Stadt im Fächerformat – Karlsruhe als Zentrum der Kreativität

Karlsruhe.
Collage zur Revolutions-Ausstellung. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Als einstige „Schöpfung aus dem Nichts“ versprüht die Stadt noch heute ihre schöpferischen Impulse.

Karlsruhe.
Containerwerkstätten im alten Schlachthof. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Der Charme eines städtischen Schlachthofs bewegt sich in der öffentlichen Wertschätzung zumeist gegen null. Trotz der vielen Kilos, die er täglich auf die Waage bringt, fehlt es ihm doch häufig an Pfunden, mit denen er nach außen hin wuchern könnte. Am wenigsten passt seine Existenz zum Weltbild von Vegetariern und Veganern. Doch auch Befürworter des Fleischgenusses gehen häufig auf Distanz. Denn wer möchte sich schon mit konkreten Vorstellungen die unmittelbare Freude an einer saftigen Schweinshaxe oder einem schmackhaften Saumagen verderben lassen?

Der alte Schlachthof von Karlsruhe machte dabei keine Ausnahme. War es doch vor allem seine zentrale Lage, die stets gemischte Gefühle hervorrief. So war es auch nicht verwunderlich, dass die Nachricht von seiner geplanten Stilllegung schnell in klammheimliche Freude umschlug. „Doch was tun?“ fragten sich die Verantwortlichen. Nichts sprach offenbar dagegen, den ganzen Komplex abzureißen und in großem Stil Sinnvolleres zu errichten.

Virus der Kreativität

Karlsruhe.
Software-Hersteller im Schlachthof-Containe. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Doch dann schwappte die Woge der Phantasie wie ein Tsunami über den umstrittenen Geländekomplex. So jedenfalls erinnert sich Kreativwirtschaftler Dirk Metzger als ein Mann der ersten Stunde. Warum nicht das ganze Areal umgestalten zu einem riesigen Zentrum für Kunst- und Kreativität? Dieser Gedanke zündete und faszinierte die Öffentlichkeit. Der Bann war gebrochen und die Planung konnte beginnen. Eine riesige Installation aus bunten Containern machte im Schutz einer großen Halle den Anfang. Und schon bald füllten sich die bescheidenen Schlupflöcher mit Kleinunternehmern der unterschiedlichsten Art, die sich von hier aus einen erfolgreichen Start in ihre berufliche Zukunft erhofften.

Und in der Tat griff der Virus der Kreativität schnell über auf die anderen Gebäude. Denn auch hier ließen sich im Handumdrehen Computerfreaks und Kostümschneider, Kunstmaler und Schmuckdesigner nieder. Agatha ist eine von ihnen. Ihr als Goldschmiedin bei der Arbeit zuzuschauen, ist ein ästhetisches Vergnügen. Wer käme dabei schon auf die Idee, dass ihre neue Wirkungsstätte ausgerechnet dort liegt, wo in früheren Zeiten die Schlachttiere in langer Reihe an Fleischerhaken zum Ausbluten herabhingen?

Phantasie eines Stadtgründers

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Schlossplatz mit Schlossfassade. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Der Urknall für kreative Stadtentwicklung liegt allerdings schon dreihundert Jahre zurück und wird dem Markgrafen Karl Wilhelm zugeschrieben. Diesem war sein Herrschaftssitz im beschaulichen Durlach zu eng und provinziell geworden. Und vor allem entsprach er nicht mehr dem Repräsentationsbedürfnis jener Zeit. So entschloss er sich in unmittelbarer Nähe von Durlach zum Neubau eines Schlosses, das zur Keimzelle eines neuen „Karlsruhe“ (!) werden sollte.

Schnell und unbürokratisch wurde das Großbauprojekt umgesetzt, wobei der hohe Schlossturm bis heute eine ganz besondere Rolle spielt. Denn von hier aus lassen sich nicht nur die weitläufigen Park- und Gartenanlagen bewundern. Der Blick in die Tiefe verdeutlicht zudem die originelle Anlage der Stadt, deren Straßen fächerförmig um den barocken Aussichtspunkt herum verlaufen. Ein Grundriss, der damals weltweit einmalig war und später, welche Ehre, von Washington D.C. imitiert wurde.

Recht und Revolution

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Fahnen zur Revolutions-Ausstellung. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Zweihundert Jahre lang sollte das Schloss den Markgrafen, Kurfürsten und Großherzögen von Baden als Wohn- und Regierungssitz dienen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte es in dieser Funktion ausgedient und erhielt den Rang eines Badischen Landesmuseums. Als solches glänzt es seit nunmehr hundert Jahren mit hochkarätigen Ausstellungen. Eine von Ihnen ist der Kultur der Etrusker gewidmet. Sie enthält unglaublich wertvolle Exponate, die, wie Chefkuratorin Dr. Katarina Horst beteuert, nur mit großem Aufwand hierher gelangt sind.

