Old Sherlock oder Der menschliche Meisterdetektiv als alter Sack und umgekehrt – Kritik zum Berlinale-Beitrag Mr. Holmes

© Agatha A. Nitecka / See-Saw Films

Zuerst sind da die Sherlock-Holmes-Filme von Guy Ritchie, die Holmes als schlagkräftigen Actionhelden präsentieren. Subtiler, intelligenter und meisterlicher ist da schon die Fernsehserie Sherlock mit Benedikt Cumberbatch als Sherlock Holmes, der die Holmes-Geschichten von Autor Arthur Canon Doyles ins 21. Jahrhundert transferiert mit Internet, Smartphone und einem soziopathischem Sherlock Holmes. Es ist wahrscheinlich kein Zufall das Bill Condons Sherlock-Holmes-Interpretation Mr. Holmes heißt. Wahrend das Stück mit Benedikt Cumberbatch von den besten Jahre des Meisterdetektivs handelt, und den Vornamen als Titel verwendet, widmet sich Condon dem alten Mann, dem Super-Senior Sherlock Holmes, dieses Mal dargestellt von Ian McKellen.

Condon der mit McKellen schon im Film Gods and Monsters zusammen gearbeitet hat, wollte unbedingt wieder mit diesem drehen und wartet auf die passende Rolle für  McKellen, die er dann in Mitch Cullins Roman A Slight Trick of Mind fand. Condons Film unterscheidet sich von den beiden vorherigen Holmes Filmen auch darin, dass es ihm hier gelingt eine einfühlsame und  berührende Holmes Version an den Tag zu legen, die Holmes in erster Linie nicht als den üblichen Master Mind zeigt.

Der Film Mr. Holmes konzentriert sich auf Holmes als 93 Jahre alten Mann, der zurückgezogen auf seinem ländlichen Anwesen lebt und sich der Bienenzucht widmet. Versorgt wird er von seiner Haushälterin Mrs. Munro (Laura Linney) und ihrem kleinen Sohn Roger (Milo Parker). Holmes entwickelt zu dem Sohn seiner Haushälterin ein freundschaftlich vertrauensvolles Verhältnis. Der kleine Sohn ist an einer von Holmes Fällen interessiert, die er aufschreibt, um seiner aufkommenden Demenz entgegenzuwirken. Dabei tritt zutage dass es eben  jener Falle ist, der dafür sorgte, dass er den Detektivberuf für immer an den Nagel gehangen hat. Zwischen Holmes der Haushalterin und dem Jungen entsteht ein enge persönliche Beziehung, die am Ende dazu führt, dass sich Holmes seiner eigenen menschlichen Unzulänglichkeit und seinen Fehlern stellen muss, um so dann auch mit sich am Ende seines Lebens ins reine zu kommen. Und es sind eben diese menschlichen Unzulänglichkeiten die Holmes in seinem letzten Fall scheitern ließen und ihn zum Austieg aus dem Detektivberuf veranlasste.

Es gibt viele Gründe warum es der Film schafft einen in seinen Bann zu führen. Und das liegt daran dass es eigentlich kein wirklicher Sherlock Holmes Film ist, nur in den Rückblenden wird dies angedeutet und spürbar.  Es ist ein zutieft menschlicher Film über das alt werden und die Personen die in diesem Lebensabschnitt einem nah stehen und ein wichtigen Part einnehmen, so die Haushälterin Mrs. Munro und ihr Sohn Roger. Der Sohn hat hier in ungewöhnlicher Form den Part inne, den normalerweise Dr. Watson für Holmes immer einnimmt. Der fürsorgliche Freund, der Holmes liebevoll assistiert und ihm mit seiner väterliche Art beisteht. Und es ist das Zusammenspiel des Dreigespanns McKellen, Laure Linney und Milo Parker, aus dem der Film seine Kraft und seine Einfühlsamkeit zieht. Bill Condon ist hier ein sensibler und feinfülliger Hollyoodfilm gelungen. Condon ebenfalls für das Drehbuch verantwortlich wartet mit einem stimmigen Drehbuch auf, dass die richtigen Töne für diesen ruhigen, leisen, aber um so beeindruckenden Film aufbringt. Und ebenso grandios ist Ian McKellens Sherlock Holmes Interpretation, die er mit der Würde und Tiefe einer klassischen Shakespeare Figur füllt. Ein durch und durch sehenswerter Film.

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Originaltitel: Mr. Holmes
Land: Großbritannien
Jahr: 2014
Regie: Bill Condon
Buch: Jeffrey Hatcher nach einem Buch von Mitch Cullin
Kamera: Tobias Schliessler
Schnitt: Virginia Katz
Musik: Carter Burwel
Darsteller: Ian McKellen (Sherlock Holmes), Laura Linney (Mrs. Munro), Milo Parker (Roger), Hiroyuki Sanada (Tamiki Umezaki), Hattie Morahan (Ann Kelmot)
Dauer: 103 Minuten

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