Beständiger Stachel im Fleisch Ferraris

Der letzte gebaute Lamborghini Gallardo fährt aus dem Werk Sant’Agata Bolognese: Ein Gallardo LP 570-4 Spyder Performante in Rosso Mars. © Lamborghini

In der Geschichte von Lamborghini gibt es nur wenige Konstanten. Einmal die Fahrzeuge, die formal stets zu den extrovertiertesten Autos zählten, und die Modellbezeichnungen, die fast immer an berühmte Kampfstiere erinnerten. Außerdem zählten die Topmodelle mit ihren Zwölf-Zylinder-Motoren stets zu den leistungsfähigsten Triebwerken, die sich in seinem Serienauto erwerben ließen. Schließlich vereinte alle Lamborghini die Mission, die Erzeugnisse des Wettbewerbers Ferrari aus dem nahen Modena ein wenig profan oder gar alt aussehen zu lassen.

Dieses Ansinnen war der Marke von Beginn an in die Wiege gelegt. 1958 gedachte sich der erfolgreiche italienische Unternehmer Ferrucio Lamborghini standesgemäß zu motorisieren und erwarb einen Ferrari 250 GT. Unzufrieden mit der Komfort und Geräuschentwicklung des Wagens, versuchte er seine Einwände gegen das Fahrzeug direkt bei Enzo Ferrari zu kommunizieren. Der ließ Lamborghini jedoch so auflaufen, dass der Traktorenbauer beschloss, dem Schnösel aus Maranello zu zeigen, wo der Hammer in der Sportwagenwelt hängt. Er beschloss, sein eigenes Auto zu bauen. Natürlich schöner, schneller und besser als jeder Ferrari.

Schon der erste Lambo, der 350 GT von 1963, verfügte über einen 3,5-Liter-V12, der 350 PS mobilisierte. Die 4,46 Meter lange Karosserie des noch heute berauschend schönen GT fertigte der Karosserier Touring nach dem „Supperleggera“ Prinzip. Dabei spannt sich eine leichte Karosserie aus Aluminium über einen stabilen Gitterrohrrahmen aus Stahl. Bis 1967 entstanden 120 Exemplare des bis zu 260 km/h schnellen Gran Turismos, der bei seinem Erscheinen 58 000 Mark kostete. So viel wie ein Mercedes 600.

Lamborghini gebärdete sich mit seinen Autos fortan wie der beständige Stachel im Fleische Ferraris. Stets waren die Lambos eine ganze Ecke gewagter gestylt, fortschrittlicher konzipiert und kräftiger motorisiert. 1967 versetzte der Miura erstmals bei einem Seriensportwagen den Motor ins Heck und transportierte das Mittelmotorkonzept von der Rennstrecke auf die Straße. Wie zum persönlichen Spott auf alle Energiekrisen erschien 1974 der unglaubliche Countach.

Im Gegensatz zum Konkurrenten Ferrari erreichten die Lamborghinis jedoch nie vergleichbare Auflagen. Was schließlich 1978 zum Konkurs führte. Der Staat übernahm kurz die Kontrolle, bis 1980 die Gebrüder Mimram aus der Schweiz Lamborghini erwarben, die sich vor allem von ihrer persönlichen Begeisterung für Sportwagen tragen ließen, weniger von Erfahrungen im komplizierten Markt der Hochleistungssportwagen. 1987 hielt es der amtierende Chrysler-Chef Lee Iacocca für eine gute Idee, dem gerade wieder erstarkenden Chrysler-Imperium mit der italienischen Edelmarke einen imageträchtigen Glanzgrad zu verschaffen. Doch der Neuzugang erwies sich als derart begabter Verlustbringer, dass bereits 1994 der nächste Besitzerwechsel fällig war. Mit dem Kauf von Lamborghini durch ein auf den Bermudas residierendes Konsortium namens „MegaTech“, war der ökonomische Tiefpunkt der Marke erreicht. Hinter diesem ominösen Firmenkonstrukt steckte unter anderem Tommy Suharto (geb. 1962). Ein Sohn aus dem gleichnamigen, 1998 gestürzten indonesischen Herrscherclan und seit 2002 wegen eines Mordauftrags einsitzend.

1998 leitete die Übernahme Lamborghinis durch Audi die Wende zum Happyend in Sant Agatha Bolognese ein. Die Ingolstädter transferierten in großem Stil Entwicklungskapazität und Qualitätsmanagement nach Italien. 2001 präsentierte die Marke den Murcielago als neustes Topmodell und verbreiterte zwei Jahre später das Portfolio mit einem „kleinen“ Lambo, dem Gallardo. Als direkter Konkurrent für den Ferrari 360 konzipiert, statteten die Entwickler den Gallardo mit einem V10-Leichtmetalltriebwerk in Mittelmotorlage aus, der aus fünf Litern Hubraum 368 kW / 500 PS bei 7800 U/min mobilisierte und via Sechs-Gang-Getriebe auf alle vier Räder verteilte. Der nur 4,3 Meter lange, 1430 Kilo schwere Zweisitzer konnte sich so in 4,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beamen und 309 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichen.

Der Gallardo schlug wie eine Bombe ein. Seine unverwechselbare, aber geradlinige Form überzeugte ebenso wie das dynamische Potential und die erhebliche bessere Alltagstauglichkeit im Vergleich zum Murcielago. Vor allem gelang es dem Gallardo durch die Fertigung nach Audi-Qualitätsmaßstäben nicht nur das Vertrauen der hartnäckigen Fans der Marke wieder zu wecken, sondern breite neue Käuferschichten für die Marke zu erschließen, die somit endlich Stückzahlen fertigen konnte, die für ein wirtschaftliches Gesunden unerlässlich waren.

Entsprechend ließen die Verantwortlichen beim Lamborghini ihrem besten Stier im Stall viel Aufmerksamkeit und Pflege angedeihen. 2005 stellte der Hersteller die offene Variante unter der Bezeichnung Spyder vor. Es entstanden 16 Sondermodelle und zahlreiche Kleinserien. Vom „Superleggera“, einer auf 1330 Kilo abgespeckten Version mit 390 kW / 530 PS baute Lambo beispielsweise 2007 exakt 172 Exemplare.

Die große Überarbeitung bescherte dem Gallardo eine Erweiterung des Hubraums auf 5,2 Liter und eine Leistungssteigerung auf 412 kW / 560 PS.

Sein dynamisches Potential durfte der Gallardo zudem ab 2005 im Motorsport in der Klasse der GT3-Fahrzeuge unter Beweis stellen. Ob American Le Mans Series, ADAC-GT-Masters, japanische GT-Meisterschaft oder VLN-Langstreckenpokal, ein Gallardo war immer für einen Platz ganz oben auf dem Siegertreppchen gut.

Zehn Jahre Bauzeit sind im schnelllebigen Automobilgeschäft eine lange Zeit. Nicht zuletzt ein weiterer Beleg für das Potenzial, das das Konzept des Gallardo bewies. Nun ist der Gallardo Autogeschichte und übergibt den Stab an seinen Nachfolger Huracán.

ampnet/tl

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