Führerschein-Statistik: Mit Vorsicht zu genießen

Zweifel sind angebracht, denn die KBA-Zahlen nennen nur die Fakten, enthalten keine demografische Einordnung. Mobilitätsforscher haben zum Beispiel schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass die Automatik „Abitur, Führerschein, eigenes Auto“ bei jungen Leuten nicht mehr funktioniert. Die Fahrerlaubnis wird zum Teil später erworben, so dass die Gesamtzahl der unter Zwanzigjährigen keine verlässliche Bezugsgröße mehr ist.
Das Aufkommen der Fahrprüfungs-Absolventen kann auch sinken, wenn die Gesamtzahl derjenigen zurückgeht, die durch ihr Lebensalter überhaupt die Voraussetzungen für das Ablegen der Prüfung erreichen. Laut Statistischem Bundesamt gab es am 31. Dezember 2012 in Deutschland 803 455 Menschen, die 18 oder 19 Jahre alt waren. Zum Stichtag des Vorjahres waren es aber noch 832 092 junge Frauen und Männer in diesem Alter. Der Rückgang in der „führerscheinfähigen“ Altersgruppe lag also bei 3,5 Prozent. Relativ zur Bevölkerungsstatistik hätten demnach sogar mehr Absolventen als im Vorjahr die Prüfungen zur Fahrerlaubnis abgelegt.
So einfach ist es aber leider nicht, denn diejenigen, die erst mit 20, 30 oder 35 Jahren einen Anlass sehen, den „Lappen“ zu erwerben, sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Zu den größten Verlierern (neben Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern) gehört in der KBA-Statistik das Saarland. Dort wurden 5,7 Prozent weniger theoretische und drei Prozent weniger praktische Prüfungen gezählt. Mangelndes Interesse am Autofahren ist daraus nicht abzuleiten, denn seit dem Jahr 2000 sinkt die Bevölkerungszahl im kleinsten deutschen Flächenland. Nach 1,03 Millionen Einwohnern in 2009 ist die Anzahl der Saarländer und Saarländerinnen inzwischen auf unter eine Million gefallen.
Die These, junge Leute interessierten sich nicht mehr für Autofahren und das „Statussymbol Auto“ habe deshalb ausgedient, ist also mit Vorsicht zu genießen. Niemand wird bestreiten, dass Facebook das zentrale Kommunikations-Medium junger Leute ist. Nach Feststellungen der „Automobilwoche“ wird dort kein anderes Produkt so intensiv diskutiert, gepostet und geliked wie das Auto. Und natürlich haben Marken dort „Freunde“. Spitzenreiter unter den deutschen Premium-Marken war zuletzt Audi mit 18 Millionen Fans, BMW brachte es auf 14 und Mercedes-Benz auf elf Millionen. 
Autos mögen kostet bekanntlich nichts, Auto fahren schon. Wenn jüngere Leute auf Distanz zum eigenen fahrbaren Untersatz gehen, dann wohl eher aus pekuniären Gründen. Laut ADAC belastet der Erwerb eines Führerscheins mit durchschnittlich 1700 Euro die schmale Kasse, die Versicherung kann einen Fahranfänger bis zu 2000 Euro jährlich kosten. Mit Bafög oder einer Praktikumsstelle ist das kaum zu finanzieren.
In einer aktuellen Studie zur Zukunft des Automobils hat das Internet-Portal Autoscout24.de eine repräsentative Umfrage in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich und Spanien durchführen lassen. Die Teilnehmer – Autofahrer und Nicht-Autofahrer – wurden nach ihren Erwartungen an die Autos der nächsten und übernächsten Generation befragt. Während die Aspekte von Sicherheit, Komfort und Kosten den erwartet hohen Stellenwert einnahmen, zeigte sich bei der Bedeutung des Autos als Statussymbol eine überraschende Tendenz. Die symbolische Funktion des Autos als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und des Lebensstils erreichte von allen Bewertungskomplexen die höchste Zuwachsrate mit einem Schwerpunkt bei jüngeren Teilnehmern der Studie.
Für eine anhaltende Attraktivität des Selber-Fahrens bei jungen Leuten spricht darüber hinaus die seit Anfang 2011 geltende Regelung über das Begleitete Fahren. Nach einem Modellversuch in Niedersachsen wurde das Straßenverkehrsgesetz so geändert, dass 17-jährige Fahranfänger in Begleitung eines erwachsenen Führerscheininhabers ein Fahrzeug führen dürfen. Bei den Jugendlichen erfreut sich diese Möglichkeit steigender Beliebtheit. Der brandenburgische Verkehrsminister Jörg Vogelsänger ließ zum Beispiel jüngst vermelden, noch vor Jahresende dem 50.000. Bewerber die Bescheinigung für das begleitete Fahren mit 17 persönlich aushändigen zu wollen.
Für eine willkommene Differenzierung des Thema sorgte im September das „Zeit“-Magazin: „Das Auto ist zwar nicht mehr für jeden ein Statussymbol, aber nach wie vor ein Statement – und sei es ein Anti-Statement“, befanden die Autoren dort. „Wer sich einen Skoda vor die Tür stellt, trifft eine andere Aussage als jemand, der sich für einen Mercedes entscheidet“.

ampnet/afb

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