70er-Jahre-Terrorismus auf der Berlinale – Polit-Thriller „7 Tage in Entebbe“ von José Padilha überzeugt als vielschichtiges Werk über Terrorismus und schreddert manche Mythen

"7 Tage in Entebbe" von José Padilha und mit Rosamund Pike und Daniel Brühl.
"7 Days in Entebbe" (Deutsch: "7 Tage in Entebbe") von Regisseur José Padilha und mit den Schauspielern Rosamund Pike und Daniel Brühl. © Liam Daniel

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Es gibt Filme die bleiben in Erinnerung, weil sie prägnante Szenen und Momente aufweisen und weil sie am Ende als Ganzes überzeugen können und nebenbei noch manche Mythen schreddern. Der außer Konkurrenz laufende Polit-Thriller „7 Tage in Entebbe“ von José Padilha könnte ein solcher sein.

Der brasilianische Regisseur José Padilha, der 2008 mit seinem Film „Tropa de Elite“ den Goldenen Bären gewinnen konnte, legt hier und heute einen Film vor, der sich klar als politischer Geschichtsthriller charakterisieren lässt. Dabei geht es um die historische Darstellung der Entführung des Air France Flugzeuges vom 27. Juni bis 3. Juli 1976 durch palästinensische Terroristen und zwei Mitglieder der RAF. Im Laufe der Operation und Entführung landete die Maschine in Uganda, wo die Terroristen Unterstützung von Seiten des dortigen Diktators Idi Amin erhielten. Allerdings wurde die Geiselnahme schließlich von einem israelischen Spezialkomando beendet.

Der Film versteht es ein vielschichtiges Bild dieser Ereignisse zu vermitteln. Hier wird sowohl die Seite der Geiseln, der Terroristen sowie des israelischen Kabinetts beleuchtet. Der Film verteufelt nicht, malt kein schwarzweiß Bild von gut und böse. Alle Seiten werden gleichermaßen in dieser Ausnahmesituation portraitiert, mit ihren Ängsten, Zweifel und Weltanschauungen. Hier gibt es weder die guten oder schlechten Palästinenser, Israelis oder RAF Terroristen, sondern Menschen die diese extreme Ausnahmesituation überwinden wollen ohne ihre Ziele aus den Augen zu verlieren. Er wirft insofern einen neuen Blick auf den Terrorismus der 70er Jahre, da er beide Seiten verstehen will. Weißt er hier doch ein Verständnis und eine Vielseitigkeit auf die Bernd Eichingers Baader-Meinhof Komplex komplett gefehlt hat, der die RAF Jahre recht oberflächlich und actionreich dargestellt hat. Er steht Steven Spielbergs Munich näher, der eine Sicht auf den 70er Jahre Terrorismus wirft ohne die Palastineser zu verteufeln und zudem eine tolerante wie künstlerisch eigenständige Sicht vermittelt. Zu den zentralen Figuren in 7 Days in Entebbe gehören die beiden Deutschen Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann dargestellt von Daniel Brühl und Rosamund Pike sowie der Bordingenieur der Air France Maschine Jacques Lemoine (Denis Menochet) der die Seite der Geiseln im Film vertritt. Dem gegenüber steht das israelische Kabinett mit Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi) und Shimon Peres (Eddie Marsan), die um die Befreiung der israelischen Geiseln bestrebt sind, ohne politisch das Gesicht zu verlieren. Diese dramatische Gegenüberstellung macht einen Grossteil der Spannung im Film aus. Der Film ist hier um historische Authentizität bemüht, schafft es aber zugleich uns seine Protagonisten und ihre Persönlichkeiten nahzubringen. Wenn Wilfried Böse mit dem Bordingenieur Jacques Lemoine über Freiheit und den Sinn des Terrorismus diskutiert und dieser ihm, währende er die Abflussleitung des Flughafens repariert, klar zu machen versucht, das eben fließend Wasser und eine funktionierende Toilette Freiheit darstellen und ein Klempner so gut sei wie 10 Terroristen und ein Ingenieur eben 50 Terroristen aufwerte. Oder wenn Daniel Brühl mit einem palästinensischen Terroristen aneinandergerät und dieser ihn fragt warum er das den eigentlich tue, wird hier der gravierende Unterschied zwischen palästinensischem und deutschem Terrorismus aufgezeigt. Unabdingbarer Kampf gegen die israelische Unterdrückung und ein Leben in Frieden gegen deutschen Idealismus. Wird Wilfried Böse doch zu Bedenken gegeben, dass er in Deutschland eigentlich ein sorgenfreies Leben führen könne und viele gern mit ihm tauschen würden. Eben weil der Film nicht wie der Baader-Meinhof Komplex ein ganzes Jahrzehnt fetzenförmig abdecken will, sondern sich auf einen kleinen Ausschnitt konzentriert ist er umso wirksamer und einfühlsamer. Ebenso Rosamund Pike, die als Brigitte Kuhlmann, das jähe Ende ahnend, mit ihrem Liebsten daheim telefoniert. Sie spricht davon das sie gern bei ihm wäre, keine Angst hat und warum sie all das tut und das es das wert sei, um dann schließlich von einem Flughafenmitarbeiter darauf hingewiesen zu werden, dass das Telefon kaputt sei und sie doch die Fernsprecher auf der gegenüberliegenden Seite nutzen solle. Sie hält inne, spricht weiter und sagt dann auf Wiedersehen. Zu Ende bringen, was zu Ende gebracht werden muss, wie die Flugzeugentführung, auch wenn es wie das Gespräch am kaputten Telefon von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Das bringt uns jenen RAF Terroristen durch kleine betonte Moment näher als manch anderer Film. Genauso die israelische Seite, als Yitzhak Rabin am Ende erleichtert über die geglückte Befreiungsaktion ist, aber doch weiß das der Weg zu einer Vereinigung und zu Verhandlungen mit den Palästinensern vorerst in weiter Ferne rückt und betont gegenüber Shimon Peres die Wichtigkeit zu Verhandlungen als einzigen Weg aus dem Konflikt.

