Ein bewegtes Leben liegt hinter der 47-jährigen „Ursula B“. 1964 entstand sie als "Heinrich Knüppel" unter der Bau-Nummer 543 auf der Schiffswerft J.J. Sietas in Hamburg-Neuenfelde, hieß von 1971 bis 1987 "Eduard Kähler" und bis 1995 "Neuenfelde" mit Heimathafern Freiburg. Ihre Daten: 1011 BRZ, 1185 tdw, 66,20 Meter Länge, 10,57 Meter Breite, 3,96 Meter Tiefgang, 2 Luken, 1 Klöckner-Humboldt-Deutz-Diesel von 368 kW für 11 Knoten Geschwindigkeit (der Autor dieses Beitrages begann übrigens seine seemännische Laufbahn 1965 auf dem Schwesterschiff „Heino“ der Reederei Gebr. Winter).
Wende zur schwimmenden Bühne
1995 wechselte sie als "Ursula B" zur Reederei Robert & Ursula Busse in Buschenhagen bei Stralsund. Sie lag mehrfach auf, diente als „Jugendschiff“ für schwer erziehbare junge Männer, um die sich Reedersfrau Ursula Busse selbst kümmerte. Schließlich erhielt der Frachter keine Klasse mehr. Doch es gab eine Wende für ihn.
2003 wurde der Küstenfrachter an das Theater Vorpommern verchartert und lag seitdem als schwimmende Bühne für die Ostseefestspiele an der historischen Ballastkiste.
Mit jährlich mehr als 28.000 Besuchern hatten sich die Ostseefestspiele zu einem der wichtigsten kulturellen Ereignisse in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt, das Einheimische und Touristen gleichermaßen begeisterte.
Einmalige Umgebung
Stralsund ist mit seiner Lage in der Urlaubsregion Mecklenburg-Vorpommern und unmittelbarer Nähe zu den Ostseeinseln Rügen und Fischland/Darß geradezu prädestiniert für Open-Air-Sommertheater. So lag es seinerzeit nahe, die traditionelle Sommerbespielung des Theaters Vorpommern im großen Stil fortzusetzen und mit Freiluft-Aufführungen gezielt auf ein touristisches Publikum zuzugehen.
Fünf Jahre spielte das Theater Vorpommern auf der Seebühne im Stralsunder Hafen. Das Theaterschiff lag bis zum 31.10.2010 in unmittelbarer Nähe zum Großsegler „Gorch Fock“ (I), zur Marina, zur Altstadt, den historischen Speicheranlagen und bot eine einmalige Umgebung mit Blick auf den Sund nach Rügen und sogar bis nach Hiddensee.
Vorbereitungsarbeiten
Jede Saison musste die betagte Schiffsdame auf ihren ungewöhnlichen Auftritt erst einmal gründlich vorbereitet werden. Mit 1.200 Tonnen Ballast, davon 400 Tonnen Wasser und 800 Tonnen Kies, wurde sie zunächst ein gutes Stück abgesenkt. Zusätzlich erhob sich die Tribüne, die 1.250 Zuschauern Platz bot, bis zu vier Meter über das Niveau des Kais, um den Blickwinkel der Zuschauer auf die Bühne den Verhältnissen in einem Theater anzugleichen.
Nach diesen grundsätzlichen Vorbereitungsarbeiten wurde auf der „Ursula B.“ ein planer Bühnenboden geschaffen, der mit 440 Quadratmetern eine dreifach größere Spielfläche bot als beispielsweise die Bühne des Stralsunder Theaters. Zwei Treppen führten hinab ins Schiffsinnere, das die Künstlergarderoben, die Maske und die Aufenthaltsräume beherbergte. Der Orchestergraben war auf einer Pontonfläche von ca. 120 Quadratmetern zwischen Kai und Schiff untergebracht. Von den Musikern hatte der Dirigent als einziger festen Boden unter den Füßen.
Zu lange Liegezeit
Nach immer wieder auftretenden Wetter- und Finanzproblemen entschied der Intendant, die Sommerspiele wieder ins frisch restaurierte Theaterhaus am Olof-Palme-Platz zu verlegen. Damit war das Schicksal der „Ursula B“ besiegelt. Das lange Liegen bekam ihr nicht, so dass eine Wiederinfahrtsetzung zu teuer geworden wäre.
Schließlich erwarb der Falkenseeer Schrotthändler Bohnsack das Kümo, um es in einem Rostocker Metallbetrieb abwracken zu lassen.
Mit der Öffnung der Ziegelgrabenbrücke am 31.10. um 12.20 Uhr steuerte der Schleppverband in die Ostansteuerung des Strelasunds. Aufkommender Nebel verbot jedoch eine Weiterfahrt, so dass am Südhafen vorläufig wieder festgemacht werden musste. Bei besserer Sicht (ab 2000 Meter) wurde die rund 14-stündigen Reise zum Rostocker Fischereihafen fortgesetzt, wo der Schneidbrenner bereits wartete.
Im Stralsunder Hafen war die „Ursula B“ mittlerweile zum maritimen Denkmal avanciert wie das seit 2003 gegenüber an der Südpier der Ballastkiste liegende Segelschulschiff „Gorch Fock“ (I).