Das Werk, das philosophische und spirituelle Fragen des Menschseins aufwirft und sie assoziativ in rauschhafte Bilderfluten eintaucht, offenbart sich zugleich als Herausforderung wie auch Geschenk für denjenigen, der bereit ist einzutauchenden in die soghaften Bilder und Gedanken des in sich zerrissenen Suchenden in einer übersättigten Welt.
Terrence Malicks Filme entspringen mehr noch dem Instinkt als dem Intellekt und ein wundersames Zusammenspiel aus nahtlos aneinandergereihten Bildern, betörenden Klängen und gedankenvollen Untermalungen entführt den sich Hingebenden auf eine rauschhafte emotionale Reise.
Terrence Malick wäre nicht Terrence Malick würde er dem Betrachter eine Geschichte anbieten, die einem stringenten Plot folgen würde. Nein, auch hier können wir uns wieder wie bei „ The Tree of Life“ oder „The Wonder“ einlassen auf Fragmentierungen, Assoziationen, philosophische Reflexionen, bildgewaltige Schöpfungen und symphonische Ergüsse. Die Bilderwelten des Kameravirtuosen Emmanuel Lubetzki und unter anderem die musikalische Untermalung von Edvard Griegs Peer Gynt entführen in den Malickschen Kosmos.
Der Protagonist, verkörpert durch Christian Bale, der tief in sich eine Leere fühlt, bewegt sich gleichwohl taumelnd durch die Straßen von Los Angeles und sucht – aber nicht weiß wonach. Wir werden hineingesogen in den Taumel des Unbewussten. Eine schwebende Kamera, die unermüdlich in Bewegung bleibt gleitet über Cabriofahrten auf weiten Straßen, Palmen, hochglanzpolierte abstrakte Glasarchitektur, durch Partynächte und immer wieder über Ozean- und karge Wüstenlandschaften. Aus dem Off raunen die Stimmen der Darstellnden philosophische und sprituelle Gedanken, die kontrastierend zu dem sinnentleerten Dasein des Zweifelnden
stehen. Dabei hat Rick eigentlich alles was der Amerikanische Traum suggeriert. Er ist erfolgreich, reich, lebt in luxuriösen Wohnungen, ist Gast auf den begehrtesten Partys Hollywoods und verkehrt mit den schönsten Frauen im Überfluss. Doch er sucht seine Identität. Wir sehen Assoziationen einer Ehe mit der Ärztin Nancy, verkörpert durch Cate Blanchett, eine andere bedeutende Affäre erlebt er mit der sinnlichen Elisabeth (Natalie Portman). „Du suchst keine Liebe, du willst sie nur spüren“, raunt eine Frauenstimme, „Du hast dich nie wirklich auf unsere Ehe eingelassen“, konstatiert Nancy am Ende der Beziehung und der Verlorene streift weiter mit sorgenvoller Miene durch die Welt der flüchtigen Begegnungen, Hollywoodpartys und gläsernen Bürofassaden. Treffen mit seinem Bruder und Erinnerungen an den strengen Vater, Sequenzen aus Realität und Traum scheinen zu verschwimmen. „Du lebst in einer Scheinwelt“ wispert eine Stimme und immer wieder taucht er ein in karge Wüstenlandschaften, in denen er nach Erlösung ringt. Und doch merkt er das etwas nicht stimmt, er muss scheitern solange er seine innere Leere nicht selber, aus sich heraus, füllen kann und will.
Das Grandiose ist bei Malick, dass das Innere des Protagonisten, seine emotionale Beschaffenheit, durch die Darstellungen von Orten, wie in der formschönen aber blutleeren Architektur oder von einer kargen aber erhabenen Wüstenlandschaft, widergespiegelt werden. Wir sehen den Blick auf die Welt durch ihn. Die innere Leere, die der Protagonist nicht füllen kann, übersättigt und gelangweilt von einer hedonistischen Scheinwelt, geht einher mit den glanzvollen Bildern eines wunderschönen Los Angeles, die perfekt aber leer erscheinen, wie Werbeaufnahmen von überwältigender gleichsam kalter und inhaltsleeren Schönheit. Daneben gibt es immer wie Einblicke in aufregende Wasserwelten und Unterwassseraufnahmen. „Die Frauen sind seine Quelle des Lebens, um seine innere Leere zu füllen.“, sagte Christian Bale auf der Pressekonferenz über seine Figur und doch oder gerade deswegen kann er nicht wirklich zu ihnen und zu sich finden – vor allem dann nicht, wenn sie wie in einigen, langgezogenen Partyszenen konsumiert und betrachtet werden, wie schöne, aber wesenlose Hüllen. Abgetrennt vom Gefühl und verwirrt durch die pausenlosen Ablenkungen der äußeren Welt spürt der Zivilisationsmensch hier, dass ihm etwas fehlt, dass er eine Rolle spielt – so tut als ob. Wie Peer Gynt, der sich in einer berühmten Szene mit einer Zwiebel vergleicht, die viele Hüllen, aber keinen Kern aufzuweisen hat, scheint auch der übersättigte Held hier nach dem Wesentlichen suchen. Doch Rick treibt weiter, wendet sich nach Osten, geht in die Natur, die Einsamkeit. Lösungen lässt der Regisseur offen oder überlässt sie der Wahrnehmung und dem Instinkt des Zuschauers – oder dem Kosmos. Nochmal zurück zum Ritter der Kelche – der Ritter der Kelche steht im Zeichen des Gefühls, wie auch das Wasser, das immer wieder im Film auftaucht. Nicht jeder ist empfänglich für diese Filmsprache, die jegliche konventionellen Regelungen unterläuft. Terrence Malick spaltet die Kritiker, aber schafft mit „Knight of Cups“ immer noch – auf eine unnachahmliche Weise – gewohnte Sehgewohnheiten zu durchbrechen, kann Staunen erzeugen und wird – sofern man sich darauf einlässt – zu einem rauschhaften und meditativen Erlebnis, das unbequeme, aber existenzielle Fragen aufwirft und seinen Betrachter mit sich selbst konfrontieren kann.
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Originaltitel: Knight of Cups
Land: USA
Jahr: 2014
Dauer: 118 Minuten
Regie: Terrence Malick
Buch: Terrence Malick
Kamera: Emmanuel Lubezki
Schnitt: Geoffrey Richman, Keith Fraase, AJ Edwards
Musik: Hanan Townshend
Darsteller: Christian Bale (Rick), Cate Blanchett (Nancy), Natalie Portman (Elizabeth)