Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wer auch immer die Rede „75. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse“ des Bundespräsidenten geschrieben haben mag, Frank-Walter Steinmeier hat sie tapfer abgelesen. So war es zu erwarten, und man hätte den Fernseher auch gar nicht einschalten müssen. Was jedoch von seinen eigenen Gedanken dabei herausgekommen ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat er auch gar keine gehabt. Auf alle Fälle war es keine mutige Rede, denn die politische Korrektheit hat inzwischen auch die Geschichtsschreibung erreicht.
Am Richtertisch in Nürnberg saß nämlich mit der UdSSR eine Siegermacht, deren Verbrechen vor dem Zweiten Weltkrieg, in diesem und noch danach denen der Verurteilten mindestens gleich waren. Darüber hat der Bundespräsident kein Wort verloren. „Der Hauptkriegsverbrecherprozeß in Nürnberg war eine Revolution. Er schrieb nicht nur Rechtsgeschichte, er schrieb Weltgeschichte“, so Steinmeier. Das sind gewaltige Worte, die jedoch nur zu „Schall und Rauch“ wurden, denn „Nürnberg“ sollte in Zukunft und bis heute tatsächlich nur bei den kleinen Nationen angewandt werden.
Daß selbst den Amerikanern dabei nicht wohl war, belegt John F. Kennedy in seinem Buch „Profiles in Courage“ (S. 215-219), wo er im Sinne des Senators aus Ohio Robert A. Taft, diese Prozesse als einen Schandfleck in der amerikanischen Verfassungsgeschichte und als eine gefährliche Abkehr vom angelsächsischen Erbe fairer und gleicher Behandlung spricht. Aber wie dem auch sei, Steinmeiers „Revolution“ und „Weltgeschichte“ ist beklagenswerter Weise ausgeblieben, als die USA auf Befehl von Präsident George W. Bush 2003 in den Irak mit einer Begründung einfielen, die selbst ihr Außenminister Colin Powell als Lüge eingestand.
Die Folgen sind bekannt. Der Nahe Osten in Flammen; die dortigen Christenheit fast erloschen. Das kam in der Rede des Bundespräsidenten nicht vor.