40. Berlin-Marathon: Der Zweitschnellste nun das Maß aller Dinge – Wilson Kipsang siegt mit Weltrekord

Olympiadritter im Vorjahr in London und Hotelbesitzer im Hochland um Iten, markierte die neue Gipfelmarke mit 2:03:23 Stunden. Womit er von der Position des Zweitbesten (bislang 2:03:42) ganz nach vorn kletterte. Und ihm allein an offiziellen Prämien – Sieg, Zeitbonus, Weltrekord – 120 000 Euro eintrug. Dazu kam ein Antrittssalär nur knapp darunter!

Wobei im geschätzten Etat des Laufspektakels von etwa 5 Millionen Euro die Personalkosten maßgeblich zu Buche schlagen. Für Eliterenner wie für deren Edelhelfer. Das sind die sogennannten Tempomacher (pacemaker). Rund 20 davon hat allein Renndirektor Mark Milde engagiert. Dazu kommen individuell gebongte Tempo-Bodyguards. Die sollen die Stars oder ihre Auftraggeber vor zu nahe anrückende Konkurrenten oder Gegenwind schützen. Und vor allem die abgesprochenen Zwischenzeiten liefern. Bis 20 oder 30 km oder etwas weiter.

Mildes Helfer waren auf vier Interessengruppen aufgeteilt. Jene für die Spitze der Männer mit dem Weltrekord im Visier. Dann das Quartett mit deutschen Spitzenläufern um Andre Pollmächer und Falk Cierpinski. Ziel: Eine Zeit um die 2:13 Stunden. Dann die Schutzgardisten für die Besten im Feld der Frauen mit Fokus auf ein Ergebnis um 2:20. Sowie das Umfeld für die nationale Rekordläuferin Irina Mikitenko, die als 41-Jährige den Master-Weltrekord für die Altersklasse über 40 von 2:25:43 knacken wollte.

Allesamt haben ihren Job – unterstützt durch fast ideale Wetterbedingungen (am Ende störender Wind), die flache Strecke und emphatische  Begeisterung der Zuschauer – sehr gut gemacht. Der selbstbewusste Kipsang forcierte bei etwa Kilometer 35 die Geschwindigkeit. Setzte sich, da zuvor nur noch ein Tempomacher dabei war und man anders als zu Beginn zwei bis drei Sekunden hinter dem Rekord zurücklag, ab. Verschärfte die Schrittfrequenz und blieb letztlich 15 Sekunden unter der Rekordmarke! Und verwies seine Landsleute Eliud Kipchoge (2:04:05) und Geoffrey Kipsang (2:06:26) auf die Plätze.

"Ein Traum ist wahr geworden", erklärte der Sieger danach. "Als Paul Tergat hier vor zehn Jahren den Rekord brach, keimte bei mir am Fernseher der Wunsch, ihm es einen Tages gleich zu tun…meine Taktik ist aufgegangen, das Tempo zu verschärfen. Das war nötig, als die Helfer nicht mehr mitliefen und ich die Zeit bei 40 km sah. Da wusste ich, jetzt musst du Gas geben, wenn du den Rekord haben willst. Ja, ich liebe die Stadt, die Strecke, die tolle Atmosphäre."

Trotz aller nach dem Attentat von Boston im Ap setzenril verschärften Sicherheitsvorkehrungen konnte sich ein Flitzer aus der Zuschauermenge lösen und vor Kipsang setzen. Ordnungskräfte ergriffen ihn und führten ihn der Polizei zu. Er war mit der Startnummer einer Teilnehmerin in den überwachten Bereich vorgedrungenen und muss nun mit einer Anzeige rechnen. Den Sieger Kipsang, der so manches von Straßenrennen gewöhnt ist, hat dieser Vorfall nicht irritiert: "Ich dachte, das wäre jemand von der Organisation."

Hochzufrieden präsentierte sich auch der beste Deutsche Andre Pollmächer. Er durchquerte die Zeitmessung als 14. und verbuchte nach 2:13:05 eine persönliche Bestzeit sowie die EM-Qualifikation. Nach Gesundheits -und Verletzungsproblemen und Wechsel von Potsdam nach Chemnitz und nun Düsseldorf will er seine unterbrochene Karriere als deutscher Hoffnungsträger nach diesem Erfolgserlebnis fortsetzen.

Falk Cierpinski aus Spergau lief als 18. und 2:14:50 dicht an seine persönliche Bestmarke heran.

Das war  bei der Frankfurterin Irina Mikitenko nicht ganz der Fall. Ihre nationale Bestzeit von 2:19:19 (2008 Berlin) stand auch nicht zur Debatte. Doch mit 2:24:54 brachte sie internationale Bestzeit für über 40-Jährige eindrucksvoll in ihren Besitz. Sie freue sich, "aber wenn der Wind nicht gewesen wäre, kann ich noch schneller laufen." Natürlich war die zweifache Mutter dennoch deutlich die beste deutsche Starterin. Und immerhin Dritte im Feld der Frauen.

Was andererseits verdeutlichte, dass hier die Gegnerschaft nicht so hochkarätig besetzt war. Florence Kiplagat aus Kenia vermochte nicht, den Bemühungen der Tempohelfer ein Sahnehäubchen aufzusetzen. Schaffte aber mit 2:21:13 nach 2011 ihren zweiten Erfolg auf dem Kurs mit Start und Ziel am Brandenburger Tor.

Einen Rekord besonderer Art vollbrachte Heinz Frei. Der 55-jährige Schweizer gewann zum 20. Male seit 1985 den Wettbwerb der Rollstuhlfahrer.

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