Dabei beginnt es leichtfüßig, wenn Peggy Langhans ihre Hauptperson, die erfolgreiche französische Schriftstellerin Barbara Benoit träumend und plaudernd nach Berlin zu einer Buchlesung begleitet. Doch schon nach wenigen Seiten, in denen die Geschichte den Leser nett und einladend empfängt, so wie man einem Gast einen Kaffee serviert, starrt man mit der Tasse in der erhobenen Hand auf die Zeilen. Denn es wird spannend, wenn die routinierte Schriftstellerin beim Holocaustmahnmal die 30 Jahre jüngere Historikerin und Stadtführerin Annika trifft, die ihr in ihrer unkonventionellen und kritischen Art ein Bild spiegelt, dass sie fasziniert und zugleich abstößt. Die Neugier, hinter diese Faszination zu schauen ist in Barbara Benoit wachgerüttelt und ihr bisheriges, erstarrtes Leben wird in Frage stellt. Sie wird entgegen ihrer Gewohnheit länger in Berlin bleiben, als es für ihre Lesung notwendig wäre. Sie wird sich noch einmal mit Annika treffen und sie später nach Montpellier in ihr Haus einladen. Dort gewinnt die Geschichte dann an Fahrt und man kann den Kaffee nur noch schluckweise trinken, wenn die Arbeit der beiden Frauen an ihrem gemeinsamen Buch beginnt und die Wirklichkeit über Barbaras Vater, der in Frankreich als Widerstandskämpfer hingerichtet wurde, widersprüchlich hervortritt. Die Autorin spannt den Bogen von den 2711 Stelen des Holocaustmahnmals in Berlin zu den unerlösten Schicksalen der Eltern Barbaras in Südfrankreich und stellt die Fragen nach Schuld und Verantwortung völlig neu. Die Helden im Märchen müssen drei Aufgaben meistern, um ihre zu Stein verzauberten Brüder oder Geliebten d.h. ihre erstarrten Seelenanteile zu erlösen. Diese beiden Frauen, in ihren Wesenszügen auseinanderdriftend aber in der gemeinsamen Arbeit in Montpellier aufeinander zusteuernd, brechen in diesem ersten Band der Romantrilogie das Geschichtsbewusstsein auf, weil die eine und ihre junge Generation die kriegsschwere Last ihrer Vorfahren nicht mehr tragen will und die andere unter den auferlegten Schuldgefühlen zusammenbricht und ihre Identität verliert. So treiben sie in hitzigen Auseinandersetzungen die Erlösung der verhärteten Ansichten in sich selbst und zugleich die Aufarbeitung verdrängter Familiengeschichte voran. Bis hin zur großen Selbstverwerfung, die in der Erkenntnis gipfelt: „Der Stein ist der gleiche, die Einlagerungen entscheiden über die Farbe.“
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Peggy Langhans, Die Seele der Steine, 189 Seiten, Broschur, Schardt Verlag, Oldenburg Juli 2014, ISBN: 978-3-89841-754-9