So historisch genau der Film versucht die Ereignisse von damals nachzustellen, so sehr nimmt er sich dann am Ende doch die Freiheit dieses Geiseldrama bedeutungsvoll zu untermauern. Der finale Showdown kann auch hier mit ungewöhnlichem aufwarten. Wird hier die Geiselbefreiung mit eine Tanzchoreografie als Parallelmontage gegenübergestellt. Und dieser Wechsel von Tanztheater und Action ist ungewöhnlich und mag begeistern oder wegen seiner klar metaphorischen Bedeutung auch auf Ablehnung stoßen. Herausheben tut es den Film allemal. 7 Days in Entebbe gehört zu den Filmen, die um ein detaillierteres und klareres Bild des Terrorismus der 70 Jahre bestrebt sind. Er ist deswegen sowohl bei der Berlinale wie zu den Filmen dieser Thematik einer der sehenswertesten.

Filmografische Angaben

Originaltitel: 7 Days in Entebbe
Deutscher Titel: 7 Tage in Entebbe
Land: USA, Großbritannien
Jahr: 2018
Regie: Jose Padilha
Buch: Gregory Burke
Montage: Daniel Rezende
Musik: Rodrigo Amarante
Kostüme: Bina Daigeler
Maske: Denise Kum
Darsteller: Rosamund Pike (Brigitte Kuhlmann), Daniel Brühl (Wilfried Böse), Eddie Marsan (Shimon Peres), Lior Ashkenazi (Yitzhak Rabin), Denis Menochet (Jacques Lemoine), Ben Schnetzer (Zeev Hirsch), Angel Bonanni (Yoni Netanyahu), Juan Pablo Raba (Juan Pablo), Nonso Anozie (Idi Amin)
Produzenten: Tim Bevan, Eric Fellner, Kate Solomon, Michelle Wright, Ron Halpern
Ausführende Produzenten: Jeff Skoll, Jonathan King, Olivier Courson, Jean-Claude Darmon, Angela Morrison, Liza Chasin, Jo Burn
Dauer: 107 Minuten, Farbe

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