Die Geschichte dieses schrägen Kampfes der Kulturen ist nicht schnell erzählt. Moshen Taheri, wunderbar infantil, aber mit großem Herzen und überaus sensibel beim Anblick von Blut von Navid Akhavan dargestellt, hat große Mühe den Ansprüchen seines ihn verachtenden Vaters zu genügen, vor allem was seine Mithilfe in der väterlichen Metzgerei angeht. Stattdessen träumt er lieber vor sich hin oder bewegt seine Fingerchen zur Beruhigung beim Stricken. Uns hat mal ein Türkei beim Anblick eines strickenden Jungtürken eingeschärft: „Ein Türke strickt nicht!“. Und das ist mehr als ein Kalauer, sondern zeigt, daß der Regisseur die Finger deutlich auf die Wunden der Vorurteile/Schmähungen der jeweiligen Gesellschaften legt. Der mächtige Schlachter-Vater braucht nun die Hilfe des schmächtigen Sohnes, denn er hat der falschen Fleischabfallentsorgung wegen die Metzgerei-Lizenz verloren, die der Sohn nun nachschieben muß. Was ihm zu glücken scheint, denn er findet einen Kumpanen im Osten, in Polen, der ihm gut genährte Schafe zu niedrigen Preisen und schon geschlachtet liefern will. Dabei weiß doch ein Iraner aus der Bundesrepublik eigentlich, wie es mit dem Geschäftemachen mit Polen ausgehen kann.
Auf dem Weg dorthin strandet Moshen. Gleich doppelt. Mit dem Auto am Provinzkaff Oberniederwalde, mit dem Herzen an Ana, der KFZ-Meisterin, der blonden prächtigen Landfrau, in deren Augen sich nach und nach der Schönheitsblick des Moshen auf sie widerspiegelt, ihr in die Seele dringt und ihre Sicht auf sich selber verändert (mal schön, mal Schrank ist Anna Böger). Das dauert allerdings und zwar fast den ganzen Film hindurch. Denn erst einmal ist der innerlich von der Liebe und äußerlich vom Wagenheber/Transporter krankenhausreif Getroffene in einer verzwickten Lage. Seine Angebetene ist Vegetarierin. Sie merken schon, eines der filmischen Prinzipien ist der Umkehrschluß. Denn jeder, der die prächtige Ana Bergheim vom Land sieht, würde annehmen, sie verspeise täglich einen beträchtlichen Anteil vom Schwein. Vegetarierin also. Deshalb behauptet der Verliebte, seine Schafe, die er in Polen abholen muß, dienten der nötigen Wolle für seinen Textilhandel. Textilhandel? Und das in Oberniederwalde, wo die in der DDR blühende Textilfabrik VEB „Textile Freuden“ nun produktionslos dahinrostet, wie die arbeitslosen Einwohner in den angeblich blühenden Ostlandschaften auch.
Aus der anfänglichen deftigen Ablehnung der Dorfbewohner gegen Moshen wird nach Aussichten auf Arbeit am Ort nach der Rückkehr aus Polen eine Liebdienerei sondergleichen. Vorneweg Anas Vater und Dorfgastwirt, den Wolfgang Stumph mit der im eigenen Nonchalance zwischen Triebtäter und Schlaumeier gibt: der rechte Mann zur rechten Zeit am rechten Platz. Fast. Und Moshen muß sich nun als der fühlen, der als falscher Mann zur falschen Zeit am falschen Platz weilt. Denn die Lügen haben kurze Beine und die aufgezwungene Betriebsbesichtigung der alten Fabrik macht ihn noch nicht zum Textilfabrikanten. Erst recht nicht, als nun auch noch die Eltern nach dem verschollenen Sohn suchen. In ewigen Ehezänkereien verstrickt: Michael Niavarani und Proschat Madani. Wahrscheinlich hat Moshen daher den Strickfimmel.
Weiter erzählen wir jetzt nicht. Denn es geht im Strickmuster des Filmemachers weiter. Mal strickt er rechts, wenn er den gängigen Vorurteilen der jeweiligen Volkssichten auf Iraner und Deutsche folgt, mal strickt er gegen den Strich und links, wenn er die Personen genau das Gegenteil dessen aussehen, machen, denken, sagen läßt, was man von ihnen gemäß der Vorurteilsstruktur erwartet hatte. Aber wann er rechts und wann links strickt, ist nicht vorhersehbar und das macht den Reiz des Films aus, der stets am Kalauern wenngleich nicht elegant, so aber aufrichtig entlangschrammt und uns von Herzen lachen läßt, so wir ein einfaches im Filmhimmel noch haben. Früher hatte man solche Geschichten als Moritaten auf dem Dorfplatz sprechgesungen und nach jede der unwahrscheinlichen Strophen hinzugefügt: „weil’s wohr is“.
P.S. Die Bergheim-Mutter von Eva-Maria Radoy gab’s auch, die dem Vater ebenbürtig immer einen Schritt hinterherdackelt. Wir bekamen sie nur nicht im Text unter.
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Originaltitel: Salami Aleikum
Genre: Komödie
Land/Jahr: Deutschland 2008
Kinostart: 23. Juli 2009
Regie und Drehbuch: Ali Samadi Ahadi
Darsteller: Navid Akhavan, Anna Böger, Michael Niavarani, Proschat Madani, Wolfgang Stumph
Verleih: Zorro
Internet: www.salami-aleikum.de
FSB: ohne Altersbeschränkung
Laufzeit: 106 Minuten