Am 22. Juni 1762 nämlich heiratete der Berliner Philosoph und Seidenfabrikant Moses Mendelssohn die Hamburger Kaufmannstochter Fromet Gugenheim und begründete eine Dynastie, als deren bedeutendster Sohn der Kapellmeister und Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) für Millionen Menschen ein Begriff für Musik aus Deutschland ist. Doch neben ihm prägten Bankiers, Künstler und Gelehrte von den Nachkommen des Stammelternpaares die deutsch-jüdischer Historie über fünf Generationen.
Von Januar bis Dezember 2012 bieten Veranstaltungen der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft und ihrer Partner ein erlesenes Programm in Berlin, Potsdam, Leipzig, Hamburg, Wengen/Schweiz und New York. Dazu gehören Konzerte, Vorträge, Lesungen, Ausstellungen und Konferenzen. Studenten der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« bieten bis 8. März jeden Donnerstag um 13 Uhr Konzerte in der Mendelssohn-Remise in der Jägerstrasse 51, dem Stammhaus des Bankhauses Mendelssohn (Eintritt frei). In Hamburg spielen am 12. Mai Mitglieder der Berliner Philharmoniker Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, in Leipzig veranstaltet die Musikschule J. S. Bach am 3. Februar ein Geburtstagskonzert für den Komponisten. Im August treten im Leipziger Klaviersommer die Pianisten Andrei Baciu, Matt Rubenstein und Min Young Roh auf. Das Leipziger Konzertprogramm des Mendelssohn-Jahres füllt im übrigen viele Seiten.
Wissenschaftliche Höhepunkte sind vom 11. bis 13. März im Moses-Mendelssohn-Zentrum Potsdam eine Konferenz zum Thema »200 Jahre Emanzipationsprozess in Preußen – der lange Weg der Juden zu Einländern und preußischen Staatsbürgern« -nebst einer Ausstellung – sowie der internationale Kongreß »250 Jahre Familie Mendelssohn« vom 20. bis 22. Juni in Berlin. Dieser wird verknüpft mit einem Treffen der Nachkommen Moses Mendelssohns, die etwa 250 Personen umfassen. Aus diesem Anlass wird die »Trauerkantate auf den Weltweisen Moses Mendelssohn« von Karl Wilhelm Ramler und Isabel Mundry am 24. Juni in der Synagoge Rykestrasse aufgeführt. Der Bildhauer Micha Ulman, Schöpfer des Denkmals zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem August-Bebel-Platz, wird seinen Entwurf eines Denkmals für die Familie Mendelssohn vorstellen.
Wichtige Buchpräsentationen sind der Ausstellungskatalog »Vom Schutzjuden Levin zum Staatsbürger Lesser. Das preußische Emanzipationsedikt von 1812« von Irene A. Diekmann und Bettina L. Götze am 23. Februar sowie »Aufbruch in die Moderne. Mäzene, Sammler und Kunsthändler in Berlin 1880 bis 1933«, herausgegeben von Julius H. Schöps und anderen, am 24. April in Potsdam. Bemerkenswerte Ausstellungen sind »Hochzeit« von Juni bis August in der Heilig-Geist-Kapelle und ab November die Dauerausstellung zur Familie Mendelssohn in der Friedhofskapelle des Dreifaltigkeitsfriedhofs in Kreuzberg, wozu der evangelische Friedhofsverband Mitte wesentlich beiträgt. Zur Mendelssohnfamilie gehörten Angehörige jüdischen, evangelischen und katholischen Glaubens. Die Villa Oppenheim in Charlottenburg präsentiert von Januar bis Juni eine Ausstellung über die Familie Mendelssohn und Oppenheim (Bankiersfamilie aus Königsberg, nicht zu verwechseln mit dem zusammengebrochenen Bankhaus Sal. Oppenheim in Köln).
Man kann vorhersagen, dass es lange nicht solch breites Spektrum hochinteressanter und lehrreicher Veranstaltungen in Berlin gab, ein kulturelles Großereignis, das in seiner feinen Distinguiertheit dem Habitus der großbürgerlichen jüdischen Familie angemessen ist. Dazu mag der Einfluss des Vorsitzenden der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft, Kulturstaatssekretär André Schmitz, das seine getan haben. Das Programm in seiner Vielfalt darzustellen, ist schier unmöglich. Der Berichterstatter ist versucht, der Unsitte zu folgen: »Schauen Sie ins Internet.«
Fragwürdig ist, warum die Würdigung der berühmten jüdischen Familie nicht mit Konzerten der Orchester jüdischer Berliner Chefdirigenten, der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Daniel Barenboim, der Berliner Symphoniker mit Lior Shambadal und dem Konzerthausorchester mit Iván Fischer, bereichert wird. Gerade die Berliner Symphoniker haben Felix Mendelssohn Bartholdys Werke fast vollständig aufgeführt, darunter das Klavierkonzert e-moll, das Fragment geblieben und vom Musikwissenschaftler Marcello Bufalini vervollständigt worden war. Wohltuend fällt hingegen auf, dass niemand den Ehrgeiz hatte, in Flötenkonzerten des Mendelssohn-Jahres Stücke von Friedrich II. spielen zu wollen. Freilich, das Verhältnis des dilettierenden Komponisten Friedrich zum Philosophen Moses Mendelssohn war alles andere als loyal, zum Beispiel verhinderte er dessen Aufnahme in die Königliche Akademie.
Informationen: Mendelssohn-Gesellschaft, www.250fm.de