Auf den Spuren der Ess- und Industriekultur im Elsass

„Alsacez-vous!“ Keine Angst, lassen Sie Ihre Französisch-Kenntnisse zu Hause. Im Elsass spricht man Deutsch. Ja, die Elsässer sprechen sogar noch zwei Sprachen mehr, natürlich Französisch, denn nach vielem Hin und Her gehört das Elsass schon lange wieder zu Frankreich, aber am liebsten reden sie Elsässisch, und kaum einer versteht`s.

„Alsacez-vous!“ „Verelsässern Sie sich!“ ist ein wohlgelungener, witziger PR-Gag und soll aussagen: Nirgends ist Frankreich näher. Die kleinste Region Frankreichs erstreckt sich mit 190 Kilometern Länge und 50 Kilometern Breite über das Departement „Bas-Rhin“ (Unterelsass) im Norden und das Departement „Haut-Rhin“ (Oberelsass) im Süden. Als direkter Nachbar Deutschlands grenzt das Elsass als einzige Region Frankreichs direkt an den Rhein. Eine abwechslungsreiche Landschaft – das Ried in der elsässischen Ebene, Weinberge, die Vogesen und geschichtsträchtige Orte wie die Maginot-Linie – und ein breites Angebot an Aktivitäten machen das Elsass attraktiv.

Die Bewohner des Schwarzwalds und der Pfalz haben den Norddeutschen etwas voraus: Im Nu haben sie die französische Grenze passiert und können sich im Elsass jenseits des Rheins lukullisch verführen lassen. Allein der Weine und der Speisen wegen besuchen mehr Deutsche das Elsass als Franzosen, weiß die Statistik. Wen wundert`s, wenn man sich in romantischen Winzerdörfern mit Blumen umranktem Fachwerk und verwinkelten Gässchen zwischen Weinbergen, plätschernden Bächen und Brunnen und den waldreichen Vogesen auch noch mit einem Vorrat an Riesling, Silvaner, Muscat, Weißburgunder, Gewürztraminer und Pinot Noir, dem einzigen Rotwein, eindecken kann. Und mit dem Sekt in Flaschengärung Crémant d`Alsace oder einem „Quetsch d`Alsace“ und „Marc de Gewurz“. Natürlich nicht ohne die sieben Rebsorten zuvor zu verkosten. Hervorragend passt der zur Weinprobe gereichte „gâteau salé“, der Gugelhupf mit Nüssen und Speck.

Sogar auf 700 bis 1.300 Meter Höhe laden Bergbauerngasthöfe, die Fermes-Auberges, Wanderer und Ausflügler zur Rast ein. 17 solcher Fermes-Auberges gibt es allein im Münstertal, 40 im gesamten Elsass. Für wenige Euro offerieren sie eine Spezialität, die sich keiner entgehen lassen sollte, „Repas marcaire“ genannt, Melkermahlzeit.

Als erster Gang wird die Fleischpastete „Tourte de la vallée“ serviert. Der zweite Gang besteht aus „Roigebrageli“, das ist Kasseler und eine Kartoffelraffinesse, die ihresgleichen auf der Welt sucht. Das Rezept: Man lässt Kartoffeln mit Zwiebeln, viel Butter und etwas Speck drei Stunden lang köcheln. Dazu gibt es Salat. Als Dessert mundet „Siaskas“, frisch geschnittener Münsterkäse mit Zucker, Kirschwasser und Sahne.

Womit wir beim berühmten Münsterkäse sind, „Le Munster“. Käseliebhaber können gern beim Käsen zuschauen, etwa im „Haus des Käses“ (www.maisondufromage-munster.com) im Münstertaler Gunsbach. Im Stall stehen sogar die weiß-schwarzen Vogesen-Kühe, die die Milch für den kleinen runden Stinker geben. In der „Stub“ darf man den Käse verkosten.

In Gunsbach kann auch das Wohnhaus von Albert Schweitzer besichtigt werden, durch das die 82-jährige Sonia Poteau führt, die zusammen mit dem Doktor fünf Jahre in Lambarene wirkte.

