Pfatter/Griesau, Deutschland, Weltexpress. Julia und Korbinian Arzberger, betreiben auf ihrem Biohof in Pfatter/Griesau, mitten in der schönen Oberpfalz, Bio-Landwirtschaft – zertifiziert nach Naturland Richtlinien. Sie unterhalten dabei seit 2013 eine kleine Pferdepension mit „Paddock Trail“ und bieten den Pferden eine möglichst naturnahe Haltungsform. Ihre eigenen Kaltblutpferde setzen sie für die Arbeit im Wald, für Festumzüge und Hochzeitsfahrten ein. Mehr Informationen unter: www.capomoro.de
Das Interview
Paschel: Lieber Korbinian, du hast 2014 eine empirische Masterarbeit an der Technischen Universität München-Weihenstephan geschrieben und eindeutig belegt, dass die gewaltfreie Ausbildungsmethode nach Fred Rai pferdeschonend ist und den Anteil von Stresshormonen senkt.
Rai-Reiten ist bekanntermaßen gebissloses Freizeit- und Wanderreiten ohne Anwendung von Hilfsmitteln wie Peitsche, Sporen, Kandare, Trense, Ausbindezügel usw. Fred Rai ist leider 2015 gestorben, er erlitt beim Reiten einen Schlaganfall. Kurz vor seinem Tod wurde seine Bodenarbeit auch wissenschaftlich und als besonders tiergerecht und schonend eingestuft, nicht zuletzt aufgrund deiner Arbeit.
Arzberger: Die Methode, die Fred Rai im Umgang mit Pferden anwandte, kommt nicht gänzlich ohne psychischen Stress für das Pferd aus. Wir konnten aber mit Hilfe von Videoaufzeichnungen und der Auswertung des Ausdrucksverhaltens sowie den Verläufen physischer Parameter wie Speichelkortisol oder Herzfrequenz nachweisen, dass dieser Stress relativ gering ist im Vergleich zu natürlich vorkommenden Stresssituationen und vielleicht auch anderen Ausbildungsmethoden.
Für mich persönlich war die Arbeit mit Fred Rai und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seiner und anderen Methoden eine sehr bereichernde Zeit. Unabhängig von der Herangehensweise ist den meisten sog. Pferdeflüsterern gemein, dass sie über ein sehr souveränes Auftreten und eine große Konsequenz, auch im eigenen Handeln, verfügen.
Paschel: Ich selbst reite seit Jahren gebisslos und auch ohne Eisen am Huf, weil ich mich damit sicherer fühle. Das Pferd hat viel mehr Gefühl am Boden und kann sich leichter ausbalancieren ohne Hufeisen.
Arzberger: Generell befürworte ich, wenn irgend möglich, das barhuf gehen. Wir halten unsere Pferde in einem Paddock Trail mit verschiedenen Untergründen, um die Hufstruktur zu fordern und fördern und konnten schon viele „Eisenpferde“ umstellen. Unsere Arbeitspferde werden mit 4 bis 5 Jahren zur Arbeit herangezogen und dann erstmals beschlagen. Eine Nutzung als Fahrpferd und v. a. als Rückepferd im Dauereinsatz wäre ohne Hufeisen definitiv nicht möglich. Die Belastung im Wald ist mit der unter dem Reiter nicht vergleichbar, weswegen hierfür extra vom Schmied angefertigte Eisen Verwendung finden.
Paschel: Ich selbst habe viele Pferde und auch meinen schweren Friesenmix, der früher mit Pelham geritten wurde, umgestellt auf gebisslos und glaube, dass das bei jedem Pferd beim Reiten möglich ist. Beim Holzrücken und auch beim Kutschenfahren kann ich das nicht beurteilen. Nach meiner Erfahrung sind aber alle Pferde ohne Gebiss im Maul per se entspannter. Das bestätigt auch Prof. Robert Cook, der über 20 Jahre am Pferdekopf wissenschaftliche Forschung betrieben hat. Bei der Arbeit im Wald mit deinen Norikern benutzt du ein Pelham-Gebiss. Ich könnte mir vorstellen, dass der Grund dafür der Sicherheitsaspekt ist.
Arzberger: Ich selbst reite tatsächlich schon 20 Jahre überwiegend gebisslos. Wobei ich eine gebisslose Zäumung nicht pauschal als pferdeschonender ansehen würde! Wirkungsweise und Möglichkeiten der Anpassung an den Pferdekopf unterscheiden sich z.T. erheblich Entscheidend ist sicherlich auch der gewünschte Effekt beim Reiten. Ausreiten oder gymnastizierende Arbeit? Ausschlaggebend ist natürlich auch die Hand des Reiters…
Fahren ohne Gebiss wurde damals auch mit Rai diskutiert. Mit sehr gut ausgebildeten Pferden ist das theoretisch sicher möglich. Die große Distanz bzw. Länge der Leinen birgt aber hier eine gewisse Schwierigkeit. Das ist auch der Grund, warum unsere Pferde nach einer gebisslosen Anlernphase und dem Weg über eine doppelt gebrochene Trense auf Postkandare gefahren werden. Oft nehmen sie ein Stangengebiss irgendwann sogar besser an, da diese ruhig im Maul liegen.
