Zusammen mit einem ebenso unbedarften Gast betrete ich das „Hamam“ meines Hotels in Fethiye an der Ägäischen Küste. Wie Haremswächter bewachen zwei bärtige Männer eine hölzerne Tür. Nach Entrichten eines Obolus entkleiden wir uns und staksen, ein rot-weißes Leinentuch um die Hüften geschlungen, auf klobigen Holzklappern einem Bärtigen hinterher. Die geheimnisvolle Tür gibt den Blick frei auf ein schummeriges, wohl temperiertes Marmorrund. Von den Wänden leuchten kräftig blaue Kachelornamente. Ein achteckiger, etwa einen halben Meter hoher Marmortisch beherrscht den Raum mit der weiß gekalkten Kuppel. Wortlos führt uns der Bärtige in eine der Nischen an der Wand, drückt uns auf die Steinstufe nieder, öffnet die beiden Hähne über dem Wasserbecken, reicht uns einen nach Gefängnis aussehenden Blechnapf – und lässt uns allein.
Bald fließt es schweißnass aus meinem Haar, und ich fühle eine schläfrige Mattigkeit. Doch schon eilt der Bärtige herbei, nun ebenfalls in Linnen gegürtet, streift sich einen fingerlosen Handschuh über, zurrt ihn wie ein Boxer fest und führt ihn geschwind über meine Gliedmaßen, über Bauch, Rücken und Schultern, bis jedes Stück Haut das Kamelleder des Handschuhs gespürt hat. Mein Leintuch hat der Herrscher über das Hamam so drapiert, dass es gerade eben die kleine Blöße bedeckt.
Nun beginnt das Ritual der türkischen Massage. Aus einer Wanne Seifenlauge zieht der Meister einen Leinensack, bläst hinein, dass er sich aufbläht, und schwenkt ihn über meinem Körper, bis dieser vom heraus tretenden Schaum eingehüllt ist. Sodann legt der Kerl los. Von den Fußsohlen bis zu den Haarwurzeln massieren seine Hände den Schaum in die Haut – oder kneten sie statt mit Öl mit Hilfe von Seife die Muskeln?
Geschickt kreist seine Hand auf meinem Bauch – ihm gönnt er besondere Muße – und lässt nicht einen Finger und auch keinen Zeh aus. Sogar Kopfhaut und Gesicht werden so lange traktiert, bis dem dürren Mann selbst die Tropfen vom Gesicht perlen. Der „Bauchtisch“, wie der Marmorquader wörtlich heißt, wird zur Rutschpartie. Nur mit dem Finger im Bauchnabel, lässt der Meister seine Seifenkunden kreisen. Welche Gaudi. Dann jedoch hilft er beim Absteigen, platziert mich neben das Wasserbecken und überschüttet mich so schnell mit der Hamamtasse, dass ich nach Luft ringe und beinahe Wasser schlucke. An diesem kostbaren Nass mangelt es in der Türkei offensichtlich nicht.
Ein trockenes Leintuch ersetzt das nasse, eins aus Frottee wickelt er mir liebevoll um die Schultern. So ruhe ich eine gute Weile auf der Steinstufe, benetze mir dann und wann die Beine, bis der Meister befindet, für heute soll`s genügen. Im Vorraum schlingt er uns dekorativ ein Handtuch um den Kopf, damit wir uns nicht verkühlen, und scheucht uns in den Umkleideraum.
Den Muslimen bedeutet das wöchentliche Hamam Reinigung für das Gebet und – den Beischlaf. Und mir? Die Antwort gibt mir am nächsten Tag mein Muskelkater in allen Gliedern und – nie gekannt zuvor – im Bauch.
Info: Hotels mit Hamam gibt es nicht nur in der Türkei, sondern in allen islamischen Ländern, lange schon auch in Deutschland, oft aber nicht original. Je mehr Sterne die Unterkunft, desto edler das Hamam. Die öffentlichen Hamams sind nach Geschlechtern getrennt und sehr preiswert.