Gertwiller, um 1900 ein 800-Seelen-Dorf am Fuße des Mont Saint-Odile, galt damals als „Hauptstadt des Lebkuchens“. Neun Betriebe stellten hier das „pain d`épices“ her, das – wörtlich – Gewürzbrot. Heute sind es nur noch zwei. In der 1789 gegründeten Firma LIPS (www.paindepices-lips.fr) werden in Handarbeit Lebkuchen, Honigkuchen und Pfefferkuchen hergestellt, die jeder probieren darf. Ein Lebkuchen-Museum zeigt über 10.000 liebevoll gesammelte Stücke.

Bis 1962 war Klingenthal unweit von Obernai das deutsche Solingen. Sogar die Arbeiter wurden von Solingen geholt. Ab 1730 trugen die Hieb- und Stichwaffen, die hier gefertigt wurden, die Signatur „Manufacture Royale d`Alsace“, später den Namen Klingenthal. Ab 1814/15 werden nur noch Werkzeuge hergestellt, Messer, Sensen, Sicheln und Sägen. Die ehemalige „Manufaktur von Hieb- und Stichwaffen“ (www.klingenthal.fr) blieb als Museum erhalten und stellt z. B. den ersten kugelsicheren Brustpanzer aus dem Jahre 1825 aus.

„Nach des Tages Schweiß / den kühlen Trank ich preis“, liest man auf einem riesigen Bierkelch im Museum der Brauerei Kronenbourg (www.brasseries-kronenbourg.com) in Straßburg, die das beliebteste Gebräu der Franzosen heute in Obernai herstellt. Verkostung diverser Biere inklusive.

Verkosten darf man auch Senf und Meerrettich, und zwar in Mietesheim im Nordelsass. Die Firma Raifalsa (www.corporate.raifalsa.fr) ist bis heute die einzige Firma in ganz Frankreich, die Produkte aus Meerrettich herstellt.

Jedes Jahr von Juni bis Anfang Oktober veranstaltet der süd-elsässische Parc de Wesserling (www.parc-wesserling.fr) das „Internationale Festival der Mischgärten“, ein ungewöhnliches Kunstspektakel.

Als größte Gartenanlage des Elsass steht der seit 1699 existierende Park westlich von Mulhouse, zu Deutsch Mühlhausen, unter Denkmalschutz. Im Park befand sich die ehemalige Königliche Textilmanufaktur, in der heute ein Textilmuseum auf lebendige und künstlerische Weise die lange Geschichte des Stoffdrucks veranschaulicht, die das Leben der Menschen eines ganzen Tals geprägt hat.

Wechselnde farbenfrohe Ausstellungen bereichern die Informationen zur Textilherstellung und verführen in der Boutique zum Kauf schöner Angebote.

Mulhouse, wegen der Textilmanufaktur auch das Manchester Ostfrankreichs genannt, wartet aber auch mit weiteren Sehenswürdigkeiten auf, die Groß und Klein Spaß machen. Da ist zum einen das Museum EDF Electropolis (www.electropolis.tm.fr), das zu einer Reise durch die Geschichte der Elektrizität einlädt. Spielerisch kann jeder an sich selbst erleben, wie Elektrizität funktioniert, zum Beispiel im Faradayschen Käfig. Ein Zertifikat bescheinigt die Teilnahme an der „Taufe mit 100.000 Volt“.

Gleich gegenüber Cité du train, ein Eisenbahn-Museum, das größte Europas. Wirklich grandios ist jedoch das Automobilmuseum, die Collection Schlumpf (www.collection-schlumpf.com/de). Vergessen wir Wolfsburg, BMW- und Mercedes-Benz-Museum.

Die Cité de l`Automobil, vom gebürtigen Italiener und leidenschaftlichen Sammler Fritz Schlumpf geschaffen, ist das größte Automuseum der Welt. Auf über 25.000 Quadratmetern faszinieren 400 historische Modelle, Luxus- und Rennwagen. 98 verschiedene Marken, unter ihnen der berühmte Bugatti Royal, erzählen die Geschichte des Fahrzeugs und machen sie in Simulatoren erfahrbar.

Seit Juli 2011 können Besucher die Oldtimer auch in voller Fahrt genießen – auf einer Rennbahn im Außenbereich.

Info: www.tourisme-alsace.com/de und www.franceguide.com/elsass

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