Auch zur Geschichte der Revolution leistet das Badische Landesmuseum einen weit gefächerten Beitrag. Dabei überraschen die Veranstalter mit einem ungewöhnlichen Test. Dieser führt jedem Besucher der Ausstellung vor Augen, wieviel revolutionäres Potenzial im Extremfall in ihm persönlich steckt. Damit selbst Alt-68er dabei nicht zu kreativ werden, mahnt in Sichtweite das Bundesverfassungsgericht. Dieses könnte im Bedarfsfall natürlich schnell klären, wodurch in der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ des Rechtsstaates die Grenzen des Widerstandsrechts vorgezeichnet sind. Ist es da nicht immer wieder beruhigend, dass im Zweifelsfall „Karlsruhe“ zu einem klärenden Urteilsspruch gelangt?

Lustige Nibelungen

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Pferdeplastik vor dem Staatstheater. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Hochkarätig wie das Badische Landesmuseum ist auch das Badische Staatstheater. Allein die originelle Pferdeskulptur am Eingang lässt erahnen, auf welches Maß an Originalität man sich hier einlässt. „Der Ring des Nibelungen“: Jeder an seiner Entstehung Beteiligte weiß, dass Bayreuth nicht weit entfernt liegt und dass beckmesserisch veranlagte „perfekte Wagnerianer“ kreative Höchstleistungen erwarten. Da bedarf es natürlich des nötigen Ernstes, um die der Edda entlehnten Geschehnisse um Walhall angemessen darzustellen.

Doch wie wäre es einmal mit den „Lustigen Nibelungen“? Bei denen werden zwar nicht die Götter, wohl aber die Helden des Nibelungenliedes augenzwinkernd durch den Kakao gezogen. Da bleibt kein Auge trocken, wenn Gunther und Hagen, Siegfried, Brunhild sowie die Rächerin Kriemhild von ihrer menschlich-allzu menschlichen Seite vorgeführt werden. Politische Korrektheit? Ach was, das wirkliche Leben ist doch viel bunter!

Digitaler Wandel

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Lichthof des ZKM-Museums. © 2018, Foto: Dr. Bernd Kregel

Ernst wird es erst wieder im „Zentrum für Kunst und Medien“, dem heute bereits legendären ZKM. Erwachsen aus dem langen Gemäuer einer alten Munitionsfabrik, gilt es heute als einer der führenden Impulsgeber für den digitalen Wandel unserer Zeit. Damit belegt das ZKM in der Rangordnung der Museen nicht nur weltweit den vierten Rang. Zugleich hat es auch Karlsruhe hinauf katapultiert zu einer Stadt des modernen wissenschaftlichen Interesses. Denn die zahlreichen Besucher wollen sich an den Schnittstellen von Wissenschaft und Kunst, von Technologie und Gesellschaft neuen interdisziplinären Erfahrungen aussetzen.

Dabei versuchen sie für die Dauer des Besuchs, den Schleier zur Zukunft ein wenig zu lüften. Ob man es einst wohl einem programmierten Schreibgerät überlassen darf, seine eigene Kreativität zu entwickeln und intelligente Texte zu verfassen? Da versteht man sich gegenwärtig doch besser auf die teils im Breitwandformat ausgestellten Computerspiele, die in einer Sonderabteilung besonders das Interesse der jugendlichen Besucher wecken. So liegt zwischen der Gründung der Stadt aus der Retorte und den digitalen Wundern der Gegenwart nur eine relativ kurze Zeitspanne. Und doch sind es Welten, die sich hier von Karlsruhe aus auftun.

Reiseinformationen “Karlsruhe”

Anreise: Karlsruhe ist günstig erreichbar mit der Bahn über Mannheim; mit dem Auto über die A5 / A8, per Flug über die Flughäfen Frankfurt / Stuttgart.

Reisezeit: Ganzjährig. Als Reisezeit empfiehlt sich das Sommerhalbjahr für das reichhaltige Kulturangebot; der Winter ist hingegen die Zeit der Museen und Adventsmärkte.

Sehenswürdigkeiten: Stadtrundgänge der Karlsruhe Tourismus GmbH; Karlsruher Schloss und Badisches Landesmuseum; ZKM; Kreativpark Alter Schlachthof Karlsruhe; Historischer Stadtteil Durlach; Staatstheater Karlsruhe.

Karlsruhe Card: Für ÖPNV, Eintritte, Ermäßigungen: 24h: 18,50; 48 h: 22,50; 72h: 26,50 Euro

Unterkunft: Günstig ist das Hotel Berliner Hof, Douglasstraße 7, sowie das Hotel Novotel.

Essen und Trinken: Oberländer Weinstube; Kleiner Ketterer; Judy’s Pflug.

Auskunft: KTG Karlsruhe Tourismus GmbH , Yvonne Halmich, Beiertheimer Allee 11a, 76137 Karlsruhe, Telefon: 0721-3720-2303, E-Mail: yvonne.halmich@karlsruhe-tourismus.de.

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Dr. Bernd Kregel ist eine Erstveröffentlichung im WELTEXPRESS. Die Recherche wurde unterstützt von KTG Karlsruhe Tourismus GmbH.

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