Das Glück der Pferde, ist ein Reiter auf der Erde! – Zum Buch „Im Kreis der Pferde – Von wilden Pferden lernen“ von Marc Lubetzki

"Im kreis der Herde" von Mark Lubetzki, der sechs Monate im Jahr bei Wildpferden weilt. © 2020, Foto/BU: Bernd Paschel

Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Das gängige Sprichwort ist oft in Reiterkreisen zu hören, aber was sagt das Pferd dazu?

Das Glück der Pferde, ist ein Reiter auf der Erde. Aus der Sicht des Pferdes ist der Reiter eigentlich ein Unglück, wenn er ihm seine Vorstellung von Gehorsam und Gesundheit aufzwingt. Um das zu erkunden, was das Pferd sagt, hat der bekannte Tierfilmer Marc Lubetzki jetzt das Buch „Im Kreis der Herde“ veröffentlicht.

„Die Herde ist für Pferde der Mittelpunkt ihres Lebens“, schreibt Lubetzki, nachdem er 30 Jahre domestizierte und wildlebende Pferde beobachtet hat. Das steht im Gegensatz zum Denken vieler Reiterinnen, die meinen, dass sie der Mittelpunkt für ihr Pferd sind. In der Tat kommt es vor, dass Boxenpferde so gehalten werden, dass sie von anderen Pferden isoliert werden und der Stallbursche regelmäßig zum Füttern und zur Boxenreinigung mehr oder weniger mit dem Pferd kommuniziert. Eine einseitig reduzierte Kommunikation findet gelegentlich mit dem Besitzer stattfindet, wo das Pferd überwiegend gehorchen muss. Das wird fälschlicherweise als Dialog verstanden.

Um Pferde in all ihren Facetten zu verstehen, reicht es nicht, sie im Reitstall oder auf der Koppel zu beobachten. Die Alternative sind nur frei laufende Pferde im Herdenverband.

Echte Wildpferde gibt es eigentlich nicht mehr, nachdem sie vom Menschen ausgerottet wurden. Wir können uns nur noch auf ausgewilderte Hauspferde oder aus dem Zoo wieder in die Wildnis entlassenen Rassen beziehen.

Da die genetische Ausstattung unserer Hauspferde immer noch zu 100% identisch ist mit den „Wildpferden“, ist es klar, dass die Beobachtung der Pferde in ihrer Natürlichkeit notwendig ist, wenn man sich ein fundiertes Wissen über das Verhalten und die Kommunikation der Pferde aneignen will.

In diesem Sinne stellt Marc Lubetzki die Frage: „Was können wir von Wilden Pferden lernen?“

Der Autor spricht von 17 wild lebenden Herden, die er in den letzten acht Jahren besucht und beobachtet hat. Mittlerweile verbringt er die Hälfte des Jahres unter diesen Pferden und stellt Fragen über Fragen, beginnend beim Thema „artgerecht“: „Was ist artgerecht in dem Zusammenleben von wilden Pferden und was ist übertragbar auf unsere Hauspferde?“

Um all diese Beobachtungen zu erleben, muss am Anfang eine Annäherung gelingen, da der Mensch von den wilden Pferden als potentielle Gefahr betrachtet wird.

Schon  bei diesem Kapitel wird klar, dass Pferde über Körpersprache kommunizieren und wilde Pferde noch viel klarer sind als Hauspferde, die den Menschen in seinen Interaktionen schon als Fohlen kennenlernen.

Dass Hauspferde in einer Herde leben mit Stuten Fohlen und Hengsten, findet man im Prinzip in der Gefangenschaft nicht. Wallache gibt es in der Herde in der Regel nicht.

Die Pferdesprache wirklich zu verstehen geht nur durch Beobachtung der gesamten Herde.

Text und Bilder stehen ungefähr im Verhältnis 1:1. Als professioneller Tierfilmer gelingt es Lubetzki, seine Beobachtungen mit ausdrucksstarken Bildern zu vermitteln, die nur wenig Text benötigen, um verstanden zu werden.

Einige Kernsätze sind hervorgehoben und es lohnt sich, darüber nachzudenken, wenn man die Realität der meisten Hauspferde dagegen setzt.

Nachstehend Kernsätze von Lubetzki und die Realität des Hauspferdes nach Meinung des Verfassers der Rezension:

„Um Pferde zu verstehen, hilft es, sich ihrem Rhythmus anzupassen.“ – Der Rhythmus der Hauspferde wird meist dem Rhythmus des Menschen angepasst.

