Bitte recht britisch – Das „British & Irish Filmfestival“ in Berlin: „Britspotting“ wirft einen spannenden Blick über den Kanal

Hier spricht nicht Edgar Wallace. „Britspotting“ zeigt moderne Produktionen des unabhängigen englisches Kino abseits von Klischees. Britisches Kino hat mehr zu bieten als Sozialdramen und Krimikomödien. Sein zehntes Jubiläum begeht das „British & Irish Film Festival“ von nun an im Herbst. Beinah eine symbolische Aufwertung, denn je kälter die Jahreszeit, desto mehr zieht es die Berliner auf Filmfestivals. Bis sie sich im kältesten Monat zur Berlinale drängeln. Unterstützung vom Regenwetter braucht „Britspotting“ nicht, um authentisches englisches Kinoflair aufkommen zu lassen. 17 Wettbewerbsfilme und die Kategorien Kurzfilm und Dokumentation bringen das Beste vom Britischen nach Berlin. Die Filmszene vom anderen Ufer hat das Vereinen von Gegensätzen zu ihrem Markenzeichen gemacht. Schwarzen Humor, romantischen Realismus und das schöne Grauen sind im Kino undenkbar ohne den englischen Film. Wer nach dem Kurzfilmfestival, und vor der Russischen Filmwoche nur kleine Portionen Kino verträgt, kann sich diese bei den „Shorts“ servieren lassen. „Britspotting“ mit einem schlafenden Auge zu sehen, ist jedoch ausgeschlossen. Die Preise werden hier ausschließlich vom Publikum vergeben. Am Vorabend des Festivals, dem 12. November, gibt das „Downstairskino“ im Filmcafé mit Steve McQueens „Hunger“ einen Vorgeschmack auf die Filmkunst von der Insel. McQueens erschütterndes Gefängnisdrama, ursprünglich für den DVD-Markt vorgesehen, war hierzulande nur kurz im Kino zu sehen.

Das diesjährige Filmprogramm des „British & Irish Film Festivals“ zeichnet sich durch besondere Vielfältigkeit aus. Gier und Korruption eröffnen „Britspotting“, wenn in der Politsatire „In the Loop“ der US-Präsident und der britische Premierminister einen Krieg im Nahen Osten anzetteln wollen. Jonathan Caouette, Autor der verstörenden Filmbiografie „Tarnation“, ist bei „Britspotting“ durch seinen neuen Dokumentarfilm „All Tomorrow ´s Parties“ – über das gleichnamige Musikfestival – vertreten. Dokumentarfilmer Chris Waitt richtet die Kamera nicht auf Musikgrößen, sondern sein Privatleben. „A complete History of my sexual Failures“ forscht seinen gescheiterten Beziehungen nach. Anspruchsvoller verspricht Vittoria Collonas Dokumentarfilmdebüt „Identities“ zu werden. In dem extra für „Britspotting“ gedrehten Film erkundet sie die Grenzen des Selbst in der Transgender-Gemeinde Großbritanniens. Ein weiterer Geheimtipp im Wettbewerbsprogramm ist Urszula Antoniaks Drama „Nothing Personal“ über selbst gewählte Isolation. Michael Winterbottoms Drama „Genova“ mit Colin Firth in der Hauptrolle verblasst beinahe angesichts der vielversprechenden Auswahl junger Filmkünstler. Das „Britspotting“ richtet sich nicht nur auf die Leinwand, sondern auf dieKünstler, welcher ihr Leben einhauchen. Ken Loach, Stephen Frears und Oscargewinner Danny Boyle zählen zu den Regisseuren, deren Werke das „British & Irish Film Festival“ präsentierte. Dass man auch ohne Oscarregen und großes Budget Filme machen kann, beweist der Horrorstreifen „Colin“, der vorrangig aufgrund seines Taschengeldbudgets von 45 Pfund Beachtung erhielt. Psychologische Spannung weckt „The Hide“ von Marek Losey, der mit seiner Verfilmung des Bühnenstücks „The Social Plover“ dem Berufsweg seines Großvaters, des Regisseurs Joseph Losey, folgt.

Viele Produktionen, die als „englischsprachig“ in eine Ecke geschoben werden, sind tatsächlich US-amerikanische Filme. Während europäische Filme – keineswegs immer zu Recht – als künstlerisch hochwertiger denn die amerikanischen betrachtete werden, muss das britische Kino um diese Künstlerreputation stärker kämpfen. Dabei ist auch die sprachliche Einigkeit bei genauerem Hinhören trügerisch. Selbst wer im Englischunterricht den britischen Sprachzweig wählte, hat mit dem Verstehen breiten englischen Slangs Schwierigkeiten. Seit 2004 ist auch der irische Film fester Bestandteil von „Britspotting“. Während der irische, walisische und schottische Film um einen festen Platz auf dem internationalen Kinomarkt ringen, ist die Kommerzialisierung Hauptfeind des britischen Kinos. Ken Loachs jüngster Film „Looking for Eric“ zeigt mehr Gefälliges denn Sozialkritik. Bevor zwei andere Klassiker in „Dorian Gray“ und „Holmes“ dem Massenkino geopfert werden, heißt es für Kineasten: Licht aus – „Britspotting“ an!

Britspotting – British & Irish Film Festival

13. November – 18. November

Ort: Kino Babylon, Filmcafé

www.britspotting.de

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