Wo sich Orient und Okzident vermählen Istanbul, die Stadt auf zwei Kontinenten, wird 2010 Kulturhauptstadt Europas und glänzt durch Paläste, gewaltige Gotteshäuser und nicht zuletzt ihr quirliges Nachtleben

Rot schimmert der in nur sechs Jahren (532-537) errichtete Monumentalbau der Hagia Sophia. Das gewaltigste Gotteshaus der Christenheit, bis Mehmet II. es in eine Moschee umwandelte und ihm vier Minarette angliederte.

Ein mystischer Raum, die Zisterne „Yerebatan Sarnici“, die Basilika-Zisterne, in Istanbul. Obwohl als Wasserreservoir angelegt, das den Kaiserpalast mit Wasser versorgte, geben ihr die 336 korinthischen Säulen, in zwölf Reihen zu je 28 Säulen angeordnet, etwas Sakrales. Acht Meter hoch erheben sich die meist mit Akanthuskapitellen gekrönten Säulen in dem 140 Meter langen und 80 Meter breiten Raum. Über erhöhte Stege gelangt man bis zum angestrahlten Höhepunkt, der Gorgo Medusa, das Mädchen mit dem Schlangenhaar. Das Haupt der einen spiegelt sich querliegend im Wasser, der zweite Quader mit Medusas Haupt steht kopf.

Nur eine der Sensationen, die Istanbul zu bieten hat.

Gleich nebenan erhebt sich rot schimmernd der in nur sechs Jahren (532-537) unter dem oströmischen Kaiser Justinian errichtete Monumentalbau der Hagia Sophia. Das gewaltigste Gotteshaus der Christenheit, bis Sultan Mehmed II. es 1453 in eine Moschee umwandelte und ihm vier Minarette angliederte. Die christlichen Mosaiken erhielt der Kunstkenner der Nachwelt, indem er sie hinter Vorhängen und Holzverkleidung vor den Augen der mohammedanischen Gläubigen verbarg. Unter dem Staatspräsidenten Kemal Atatürk (1923-34) wurde die Hagia Sophia Museum. Beliebt bei Touristen aus aller Welt ist die Kondenswasser bildende „schwitzende Säule“. Sie erfülle Wünsche, heißt es, so man seine Hand in der kleinen Öffnung um 360 Grad drehe. Ein Blitzlichtgewitter auf sich verrenkende Personen ist ihr gewiss.

Um die christliche Hagia Sophia zu übertreffen, musste die 1616 vollendete Sultan-Ahmet-Moschee, weltbekannt als „Blaue Moschee“, sechs statt vier Minarette bekommen. Durch 260 bunt verglaste Fenster fällt das Sonnenlicht in das 51 mal 53 Meter große Kuppelrund. Trotz der vier mächtigen kannelierten Pfeiler – den sogenannten Elefantenbeinen -, trotz der blauen Fayencen, dem Gold der Koranschriftbänder und dem warmen Rot der Gebetsteppiche strahlt der Raum eine – wenn auch überwältigende – Schlichtheit aus.

Im Topkapi-Palast wird das Märchen aus 1001 Nacht Wirklichkeit. Sultan Mehmed II. hatte 1465 den riesigen Komplex von Wohn- und Audienzräumen, Innenhöfen, Terrassen, Pavillons, Küchen, Bädern, Bibliotheken und Moscheen anlegen lassen. Eine Stadt in der Stadt mit eigener Grenzmauer. Man schätzt, dass dort damals 5.000 Menschen lebten, den Harem mit bis zu 1.200 Frauen eingerechnet.

Unersetzbare Pretiosen sind ausgestellt: 49 Kilo schwere Kerzenständer aus purem Gold und mit 6.666 Diamanten besetzt, Hochkarätiges von Dolch bis Thron, kostbarstes Glas und Porzellan, darunter solches, das sich bei Gift verfärbt.