„Die Vielfalt der Herde ist die Grundlage für eine natürliche Balance.“ – Die Isolation des Hauspferdes ist die Grundlage für viele Krankheiten und Verhaltensstörungen.

„Freiheit bedeutet für Pferde nicht nur, viel Platz zu haben, sondern auch, ihrer Natur folgen zu können.“ – Freiheitsentzug in der Realität des Hauspferdes ist ein Leben auf engem Raum und Entzug seiner natürlichen Bedürfnisse.

„Respekt zeigt sich in Momenten, in denen wir Zurückhaltung zeigen, obwohl es uns schwer fällt.“ – Respektlosigkeit zeigt sich, wenn wir unserem Pferd gegenüber übergriffig werden und sein Bedürfnis nach Distanz schon beim Putzen missachten.

„Junge Pferde brauchen Kontakt zu erwachsenen Tieren.“ – Einjährige Fohlen werden oft von den erwachsenen Pferden getrennt. Wenn sie Glück haben, kommen sie in eine „Fohlenherde“.

„Wilde Pferde können sich Zeit nehmen, um ihre Herde zu verlassen.“ – Hauspferde werden meist willkürlich vom Menschen verschoben örtlich und ohne Rücksicht auf ihre sozialen Kontakte.

„Junge Hengste, die häufig miteinander spielen, bleiben oft ihr Leben lang eng befreundet.“ – Hengste werden in der Regel in Einzelhaft gehalten.

„Echte Kämpfe zwischen Hengsten sind selten. In einem homogenen Herdenverband sind Rituale zur Betätigung der Rangordnung die Regel.“ – Rangkämpfe finden selbst in Pferdegruppen ohne Hengste häufig statt, wenn die Pferde zu wenig Platz haben oder nicht permanent zusammen sind.

„Respekt ist die Basis für ein gutes Gespräch.“ – Respekt wird in fast allen Reitweisen verwechselt mit Gehorsam des Pferdes.

„Junge Pferde sind von Natur aus neugierig. Schön, wenn sie die Chance bekommen, Unbekanntes zu entdecken.“ – Junge Pferde und alte ersticken oft in ihrem alltäglichen Trott.

„Wildpferde wechseln ihren Futterplatz nur, wenn eine Notwendigkeit dafür besteht.“ – Den Futterplatz von Hauspferden bestimmt der Mensch, wie er ihn für notwendig hält.

„Manche Pflanzen haben mehrere Funktionen. sie dienen den Pferden nicht nur als Nahrung.“ – Der Mensch glaubt selbst beim Futter kontrollieren zu müssen, was das Pferd frisst, obwohl es in 34 Mill. Jahren gelernt hat, seine Futterauswahl selbst zu treffen.

„Jahreszeiten und Lebensräume beeinflussen das Verhalten von Pferden.“ – Der Mensch schafft nicht nur ungesunde künstliche Lebensräume für das Hauspferd, sondern deckt es oft sogar ein im Winter, wodurch nachweislich die Immunabwehr des Pferdes geschwächt wird.

„Es gibt keinen schlechten Charakter. Jeder Typ hat eine wichtige Funktion für die Herde.“ – Der schlechte Charakter des Pferdes ist ein Konstrukt des Menschen, meist um die eigene Unfähigkeit zu leugnen.

„Aktive und passive Phasen wechseln sich über den Tag ab. Die Übergänge sind dabei fließend.“ – Mein Pferd muss funktionieren, ist ein beliebter Satz unter Reitern.

„Es macht mich sehr traurig, dass es das Wort Anweiden überhaupt gibt.“ – Viele Reiter sind einfach zu faul, ihre Pferde auch im Winter regelmäßig grasen zu lassen.

„Lieber einen Tag in Freiheit als ein Leben hinter Gittern.“ – Reine Boxenhaltung ist Isolationsfolter.

Das Buch ist allen Pferdehaltern und Reitern sowie allen Fußgängern, denen der Tierschutz der Pferde ein Anliegen ist, zu empfehlen.

Bibliographische Angaben

Marc Lubetzki, Im Kreis der Herde – Von wilden Pferden lernen, 160 Seiten, Umschlag, Ausstattung: 172 Farbfotos, gebundene Ausgabe, Format: 266 mm Länge x 235 mm Breite x 17 mm Höhe, Verlag: Kosmos, 1. Auflage, Oktober 2019, EAN: 9783440164365, Preis: 29,90 EUR

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