Mittelerde, 60 Jahre bevor Frodo mit seinen Gefährten auszieht um den Einen Ring im glühenden Schlund des Schicksalsberges zu vernichten: der Hobbit Bilbo Beutlin führt eine ruhige Existenz bis eines Tages Gandalf der Zauberer vor seiner runden Tür steht. Dieser hat ihn erwählt, mit einer Gruppe von 13 Zwergen zum Einsamen Berg zu reisen, um dort das Reich und den Reichtum der Zwerge von dem Drachen Smaug zurückzuerobern. Auf der Reise sind nicht nur Abenteuer zu bestehen, Bilbo trifft auch auf Gollum und gelangt in den Besitz des Einen Ringes.
Bilbo ist der Hobbit und Martin Freeman ist Bilbo. So wie Ian McKellen und Elijah Wood inzwischen untrennbar mit ihren Rollen als Gandalf und Frodo verbunden sind. Hatte man anfangs vielleicht Sorge, man würde Dr. Watson verkleidet als Hobbit auf der Leinwand wiedererkennen, so ist diese schnell vergessen. Es scheint fast so, als hätte die Rolle des Bilbo nur auf Freeman gewartet. Doch nicht nur er erweist sich als Glücksgriff. Richard Armitage als Thorin Oakenschild ist für den Hobbit, was Viggo Mortensen als Aragorn für den Herrn der Ringe ist. Mit 1,88m eigentlich zu groß für einen Zwerg, wählte ihn Peter Jackson als den charismatischen und entschlossenen Anführer der Zwerge aus.
Überhaupt, Peter Jackson: hatte er anfangs noch abgelehnt, auch noch den Hobbit zu drehen und das Zepter an Guillermo del Toro überreicht, so verschleppte sich das Projekt aufgrund diverser Rechte- und Finanzierungsquerelen bis schließlich del Toro das vor sich her dümpelnde Schiff verließ. Ein Glück, muss man heute sagen, denn es darf zu Recht angezweifelt werden, ob er einen solchen Film hätte drehen können, der sich optisch so harmonisch in das Der Herr der Ringe Universum einfügt. Das dies auch inhaltlich gelang, liegt natürlich an der Vorlage, aber auch an dem bewährten Team von Peter Jackson, Fran Walsh und Philippa Boyens, die zusammen bereits die Drehbücher für Der Herr der Ringe verfasst hatten. Tolkien Puristen und ausgerechnet diejenigen, die eben „nur“ den Hobbit und die Ring Trilogie gelesen haben, werden hier vielleicht aufschreien. Wurden für die Verfilmung des Herrn der Ringe einige Handlungsstränge und sogar beliebte Charaktere rausgeschrieben, so wird dem Hobbit einiges hinzugefügt. Jedoch ist wenig frei erfunden, Jackson und seine Co-Autorinnen griffen auf von Tolkien verfasste Geschichten, wie z.B. die Anhänge, zurück. Der Hobbit wird hier als vollwertiger Teil der übergreifenden Geschichte, als Einleitung bzw. Prequel zu der finalen Schlacht um Mittelerde in Die Rückkehr des Königs präsentiert.
Man sollte es Peter Jackson auch nicht vorhalten, dass er keinen Kinderfilm gedreht hat. Natürlich ist er im Ton heiterer, denn Mittelerde ist ein noch relativ friedlicher Ort und der Schatten Saurons deutet sich erst an, aber der stilistische Bruch zum Gesamtwerk wäre trotz der Treue zum Original zu groß gewesen. Dann hätten sich auch Maskenbildner, Kostümdesigner und alle anderen Beteiligten weniger Mühe geben müssen. So aber leistet das Team um Jackson eine beeindruckende Leistung. Darsteller wie Ian McKellen oder Hugo Weaving sind inzwischen zehn Jahre älter und müssen doch 60 Jahre jünger aussehen.
Der Drache Smaug ist der im wahrsten Sinne des Wortes größte Antagonist im Hobbit. Im ersten Teil der Hobbit Trilogie bekommen wir zwar einen Eindruck seiner Stärke, jedoch nur wenig von ihm zu sehen. Hier einen Fuß und dort ein Auge. Worum also geht es dann in diesem Film? Zum einen wird die Ausgangssituation neu etabliert, die Geschichte von Erebor dem Reich der Zwerge erzählt, aber es geht auch um die Frage, warum sich ein Hobbit auf ein solches Abenteuer einlässt. Bilbo erkennt es selbst nicht gleich, aber er, der sein Zuhause so liebt, will denen helfen, deren Heim ihnen genommen wurde.
Neben der Diskussion über die Erweiterung von zwei Hobbit Filmen auf drei gab es noch einen weiteren Grund für Aufregung. Nicht nur, dass es den Hobbit auch in 3D gibt, Jackson wagte sich auch an eine technische Neuerung: er drehte digital mit der doppelten Anzahl an Bildern pro Sekunde (48 statt 24) als noch bei der Ring Trilogie. Der erste Eindruck mag die Geister scheiden. Es ist anfangs eine ungewohnte Form des Sehens. Alles ist so scharf, dass sich das ungeübte Auge gar nicht entscheiden mag, was denn in den Fokus soll. Allerdings gewöhnt man sich recht schnell daran und spätestens in der berühmten „Rätsel im Dunkeln“ Szene mit Bilbo und Gollum/Smeagol hat sich das Wagnis ausgezahlt, denn noch nie sah Gollum so real aus. Letzerer wird wieder von Andy Serkis dargestellt und man kann gar nicht genug Lobeshymnen auf seine Darstellung singen.
Das scharfe Bild bringt natürlich auch die am wenigsten liebenswerten Bewohner von Mittelerde voll zur Geltung. Der Film ist reich an Kreaturen wie Trollen und Goblins. Letztere sind teilweise von grotesker Hässlichkeit und in der Stadt der Goblins gibt es nicht gerade wenige davon. Viel war zu lesen von der abstoßendsten aller Figuren, dem Goblin König. Zum Leben erweckt von Barry Humphries, besser bekannt als Dame Edna, ist er zugleich abstoßend und unerwartet unterhaltsam.
Um einen der großen Filmklassiker zu zitieren: EINE UNERWARTETE REISE ist „der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“. Mit großartigem Casting, beeindruckenden Bildern, herausragenden Make-Up und Kostümen und vor allem viel Liebe zum Tolkien Universum hat es Peter Jackson wieder geschafft, dass man nach über 160 Minuten am liebsten noch mehr sehen will – und zwar sofort!
DER HOBBIT- EINE UNERWARTETE REISE (Neuseeland, USA, 2011); Verleih: Warner Bros. Pictures Germany; Filmlänge: 166min; Regisseur: Peter Jackson; Drehbuch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens; Besetzung: Martin Freeman, Ian McKellen, Andy Serkis, Richard Armitage; Cate Blanchett, Hugo Weaving, Elijah Wood, Christopher Lee; FSK: ab 12 Jahren; Kinostart: 13. Dezember 2012 (Deutschland).