Wohlstand durch Selektion – Serie: Kasino-Kapitalismus – Über verräterische Bemerkungen des Hans-Werner Sinn (Teil 3/5)

Eine schöne Überlegenheit! – die den Lebensstandard der Arbeiterklasse steigert durch Ausortierung der Arbeiter! Es wäre ein Wunder, wenn die Ausselektierten die Sicht des Professors teilten! Ließe man sie zu Wort kommen und nicht nur die Ideologen:

„Der Strukturwandel bringt zwar große Härten für die Betroffenen mit sich, doch fällt im Sozialstaat niemand ins Bodenlose“ (239).

Weithin bekannt ist Professor Sinn durchaus als bedenkenloser „Kritiker“ des Sozialstaates, den er manchmal selbstsicher zur gar „nicht zimperlichen“ Abwehr der frechen Ansprüche der Proleten ermuntert. Und jetzt das! Nicht einmal von den unzumutbaren Belastungen für den „Sozialstaat“ redet er jetzt, weil es darauf ankommt, die Auswirkungen des Strukturwandels auf „die Betroffenen“ zu verharmlosen. Wahrscheinlich nennt er es Ökonomie oder Wirtschaftswissenschaft, je nach Brauchbarkeit für oder gegen Sozialstaatsklimbim zu sein. Weil eine Gesellschaft, die die Sozialstaatsbetreuung überflüssig macht, sich komplett seiner Vorstellungskraft entzieht und entziehen muss, sieht er den überragenden Lebensstandard der betroffenen Lohnarbeiter ernsthaft darin – dank sozialstaatlicher Einrichtungen „nicht ins Bodenlose zu fallen“! Meine Güte! Man lese nur seine übrigen Texte, die kaum einen anderen Inhalt haben als die einfallslose Beschwerde über die maßlosen Ansprüche der Zukurzgekommenen. Und jetzt wird der Sozialstaat ausdrücklich zum zweckdienlichen Linderungsmittel für die Opfer des kapitalistischen Fortschritts, natürlich nur der Opfer in den privilegierten Distrikten des kapitalistischen Beutegebietes und nicht etwa in den Hungerzonen, die sich ja gar keine wissenschaftlich angeleitete sozialdemokratische Elendsbetreuung leisten können. Was aber veranstaltet „der Strukturwandel“ mit den Leuten dort, wo es nicht einmal ein funktionierendes Fürsorgewesen gibt? Dort werden sie dann wohl „ins Bodenlose“ fallen. Genau!

Man kann sich heutzutage darauf verlassen, dass weltweit unzählige Leute ausselektiert werden, wenn irgendwo eine nachhaltige Steigerung der Produktivkraft der Arbeit stattgefunden hat. Sinn wie die meisten anderen Glaubenswissenschaftler der ökonomischen Fakultät nennen das stolz „schöpferische Zerstörung“. Die Schöpfung ist das neue Produktionsverfahren, das den aktuell größtmöglichen Profit erlaubt – und zerstört werden dagegen alle anderen Produktionsverfahren und die darauf ruhenden Existenzen daher auch. Denn die kapitalistische Produktionsweise hat für den wirtschaftlichen Erfolg nur ein einziges gültiges Maß: den Profit. Dieses Einkommen der begünstigten Gesellschaftsklassen beherrscht als Zweck jede Regung in der gegebenen Ordnung der Dinge. Es wird zuverlässig ein Produktionsverfahren ausgeräumt, wenn der übliche Profit nicht herausspringt, mag dieses Verfahren den Produzenten selbst noch so viel Vergnügen bereiten, noch so lehrreich sein oder irgendwie sonst nützlich. Während etwa Biologen um die Bewahrung einer möglichsten Biodiversität kämpfen, nicht zuletzt im langfristigen Interesse des Menschengeschlechts, während sie eine Vorstellung davon entwickelt haben, dass unsere Bewertung des Nutzens von Blatt und Blattlaus hier eine andere sein kann als dort und morgen eine andere als heute, bejubeln die bürgerlichen Ideologen die Reduzierung der Produktionsmöglichkeiten auf eine einzige! Während Biologen und Ökologen mit guten Gründen die sowohl ethische wie auch ökonomische Verantwortungslosigkeit anprangern, die die Vernichtung von Organismen und ihrer Lebensräume bewirkt, plagt Leuten wie Sinn nicht der geringste Zweifel daran, dass eine „schöpferische Zerstörung“ von Produktionsverfahren und Produzentenexistenzen der richtige Weg zum Wohlstand der „Arbeiterklasse“ ist. Was ist das für eine Wissenschaft!?

Die Profitwirtschaft ist die terroristische Leitkultur dieser Wissenschaftler, eindimensional und schonungslos, weil der Profit der einzige Zweck der Kapitalisten ist. Kein Wunder, wenn diese Charaktere die Existenz einer Klassengesellschaft leidenschaftlich bestreiten, wann immer jemand ihnen jene Sichtweise anbietet, die den Profit als eine mystifizierte Form unbezahlter Arbeit entziffert und seine Schöpfung daher als Ausbeutung der arbeitenden Klassen. Dabei ist es ja schon deshalb nicht überraschend, wenn für Lohnarbeiter nichts Vernünftiges bei einer Steigerung der Produktivkraft ihrer Arbeit herauskommt, weil doch über diese Steigerung ihre Anwender im Auftrag der Eigentümer entscheiden, also die kapitalistischen Unternehmer im Auftrag der kapitalistischen Nutznießer. Das Ziel der Effizienzsteigerung kapitalistisch angewandter Arbeitskraft ist jedenfalls die Steigerung des Profits, die Vermehrung der unbezahlten Arbeit in Geldform und nicht eine Verminderung der Arbeitszeit für die Arbeiter. Der so genannte Strukturwandel folgt ganz von selbst aus dieser kapitalistischen Betriebsamkeit: Verdoppelt sich der Wirkungsgrad der Arbeit etwa in einer Traktorenfabrikation, dann werden bei sonst gleichen Umständen dort die Arbeitsleute nun nicht die halbe Zeit arbeiten, sondern es werden nur noch halb so viele Lohnarbeiter beschäftigt werden wie zuvor. Eine Hälfte der Beschäftigten wird ein direktes Opfer dieses Fortschritts – d.h. der „Habgier“ (10) der aneignenden Klassen, die zum Zwecke ihrer Bereicherung das neue Produktionsverfahren ja veranlasst haben, weil sie mit ihm ihre Auslagen für Löhne senken, also die Unterhaltsmittel für die Lohnarbeiter kürzen können. Die andere Hälfte ist einer verstärkten Konkurrenz ausgesetzt und muss jetzt mehr noch bangen um den ausreichenden Lohn, weil die Anwender der Arbeitskräfte nun die einen viel leichter noch gegen die anderen ausspielen können. Das effizientere Verfahren „zerstört“ das weniger effiziente offenkundig nicht, um dem Arbeiter mehr Lebensgenuss zu verschaffen, sondern dem kapitalistischen Eigentümer einen höheren Überschuss.

Anmerkung:

(10) Während wir Habgier als individuelle Charaktereigenschaft eher vernachlässigen können, ist sie als Klasseneigenschaft stabil wie die chinesische Mauer – ist sie ein sozialer Zwang! Der einzelne Bourgeois mag als Privatperson leben und leben lassen und beim Bettler weich werden wie Butter: als Klasse ist die Bourgeoisie unerbittlich infolge jener ökonomischen Zwangsverhältnisse, die sie unermüdlich verteidigt und zur Selbsterhaltung auch verteidigen muss.

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