Bei der Arbeit im Wald gehen unsere Noriker fast ausschließlich auf Stimme. Die routinierten Pferde werden mit Stoßzügel gearbeitet. Dabei hat der Fuhrmann lediglich eine Leine, die gleitend auf die beiderseitigen Gebissringe einwirkt. Dadurch kann das Pferde nicht mechanisch gelenkt werden, sondern reagiert nur auf das Stimmkommando. So habe ich eine Hand frei um z.B. den Stamm zu manipulieren und die Gefahr, dass sich die Leinen verheddern ist geringer. Oftmals gehen die Pferde auch völlig frei und ich gebe aus der Entfernung die Anweisungen. Den Großteil des Arbeitstages verbringen die Pferde also weitestgehend ohne jede Gebisseinwirkung. Es treten jedoch immer wieder Situationen auf, bei denen es auf absoluten Gehorsam und engste Abstimmung zwischen Mensch und Pferd ankommt. Z.B., wenn sich ein Holzstamm verkeilt und ich direkt zwischen Hinterhand und Stamm arbeiten muss. Da reicht die kleinste Bewegung und es kann zu schweren Verletzungen auf beiden Seiten kommen. Da ist mir eine sehr präzise Hilfengebung wichtig.
Paschel: Zu eurem Hof gehörenden 22 ha Wald, der möglichst schonend und naturnah bewirtschaftet wird. Was heißt das?
Arzberger: Als ökologisch wirtschaftender Betrieb ist uns natürlich auch eine möglichst naturnahe Waldwirtschaft wichtig. Dazu gehören u.a. Dauerwaldbestände mit vielen verschiedenen Baumarten und Altersstrukturen, aus denen wir selektiv die gewünschten Bäume entnehmen. Wenig Maschineneinsatz auf weit auseinanderliegenden Rückegassen ist hierbei zentrales Thema. Dabei ergeben sich große, relativ unberührte Flächen, aus denen das Holz möglichst schonend zur Gasse vorgeliefert werden muss. Und dafür eignen sich Pferde hervorragend! Wendig, flexibel und damit konkurrenzlos schnell! Sie verursachen keine Bodenverdichtungen und schonen den verbleibenden Bestand. Außerdem sind sie keine Gefahr für das Grundwasser, leise, wir ernähren sie von den eigenen Flächen und sie können im Laufe ihres Arbeitslebens einige Tausend Liter Diesel einsparen. Das ist doch modern und zeitgemäß?!
Paschel: Ja, das ist sehr nachhaltig, wie man heutzutage gern sagt. Pferde gehören bekanntlich zur Gruppe „Weitwanderwild“ und laufen täglich 25 km und mehr, wenn sie genügend Platz haben. Optimal wäre ca. 1 HA pro Pferd. Das ist in unserem Land selten realisierbar. Du hast als Alternative einen „Paddock-Trail“.
Wie funktioniert das?
Arzberger: Das System des „Paddock- Trails“ wurde vom amerikanischen Hufschmied Jamie Jackson entwickelt. Es ist der Versuch, die Wanderungen naturnah lebender Pferde zwischen ihren einzelnen Bedürfnissen (z.B. Futter, Wasser, Ruhen, Spielen…) nachzuempfinden.
Während meines agrarwissenschaftlichen Masterstudiums konnte ich viele Offenstallhaltungen besuchen und die Pferde beobachten. Schlecht strukturierte oder falsch geführte Gruppenhaltungen sind sicher per se nicht besonders pferdegerecht bzw. reicht nur Platz allein nicht aus, um Pferde zur Bewegung zu animieren.
Aus diesen Schlüssen heraus planten wir unseren Bewegungsstall mit weit auseinandergezogenen Versorgungseinrichtungen (Futterangebote, Wasserstelle, Liegehalle uvm.) und 2500 m² / Pferd Fläche auf der Anlage. Alles ist als Rundlauf angeordnet, ohne Engstellen oder Sackgassen. Die Anlage besteht aus verschiedenen Untergründen, um den Hufmechanismus der Pferde anzuregen. Wichtig ist uns auch, die Pferde möglichst vielseitig zu beschäftigen und zur Bewegung zu animieren.
Paschel: Gibt es überhaupt Boxen bei euch oder leben die Pferde ganzjährig draußen?
Arzberger: Alle unsere Pferde, auch die Arbeitspferde, leben ganzjährig in der Gruppe draußen. Zur Separation z.B. auf Grund von Krankheit oder bei der Eingliederung eines neuen Pferds (wir haben auch Pensionspferde) halten wir eine 30 m² große Paddockbox vor. Diese befindet sich inmitten der Anlage, so dass auch ein krankes Pferd nicht aus seiner Herde und seiner gewohnten Umgebung gerissen und dadurch zusätzlich gestresst wird.
Paschel: Auch eure anderen Tiere leben artgerecht.
Arzberger: Unsere Biolandwirtschaft basiert zum größten Teil auf der Direktvermarktung von Fleisch. Dazu halten wir eine Mutterkuhherde (Herdbuchzucht Galloways) mit Schlachtung auf der Weide ganzjährig draußen. Außerdem haben wir verschiedene alte Schweinerassen und diverses Geflügel, die ebenfalls gemeinsam im Freiland leben.
Dazu eignen sich ein paar Bilder am besten:
Paschel: Lieber Korbinian, woher kommt Dein schöner Name?
Arzberger: So hieß ein Freisinger Bischof. Der Name stammt aus dem Lateinischen (Corvus = Rabe). Er ist in Bayern und im westlichen Österreich verbreitet.
Paschel: Vielen Dank, dass ich mal wieder etwas dazu lernen konnte.
Weitergehende Informationen: http://www.biohof-arzberger.de/