Quirlig und geschäftstüchtig zeigt sich Istanbul auf dem überdachten Großen Basar, dem Kapali Carsi. Seit über 400 Jahren eine Schatztruhe. 500.000 Menschen strömen täglich durch die 18 Eingangstore zu Teppich-, Leder-, Jeans- und Schmuckhändlern. Allein 2.000 Juwelierläden verkaufen kostbarste Geschmeide und Antiquitäten. 100 Tonnen Gold wechseln jährlich den Besitzer.

Die Welt der tausend Düfte des Orients empfängt Besucher im Ägyptischen Basar: exotische Gewürze von Kardamom bis Safran und süßeste Süßigkeiten.

Kunstkenner dürfen die Ausstellung im Museum „Istanbul Modern“ nicht auslassen. Originelle Malerei und ebensolche Video-Installationen begeistern. Da presst etwa eine spärlich bekleidete Frau ihre roten Lippen auf weiße Wände und Möbel, zuletzt auf ihr Hemdchen, ihre Beine und Arme. „Emotion in motion“, ein Kusswerk, das Kopfhörer hörbar machen.

Heiter verspielt und mit Sinn für Müßiggang zeigt sich Europas Kulturhauptstadt 2010 bei einer Fahrt auf dem Bosporus, einer der schönsten Wasserstraßen der Welt. Die 33 Kilometer lange Meerenge zwischen Europa und Asien verbindet Marmara-Meer im Süden und Schwarzes Meer im Norden und den 6,5 Kilometer langen Seitenarm, das Goldene Horn. Gesäumt von Lustschlössern wie dem für Besucher geöffneten 600 Meter langen Palast Dolmabahce im osmanischen Zuckerbäckerstil mit 285 Zimmern und reichem Innenleben sowie Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit luftigen Fensterläden und Erkern dienen ihre Ufer auch heute noch den Oberen Zehntausend als Sommerfrische. Kaum ein Objekt – alle haben eigene Bootsstege – unter 20 Millionen US-Dollar. Da – in einem ehemaligen Sultanspalast – befindet sich auch das luxuriöse Hotel Ciragan Kempinski, das auf der Welt zu den Top Ten zählt und in dem die Sultanssuite mit 15.000 US-Dollar zu Buche schlägt. Da wetteifern Erste und Zweite Bosporushängebrücke mit Rumeli- auf europäischer und Anadolu-Festung auf asiatischer Seite, mit Moscheen wie der von Ortaköy im gleichnamigen Stadtviertel, das sich dank seiner Teegärten und Cafés am Wasser zum In-Treff mauserte. Nicht versäumen sollte man das orientalische Café auf dem 267 Meter hohen Aussichtshügel Camlica und den weitesten Blick über Bosporus und Stadt. Schlanke Minarette dominieren das Bild.

2006 wurde die Galatasaray-Insel im Bosporus zu „Suada“, einem Beach-Club mit Pool und Sonnenliegen am Tag, fünf Restaurants und Bars am Abend. Fähren stehen für die kurze Überfahrt bereit. Nach dem Dinner feiert man die nacht durch oder schippert in einen der angesagtesten Nachtclubs, ins „Reina“. Open air wie alle Discos und auch von Paris Hilton besucht. Interessanter dürften dennoch die Szene-Bars „Perestroyka“ und „Frame“ sein.

Selbst wer nur über die Istiklal Caddesi in schönstem Jugendstildekor flaniert, die „Grand rue de Pera“ – im Hotel Pera Palace schrieb Agatha Christie „Mord im Orientexpress“ -, verfällt dem Reiz dieser Orient und Okzident vermischenden Metropole. Die von einer Trambahn befahrene Fußgängerstraße führt vom Taksim-Platz, dem europäischen Herz der Stadt, durch das Kneipenviertel Beyoglu zur Tünel, der unterirdischen Zahnradbahn von 1875, die einen zur Galatabrücke am Goldenen Horn bringt.

Info:

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