Zum Katar-Boykott oder Die politische Moral der USA

Die Silhouette von Doha, der Hauptstadt Katars. Quelle: Pixabay

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Noch am Montag, den 5. Juni, erklärten Saudi-Arabien und seine Verbündeten Bahrain, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate die diplomatischen Beziehungen zu Katar als abgebrochen. Katar war nach der Abschottung durch Saudi-Arabien nicht mehr auf dem Landweg zu erreichen und US-Präsident Trump feierte den Boykott als seinen persönlichen Erfolg. Kein Wunder, hat er doch nur 10 Tage zuvor mit den Saudis einen 100-Milliarden-Rüstungsgeschäft abgeschlossen.

Doch jetzt wird’s ernst, sollte man meinen. Katarische Bürger müssen die verfeindeten Länder binnen 14 Tagen verlassen. Saudi-Arabien begründete den Schritt damit, seine „nationale Sicherheit vor den Gefahren von Terrorismus und Extremismus“ schützen zu wollen. Auch Trump stimmte in diesen Chor ein und warf Katar vor, Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat und Al-Kaida Unterschlupf zu gewähren, was ihn aber letzte Woche nicht davon abhielt, den Emiren des Terroristenstaates seine Aufwartung zu machen. Wie den Medien zu entnehmen war, wollte er vermitteln.

Wie seine Vermittlung aussieht, kann man seit gestern nachlesen: Zum Dank für den freundlichen Empfang beim Emir liefern die USA den reichen Scheichs in Katar 36 F-15-Kampfjets, so ziemlich das modernste Kriegsgerät, das man auf dem Waffenmarkt derzeit bekommen kann. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass nur ein schwerwiegender Hirnschaden den Milliardendeal zwischen den hochgerüsteten Wüstensöhnen und dem blonden Mais-Sack begünstigt haben.

Ungeachtet der schweren diplomatischen Krise am Golf haben die USA und Katar den Verkauf modernster amerikanischer Waffentechnik besiegelt. Verteidigungsminister James Mattis unterzeichnete am Mittwoch eine entsprechende Vereinbarung mit seinem katarischen Kollegen Khalid al-Attiyah. Der Wüstenstaat zahlt dafür insgesamt 12 Milliarden US-Dollar. Weshalb die Amerikaner nicht gleich die Langstreckenraketen mit Atomsprengköpfen mitliefern, um die Saudis mitsamt ihren Nachbarn auszuradieren, scheint mir angesichts fortschreitender präsidialer Hirnerweichung inkonsequent zu sein. Möglich ist aber auch, dass er von seinem Präsidentensessel aus Wetten abschließt, wer auf wen mit welchem Erfolg losgeht.

Dass sich im immer noch isolierten Katar das regionale Hauptquartier der US-Streitkräfte befindet, sei nur am Rande erwähnt. Von diesem extrem hoch aufgerüsteten Flughafen starten US-Flugzeuge zum Kampf gegen den IS, der – wir erinnern uns, von den Katari finanziert wird. Jetzt warte ich händeringend nach einem empörten Aufschrei seitens Herrn Gabriel oder wenigstens unserer Angela. Nichts…, beziehungsweise wenig und sehr leise. Wer will da noch über Kleinigkeiten wie Menschenrechte, Moral, Ethik oder gar humanitäre Werte diskutieren?

Ich will ja nicht unfair sein, denn die Emire von Katar haben dazu etwas gesagt, was Trumps Unternehmerherz hat höher springen lassen: Der Deal schaffe 60.000 Arbeitsplätze in den USA, in 42 US-Bundesstaaten und es senkt die Belastungen für das US-Militär, so Katars Verteidigungsministerium. Ah, ja…! Das ist natürlich ein Argument, dem sich der normaldenkende Bürger keinesfalls verschließen darf. Immerhin: Der saudische König Salman verlieh im Gegenzug Donald Trump für die großmütige Aufrüstungsbemühung des gegnerischen Terrorstaates den goldenen Verdienstorden für strategische Kurzsichtigkeit.

Natürlich möchte ich nicht verschweigen, dass auch unser allseits geliebter Außenminister Siggi im „Handelsblatt“ etwas dazu gesagt hat: Eine „Trumpisierung des Umgangs“ miteinander ist in einer krisengeschüttelten Region ganz besonders gefährlich.“ Wenn er mir nun auch erklärt, was er damit meinte, und ob dieser Begriff ein Kompliment oder eine wüste Beleidung ist, dann könnte endlich wieder ruhiger schlafen.

Sicher fragen sich nun viele Leser meines Artikels irritiert, weshalb sich keiner unserer Politiker aus Scham, schierer Verzweiflung und in suizidaler Absicht vom Kanzleramt in die Spree stürzt, dem kann ich zur Beruhigung mitteilen, dass die deutsche Waffen-Industrie in diesem Jahr für 1 Milliarde Dollar das Waffendepot von Katar aufgefüllt hat. Nachfolge-Geschäfte nicht ausgeschlossen. Nun ja, immerhin hört man die Verlautbarung aus dem Kanzleramt: Der Katar-Deal käme zur Unzeit. Alle Wetter…! Das hört sich nach maximaler Entrüstung an.

Mich würde jetzt brennend interessieren, ob man in den USA und Deutschland schon in Vertragsverhandlungen mit der ISIS steht, und ob auch die deutsche Regierung gedenkt, Leopardpanzer samt Munition an unsere Lieblingsterroristen zu liefern. Denn auch hierzulande sind zusätzliche Arbeitsplätze bitter nötig. Gut vorstellbar, dass die Deutsche Bank angesichts des dringend notwendigen Wirtschaftserfolgs unseren zukünftigen Mördern großzügige Kredite zum Ankauf modernster Waffentechnik anbietet. Schließlich ist das Geld gut angelegt, zumal wir überdies ein paar Millionen Flüchtlinge zusätzlich in Deutschland erwarten dürfen.

Ach ja, das Leben kann so schön sein, wenn der galoppierende Wahnsinn bunte Blüten treibt.

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Claudio Michele Mancini wurde am 15. Juni 2017 im „Scharfblick“ veröffentlicht.

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