Der Spiegel und der Multikulti-Kaiser

130 Jahre lang herrschten die Könige und Kaiser der Staufer – von 1138 bis 1268. Ein Mythos sind sie bis heute, allen voran die charismatischen Kaisergestalten Friedrich I. Barbarossa und sein Enkel Friedrich II., dessen Reich sich von der Ostsee bis Sizilien erstreckte. Gerade zu diesen beiden Potentaten haben wir in Deutschland eine beinahe zweihundert Jahre währende Publikationsflut zu verzeichnen. In Reportagen-Form allerdings haben wir das noch nicht gelesen! Da kurvt Fiona Ehlers mit einer Vespa durch Palermo und hält sich am blondgelockten Historiker Francesco Rizzoli fest. Er ist „großgewachsen, ein Nachfahre der Staufer vielleicht, wer weiß das schon nach all den Jahrhunderten.“ Historische Legenden werden in Nebensätzen zu Fall gebracht; für Francesco war Friedrich II. ein Herrscher, „der mehr Araber umbrachte als alle anderen: Und heute gilt er als Araber-Freund, als Multikulti-Kaiser”¦“

Die Autoren und Herausgeber haben sich mit Mediävisten getroffen oder Texte in Auftrag gegeben. Diese lockere Mischung aus Interviews, Reportagen und Essays belebt die oft knister trocken beschriebene, tatsächlich aber extrem unruhige und blutrünstige Geschichte der Staufer. Zwist mit Fürsten und Königen, Päpsten oder dem eigenen Nachwuchs, Glaubenskriege und Seuchen erschütterten das Mittelalter im Allgemeinen – und ganz besonders die Zeit der Staufer.

Zum besseren Verständnis haben die Herausgeber eine Ahnentafel in den Vorsatz platziert, hinten ist eine Karte mit den wichtigsten deutschen Staufer- Burgen angefügt. Den Text illustrieren einige Aufnahmen staufischer Burgen in Unteritalien oder altbekannte Miniaturen, insgesamt darf man keine Überraschungen in Bild und Grafik erwarten. Dafür haben wir entspannt geführte Interviews mit bemerkenswertem und kurzweiligem Inhalt. Es ist ein bisschen wie im Spiegel blättern, – ohne Werbung und Fotos.

„SPIEGEL: Sind die Kaiser immer geritten – fuhren sie nie im Karren oder ließen sich in einer Sänfte tragen?

WEINFURTER: Nein, in der Sänfte oder im Karren saßen sie nie – das hätte sie zu lächerlichen Gestalten gemacht. Die Herrscher sind entweder geritten, auch wenn sie alt waren, lieber aber fuhren sie mit dem Schiff. Die Flüsse sind die Autobahnen jener Zeit. Dort kommt man schnell und bequem voran. Man kann sich unterhalten, zusammensitzen, ein Gläschen Wein trinken, manchmal nimmt man ja auch ein paar Gelehrte mit und spricht über Geschichte oder politische Fragen”¦“

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Annette Großbongardt, Dietmar Pieper (Hg), Die Staufer und ihre Zeit, Leben im Hochmittelalter, 300 S., Deutsche Verlags Anstalt, München 2010, 19,99 €

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