Advent an der Alten Försterei oder Die Ruhe nach dem Schuss ins Tor

© Foto: Hajo Obuchoff

Vor allem wenn sich wie an diesem Tag 14 373 zahlende Zuschauer versammelt haben. Das Spiel der Unioner gegen Bochum, gleichzeitig letztes in der Hinrunde, stand wie alle Profifußballtreffen an diesem Wochenende bundesweit unter dem Fan-Motto „12:12 – ohne Stimme keine Stimmung“. 12 Minuten und 12 Sekunden lang verweigerten nun zum zweiten Mal die Liebhaber des heißen Rasentanzes geschlossen die Stimmung. Eine eindrückliche Mahnung an die Funktionäre von DFB und DFL, die am 12. Dezember zu Sicherheitsfragen in den Stadien tagen.

„Es war wie bei einem Dorffußballspiel“, sollte später Torsten Mattuschka, Unions Kapitän zur vorweihnachtlichen Stille an der Wuhlheide sagen. Doch selbst an Dorfbolzplätzen wären nach dem Tor von Markus Karl in der 3. Minute Jubelschreie zu hören gewesen. An der Alten Försterei dagegen war lediglich ein Raunen zu vernehmen. Die rot-weiß geschmückten Fans vollführten eher eine Art Pantomime: Manch einer umarmte seinen Nachbarn oder riss unentschlossen die Arme halbhoch. Viele hielten sich den Mund zu. Die Bochumer im Gästeblock hatten eh Grund, bedeppert drein zu schauen. Das sind sie gewöhnt seit langem. Seit Wochen dümpelt ihre Mannschaft in den tiefsten Tabellenregionen.

Nach 12 Minuten zählte dann das ganze Stadion die letzten 12 Sekunden herunter. Erst dann bejubelten die Unioner ihr Tor. Die Adventsstimmung schien sich Anfangs auch auf dem Feld niederzuschlagen. Erst fabrizierten manche Spieler ein paar Kerzen mit dem Ball, dann suchte Michael Parensen seinen Fußballschuh, den ihm ein freundlicher Gegner vom Hacken getreten hatte. Aber im Stiefel fand sich leider kein Geschenk. Na ja, der Nikolaus kommt ja erst am Donnerstag. Dafür schenkte die eiserne Abwehr den Gästen etwas Hoffnung. In der 23. Minute durfte Christoph Dabrowski ungestört einem Ball nachlaufen und seinem Kumpel Zlatko Dedic zuspielen. Der freute sich und drosch das Spielobjekt direkt vor der Waldseite, wo die eisernsten Unioner stehen, ins Netz. Wobei auch Marc Pfercel unfreiwillig half, indem er mit seinen unteren Gliedmaßen den Ball noch unhaltbar für seinen Torwart Daniel Haas abfälschte. Plötzlich schienen den bis dahin ziemlich lahmen Bochumer tatsächlich kleine Flügelchen zu wachen. Waren etwa schon die Weihnachtsengel unterwegs? Das glaubten vier Minuten später auch die mattblau-weißen Bochumer Fernreisenden als der Ball schon wieder ins gegnerische Tor rollte. Allerdings schien der keineswegs union-freundliche Schiedsrichter aus dem bayrischen Kronach nicht bereit, einen Tag vor dem 1. Advent Engel auf dem Spielfeld zu dulden. Sah er gefährliches Spiel oder die Hand am Ball – egal er entschied auf Freistoß für die Hausherren. Bis zur Pause passierte dann nicht mehr viel. Am aufregendsten noch: man rempelte sich im Mittelfeld gegenseitig um.

Anfangs der zweiten Spielhälfte, wurde es noch ein paar Mal kritisch vor dem Tor der tapferen Gäste. So gelang es auch Adam Nemec mittels ansehnlicher Sprunggewalt und  hartem Schädel, die Kugel vorbei an Philipp Heerwegen ins Netz zu befördern. Die professionellen Balltreter aus Köpenick, von ihren Freunden auf den Rängen allesamt als Fußballgötter geadelt, zeigten sich nun merkwürdigerweise uninspiriert, ihren nun nicht gerade brillanten Gegner in die Schranken zu weisen und noch das eine oder andere Tor nachzulegen. Gegen Ende der Spielzeit zogen sich die Eisernen eher zurück und hofften wohl, der Fußballgott da ganz oben möge ihnen beistehen. Ein ungeduldiger Fan meinte Schlimmes ahnend: „Mann oh Mann, die betteln ja regelrecht um ein Gegentor!“ Zum Glück half dann nicht der liebe Gott oder der Nikolaus, sondern Daniel Haas, der in der letzten Minute noch einen gefährlichen Schuss des Ex-Leipzigers Kevin Scheidhauer abwehrte.

Damit endete die erste Hälfte der Saison 2012/13 für den 1. FC Union durch den ansehnlichen Endspurt versöhnlich. Immerhin wurden in der „Englischen Woche“ sieben Punkte eingefahren. Sollte der Start in die Rückrunde, die bereits am kommenden Freitagabend zu Hause mit dem Treffen gegen den 1. FC Kaiserslautern – immerhin ein Aufstiegsaspirant – gelingen, dann könnten Köpenicks Fußballgötter noch fröhlicher in die Weihnachtsferien gehen. Vielleicht ist dann am 4. Advent der eine oder andere Spieler mit auf der Tribüne, wenn zum Weihnachtssingen angestimmt wird.

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