Bei „ARTE“ brennt wieder Paris – das Rachediktat von „Versailles“

Die Avenue des Champs-Élysées.
Die Champs-Élysées mit dem Arc de Triomphe bietet Platz für prächtige Militärparaden zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli. BU: Stefan Pribnow, Quelle: Pixabay

Berlin, Deutschland (Weltexpress). „ARTE“, die französisch-deutsche Medienmischung, lief in der Vergangenheit oft genug zur Höchstform auf, wenn es darauf ankam, die heutige Welt zu erklären. Geradezu legendär waren die geopolitischen Erläuterungen, die oft genug etwas anderes wiedergegeben haben, als von den deutschen, transatlantischen Mediennetzwerken hingenommen werden musste.

Mit Jean Paul Belmondo „brennt jetzt wieder Paris“, wie am Sonntag, den 28. Juni 2020, das abendliche Fernsehprogramm ausweist. Dieses Weltkriegs-II-Epos steht pars pro toto und man muss es sich nicht ansehen. Soviel Freiheit muss sein. Merkwürdig – und da steht „ARTE“ nicht allein – ist etwas anderes. Am 4. Mai 2020 und geradezu „out of the blue“ verkündet der französische Staatspräsident Macron in der „Süddeutschen Zeitung“ eine aus seinem Munde überraschende Erkenntnis. Danach waren Hitler und der Nationalsozialismus die Konsequenz aus dem französischen Versagen 1919 beim Rachediktat von „Versailles“. Noch überraschender waren zwei weitere Elemente. Der russische Präsident Wladimir Putin, Präsident des im Zweiten Weltkrieg meistbetroffenen Staates, hatte sich bei einer großen Rede am 20. Dezember 2019 in St. Petersburg zur völligen Überraschung anderer so bereits eingelassen. Danach wurde über „Versailles 1919“ und der eklatanten Demütigung Deutschlands eine für die ganze Welt verhängnisvolle Mechanik in Gang gesetzt: ohne „Versailles 1919“ kein Herr Hitler und ohne Herrn Hitler“ kein Angriff Deutschlands auf Polen am 1. September 1945. Dieser deutsche Angriff auf Polen wurde durch Entscheidungen in Paris und London wenige Tage später zum Weltkrieg.

Präsident Putin hat vor wenigen Tagen in einer einzigartigen Gesamtbetrachtung für das „Kriegs-Jahrhundert“ darauf hingewiesen, in welcher Weise durch amerikanische und britische Kreise die stramm antisemitische und antibolschewistische nationalsozialistische Bewegung finanziert und für eigene Interessen instrumentalisiert wurde.

Nichts von alledem findet sich in den Stellungnahmen der deutschen Bundesregierung oder der Regierungen wieder, in deren historischer Verantwortung das Rachediktat von Versailles und die bewusste Vernichtung eines in der Welt angesehenen deutschen Staates gelegen hatte. Den westlichen Regierungen muss man dabei unterstellen, dass sie durch Verschweigen und/ oder Übergehen der eigentlichen Ursachen von zwei Weltkriegen und den zugrundeliegenden Mechanismen den Umstand verschleiern wollen, nach diesem Vorbild erneut über ein anderes Land herfallen zu wollen. Man muss nur an einen Wahlverlust im November 2020 für den derzeitigen amerikanischen Präsidenten Trump und das Wiederaufleben der Washingtoner Kriegskoalition denken. Das alles liegt in der Verantwortung auch der deutschen Bundesregierung und der Medien, die konsequent die entsprechenden Aussagen der Präsidenten Macron und Putin geradezu unterschlagen. Will man unter allen Umständen eine Diskussion in Deutschland und den heutigen Verbündeten über die Abläufe des letzten Jahrhunderts verhindern?

Wäre es nicht an der Zeit, bei „arte“ und den Medien in beiden Ländern, die „arte“ tragen, ein Bewusstsein für die tatsächlichen Abläufe und Verantwortlichkeiten für die Endlos-Kriege des vergangenen Jahrhunderts zu schaffen, statt „Paris brennen zu lassen“? Auch, wenn dann klar werden dürfte, dass die Kriegs-Anlagen im letzten Jahrhundert sich heute wieder gegen ein Nachbarland in Europa richten, dessen „Fehler“ darin besteht, Herr im eigenen Haus sein zu wollen?

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Willy Wimmer
Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung a.D. Von 1994 bis 2000 war Willy Wimmer Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).