Auch ohne Titel-Prämie hoch motiviert – Deutsche Volleyballerinnen hoffen auf Heim-Effekt bei der EM

Und nur wenige Tage später folgt dann die EM-Endrunde vom 6. bis 14. September in der Schweiz und in Deutschland. Da muss das Aufgebot von Cheftrainer Giovanni Guidetti in der Vorrunde in Halle/Westf. beweisen, dass es gut genug ist, um in Berlin mit drei anderen Startern um die Medaillenränge zu streiten…

Ein Stressprogramm sondergleichen, dass allen klassischen Trainings-Empfehlungen über Vorbereitung auf ein Großereignis zu widersprechen scheint. Statt systematischem Aufbau von Kraft, Schnelligkeit, Technik, Taktik und entsprechender Erholung am Ende von etwa sechs Wochen, jettet der "Zirkus Guidetti" von Wettkampf zu Wettkampf!

Besteht da nicht die Gefahr, ausgelaugt und müde zum Jahrehöhepunkt EM zu erscheinen?-

"Nein", sagt Margareta Kozuch, Spielführerin, Hauptangreiferin mit Profi-Erfahrungen in Hamburg, Italien, Polen und Russland, "Wir waren in der Vergangenheit immer am besten in Form, wenn wir zuvor viel und gegen starke Gegner gespielt haben."

Und Spielmacherin Denise Hanke, bisher Schwerin, künftig Istanbul, meint: "Ach, das kennen wir doch. Über den jetlag trainieren wir einfach hinweg. Im Vorjahr sind wir sogar auf drei Kontinenten gewesen. Damit kommen wir klar."

Und Guidetti (40), in Doppelfunktion Chefcoach beim Champions League-Gewinner Vakif Bank Istanbul sowie seit 2006 beim Frauenteam des Deutschen Volleyball-Verbandes, schwört darauf, dass Vergleiche auf hohem Niveau besser helfen als jedes Training:"Kommen wir beim Grand Prix ins Finale, reisen wir mit diesem Bewusstsein zur EM an, top in Form zu sein. Dann reichen die paar Tage aktiver Erholung. Verpassen wir die Endrunde beim Grand Prix, sind wir eine Woche früher zurück und haben mehr Zeit zur Regeneration. Eine Rotation in der Mannschaftsformation wird es beim Grand Prix kaum geben. Die Besten werden möglichst jedes Spiel beginnen. Wechsel oder Änderungen in der Aufstellung mache ich natürlich, wenn jemand verletzt oder angeschlagen ist."

Der Grand Prix ist das Pendant zur World League der Männer. Unter den 20 Teilnehmern sind acht EM-Starter vertreten, von denen Italien (4.), Russland (6.) und die Türkei (7.) in der aktuellen Weltrangliste vor der DVV-Auswahl (8.) rangieren.

In der 14-er Formation (Guidetti: "Das ist zu 90 Prozent die Besetzung für die EM") sind nur drei Spielerinnen, die nach der EM in der Bundesliga pritschen und schmettern. Die anderen verdienen mehr als nur den Lebensunterhalt in Italien, Polen, Türkei, Aserbaidschan, Tschechien. Zwei firmieren derzeit unter der Rubrik z.Zt. noch ohne Verein.

Die 14 sind übrig geblieben aus einer größeren Zahl von Spielerinnen, die sich ab Mitte Mai bei der Nationalmannschaft zusammengefunden haben. Und bis Mitte September für den deutschen Verband schwitzen und baggern.

Abstellgebüren für die Auswahl wie im Fußball und neuerdings im Handball gefordert oder gar eine Ausgleichszahlung für die Aktiven gibt es nicht. "Sie bekommen in der Zeit gratis die Möglichkeit, unter Topbedingungen zu trainieren. Haben keine Unkosten im Trainingslager oder auf Wettkampfreisen und erhalten vom Ausstatter Kleidung, Schuhe und das sportliche Outfit", erklärt Guidetti.

Je nach dem, wie die vertragliche Situation in den ausländischen Vereinen ist, müssen sie aber wie eine Ich-AG entsprechende Versicherungen abschließen oder melden sich für die Zeit arbeitslos. Weil ja direkt keine Einkünfte vorliegen.

Während die Fußballerinnen für ihren EM-Gewinn pro Nase rund 22 000 Euro kassiert haben (den Männern wird in ähnlichem Falle das Zehnfache garantiert), existiert für die Volleyballerinnen keine Prämienvereinbarung zur EM. Möglicherweise kann der DVV aber doch etwas in der klammen Kasse haben – wenn die Auswahl durch entsprechendes Abschneiden beim Grand Prix einen Anteil aus dessen rund zwei Millionen Dollar umfassenden Prämientopf mitnehmen könnte.

Trotz allem Wenn und Aber – "Wir können und wollen bei der EM gewinnen", verkündet Guidetti. Denn vor zwei Jahren hat es bereits zu Silber gereicht. Gastgeber Serbien hatte mit Hilfe von den Rängen im Finale schließlich die Nase vorn. "Klar, auf diesen Effekt hoffen wir diesmal auch", so Margareta Kozuch.

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