk Hilbert bei der Eröffnung sagte, ist der Kulturpalast »ein Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit, das die komplexe Geschichte der Stadt in der DDR einschließt» – ein Zeugnis jener Epoche.

Nicht zu vergessen ist die Aufbauarbeit des Chefdirigenten Michael Sanderling und seiner Musiker, die fünf Jahre lang unter provisorischen Bedingungen arbeiteten und höchste künstlerische Ansprüche wahrten. Die künstlerische Ausstrahlung macht die Wirkung eines Kulturbaus in der Öffentlichkeit erst komplett.

Der Kulturpalast war (und ist) Sitz der Dresdner Philharmonie, eines Spitzenorchesters der DDR. Der Schwachpunkt des Gebäudes war jedoch der Festsaal mit 2435 Plätzen. Bestens geeignet für Großveranstaltungen, Parteitage, Kirchentage, Kongresse, Feste und Tanzturniere, blieb er doch akustisch weit unter den Ansprüchen. Das Hauptproblem war, dass die Musiker einander nicht hörten. Verbesserungen blieben unzureichend. Ein zugesagter Umbau wurde nicht ausgeführt, worauf Marek Janowski 2003 sein Amt als Chefdirigent niederlegte. Eine Rekonstruktion war unumgänglich, denn im Jahre 2012 lief die Betriebserlaubnis des Gebäudes ab, was allein umfangreiche technische Umrüstungen bedeutet hätte. Jahrelang rang der Stadtrat um die Planung des Umbaus. Der Architekt Wolfgang Hänsch berief sich auf sein Urheberrecht und lehnte eine Verlagerung der Achse des Festsaals (vergeblich) ab. Haupthindernis war jedoch eine Initiative im Umkreis der Staatskapelle Dresden und ihres Chefdirigenten Christian Thielemann, ein Konzerthaus zu bauen und den Umbau des Kulturpalasts überflüssig zu machen. Letzten Endes setzte sich der Plan zum Umbau des Kulturpalasts für 81,5 Millionen (effektiv 105,5 Millionen) Euro durch. Von 2013 bis 2017 wurde das Haus in seiner klassischen Hülle von Grund auf neu aufgebaut. Mittelpunkt war der neue Konzertsaal mit exzellenter Akustik und mit einer Konzertorgel. Unter dem Konzertsaal entstand ein Theater für das Kabarett »Die Herkuleskeule». Wie ein Mantel um die Kuppel des Konzertsaals wurde in zwei Etagen das Domizil der Städtischen Zentralbibliothek geschaffen. Hinzu kommt das Zentrum für Baukultur. Der Konzertsaal fand die Bewunderung der Musiker, der Besucher und vieler Gastorchester. Sogar die Mitglieder der Staatskapelle waren begeistert, und Christian Thielemans dirigiert nun im Kulturpalast Konzerte der Staatskapelle. Der Palast beherbergt drei kulturelle Institutionen. Die Zeiten, wo mittags um zwölf kein Mensch in den Palast hinein- oder aus ihm herausgeht, wie der ehemalige Kulturbürgermeister Ralf Lunau festgestellt hatte, sind vorbei. Der Konzertsaal hatte seit 2017 915.000 Besucher und war (außer in der Corona-Zeit) fast jeden Abend belegt. Auch die Orgelkonzerte finden großen Zuspruch, insbesondere Stummfilme mit Orgelbegleitung. Die Zentralbibliothek hat monatlich bis zu 70.000 Besucher und ist für viele ein zweites Zuhause geworden. Der Stamm der Abonnenten der Dresdner Philharmonie ist im wesentlichen treu geblieben, aber die Gewinnung neuer und alter Abonnenten hat sich das Orchester fest vorgenommen.

Zum Jubiläum findet vom 29. April bis zum 8. Mai eine Festwoche statt. Geboten werden ein Sinfoniekonzert unter Leitung von Marek Janowski, ein Philharmonisches Kammerkonzert unter Wolfgang Hentrich, Mitmachkonzerte für Schulen und Familien sowie ein Konzert mit Chor und Orgel. Ein Highlight wird ein Konzert, in dem zwei berühmte Streichquartette, das Quattro Ebene und das Belcea Quartett, gemeinsam Streichoktette von George Enescu und Felix Mendelssohn-Bartholdy spielen. Reizvoll sind am Tag der offenen Tür, am 7. Mai, Kurzkonzerte mit Berufs- und Laienorchestern und -chören. Die Zentralbibliothek veranstaltet Lesungen mit Bernhard Schlink, Andreas Steinhöfel, Jonas Sildre, Felicitas Hoppe und anderen, zum Teil begleitet von Philharmonikern. Dass bei Schlink in einer deutschen Ost/West-Geschichte eine »völkische Gemeinschaft auf dem Land» erscheint, lässt aufmerken. Spaß oder Ernst? Die Zentralbibliothek bietet im übrigen viel Kurzweil für Kinder, zum Beispiel das Ausprobieren neuer Brettspiele.

Ganz dem Jubiläum des Bauwerks angemessen sind zwei wissenschaftliche Veranstaltungen. »Perspektiven der Architektur» ist das Thema einer Diskussion, die am 2.Mai getragen wird von Peter Kulka, der den Sächsischen Landtag umgestaltete, und von Volkwin Marg, der gemeinsam mit Reinhard von Gerkan den Kulturpalast umbaute. Gerade die Modernisierung eines Denkmals der DDR-Moderne regte und regt Architekten und Stadtplaner zu Gedanken über die künftige Gestaltung der Städte an. Es folgt am 6. Mai unter Leitung der Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) eine Diskussion über nachhaltiges (Um-) Bauen und Planen bei vorhandener und neuer Bebauung, mit Freiräumen und Mobilität im Dresden der Zukunft. So wird die Arbeit am Denkmal Kulturpalast produktiv gemacht.

Für die Pressekonferenz hatten Frauke Roth, Intendantin der Dresdner Philharmonie, und Marit Kunis-Michel, Direktorin der Städtischen Bibliotheken, angekündigt, »Visionen für den Kulturpalast der Zukunft« vorstellen zu wollen. Laut Pressematerial sind dies bei der Philharmonie Nachhaltigkeitskonzepte und »neue Angebote besonders für jüngere Menschen». Der Zentralbibliothek ist es sogar bereits gelungen, die Vision eines »zweiten Zuhauses» umzusetzen und diesen »Wohlfühl-Ort» zu schaffen. Die Zukunft ginge in Richtung »grüne Stadtentwicklung« oder »Bürgerbeteiligung». Nun gut, allgemeinkonkrete Ziele sind für routinierte Leitungen nicht schwer zu bewältigen. Aus Arbeitnehmersicht wäre interessant, wie sich die Arbeitsbedingungen verbessern sollen. Ist der Gesundheitsschutz organisiert? Wird Tariflohn gezahlt? Werden Überstunden vermieden? Gibt es genügend Volllzeitstellen? Wie ist die Pausenversorgung? Wie ist der Alltag für die Beschäftigten? Wie soll er sein? (»Wer baute das siebentorige Theben?»).

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