„Life and Times – Episode 1“ wurde im September 2009 am Burgtheater Wien uraufgeführt und war jetzt, im Rahmen des Theatertreffens, in den Sophiensaelen zu erleben.
Das Stück basiert auf einem Telefonat, in dem die Künstlerin Kristin Worral angeblich ihre Kindheit erzählt, vielleicht aber auch die Kindheit einer Barbie-Puppe erfunden hat.
Jedenfalls handelt es sich um ein rosarotes Kindheitsklischee, wie es in den Köpfen von Erwachsenen existiert, für die Kinder niedliche, dümmliche Witzfigürchen sind, die so herzerfrischend ungeschickt dahin krabbeln, stapfen und trippeln auf ihrem beschwerlichen Weg, ernstzunehmende, erwachsene Menschen zu werden.
Bei manchen, vorzugsweise weiblichen, Menschen gelingt die Metamorphose nicht ganz, und die nerven dann ihr ganzes Leben lang mit einer aufgesetzten Naivsprache.
Gleich drei derartige Frauen in den Dreißigern springen zu Beginn auf das Podest und beginnen singend und tanzend, die Kindheitsmemoiren vorzutragen. Gesprochen wird nicht in dieser Performance. Jedes Wort und jeder Laut ist vertont, und die englischen Texte erscheinen im Original und in der deutschen Übersetzung auf Tafeln neben dem Podium.
Es handelt sich um einen Bericht, in dem die Füllwörter einen beträchtlichen Raum einnehmen, und jedes „Um – So – Okay – You know – Anyway“ findet emphatischen Ausdruck im Gesangsvortrag.
Die Musik von Robert M. Johanson kombiniert Elemente von Folk, Pop und Klassik und wird live gespielt von einer Band, in der auch Kristin Worrall mitwirkt.
In die Choreografie hat Pavol Liska rhythmische Gymnastik einbezogen, wie sie bei den sozialistischen Spartakiaden zu sehen war. So verbinden sich die verlogenen Kindheitsdarstellungen des Ostens mit denen des Westens.
Die Sängerinnen stecken in grauen Uniformkleidchen und tragen Turnschuhe. Anne Gridley, Sibyl Kempson und Julie LaMendola bringen mit schönen Stimmen hingebungsvoll die Entwicklungsgeschichte eines kleinen Mädchens in der Wohlstandswelt zu Gehör. Die Professionalität der singenden und tanzenden Schauspielerinnen bildet einen wirkungsvollen Kontrast zu dem dahingestotterten, unstrukturierten Text.
Eine halbe Stunde lang ließe sich dieser Spaß lustvoll genießen. Aber Kelly Copper und Pavol Liska ging es offenbar nicht darum, entspannende Unterhaltung zu produzieren.
Nachdem das US-amerikanische Frauentrio das Porträt eines artigen, affektierten Mädchens vorgestellt hat, erscheinen die drei Burgschauspieler Fabian Krüger, Markus Meyer und Moritz Vierboom auf dem Podium, ebenfalls niedlich grau uniformiert. Zunächst stellen sie die Freunde aus dem Kindergarten dar, aber dann übernehmen auch sie Partien des Erzähltextes, und anstatt sich, wie die Frauen, niedlich feminin zu gebärden, geben sich die Männer fröhlich naturbelassen und sprengen damit die Form des Stücks.
Es geht nun nicht mehr um die Präsentation von Erinnerungen, sondern um den Kampf mit der Tücke des Objekts, mit diesem untauglichen Libretto nämlich. Das Bemühen des Ensembles, dramatische Spannung zu erzeugen, scheitert an dem nicht zu stoppenden Mitteilungsfluss der Erzählerin. Die Kunst der Darbietung wird zugeschüttet und erstickt von Wortmüll.
Zweifellos lag es in der Absicht von Copper und Liska, dem Publikum auf die Nerven zu gehen, und ohne die Aktivierung von Masochismus lässt sich die mehr als dreistündige Performance kaum aufmerksam verfolgen.
Bei der Vorstellung am Montag verließen etliche Zuschauerinnen und Zuschauer in der Pause frustriert schimpfend den Saal. Nach der Pause waren jedoch fast alle wieder da, und am Schluss gab es begeisterten Jubel.