Wildschwein Grunewald am Schildhorn

© WELTEXPRESS, Foto: Stefan Pribnow

Was wir nicht verschweigen wollen: An der „Weißen Flotte“, wie wir Preußen die Schiffe ohne Dampf noch immer nennen und die längst nicht mehr kaiserlich sondern Kleinbürger schippert, ist nur der Anstrich oberhalb der Wasserlinie weiß, der Rest, vor allem der Ruß vom Schiffsdiesel ist – freundlich formuliert – romantisch-rauchig und so gesund wie verkohlte Currywurst, in der wohl mehr Pferd vorkommt als manches Schwein ahnt, von Konnopke, den Imbiß, den als Exoten geltende Ur-Berliner aus dem Prenzlauer Berg mittlerweile meiden die die Pest, weil zu viel Fremde und Verkehr das einst ehrwürdige Ambiente als erduldete Anstrengung erleben lassen, wenn Besuch nach Berlin kommt, mit dem man Allgemeinheiten abklappert.

Schildhorn

Zurück von der Schönhauser Alle zum Schildhorn. An einer Stelle, einer 400 Meter langen und leicht gekrümmten Landzunge, liegt ein Haufen Geschiebemergel einer Endmoräne des – geologisch gesehen – nördlichen Teltow, während Berlin selbst zu größten Teilen, vor allem die historische Mitte, im Sumpf – nicht im politischen Sinne sondern im Urstromtal der Spree – daniederliegt. Das Horn, das 100 Meter breit wie eine Zipfelmütze eines teutonischen Gartenzwerges in die dunklen Wasser ragt und die Havel wie an so vielen stellen so auch hier eine Buch bilden lässt, die Jürgenlanke, ist hoch. Treppen führen zur Kuppe hinauf, wo das Schildhorndenkmal, dessen Spitze ein Kreuz ziert, weswegen die Säule auch als „Schildhornkreuz“ bezeichnet wird, rund acht, neun Meter in den Himmel über Berlin ragt.

Noch heute hört man im Hotel am Hufe des Horns die Sage, die Schildhornsage aus dem 19. Jahrhundert, die sich um den „großen Wendenfürsten“ Jaxa von Köpenick dreht, der im Jahre 1157 nach unserer Zeitrechnung, dem Gründungsjahr der Mark Brandenburg vor Albrecht dem Bären durch die Havel geflohen sein soll, wie wir bei Wikipedia nachlesen. „Aus Dankbarkeit für seine Rettung habe sich Jaxa zum Christentum bekannt und seinen Schild und sein Horn an einen Baum gehängt. Seither heißt die Landzunge Schildhorn“ und die achteckige Säule aus Sandstein soll genau an der Stelle stehen, wo einst der Baum mit dem Heidenschild aus Holz stand. Im Grund ist diese Legende Lüge und also ein Mythos, nein, der Mythos und zwar zur Gründung der Mark Brandenburg durch die neuen, west-deutschen Herren, denen die Slawen als Untertanen zu gehorchen hatten bis sie sich assimilierten. Wie sich die Gegenwart als Geschichte ähnelt, oder?

© WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowSchon immer und vor allem zu Biedermeier und Bürgerzeiten war Schildhorn ein Gesprächsthema und romantisches Reiseziel für Liebeslustige in den Sommermonaten, die es unter blühenden Bäumen trieben wie diese es nur im Frühling. Auch für Besseresser der guten Gesellschaft, die vor dem Ende des 19. Jahrhundert bekömmlich bewirtet wurden, war Schildhorn ein Ort, wo Molle und Havel flossen. Zur Zeit des Hitler-Faschismus diente Schildhorn sogar noch 1943 Deutschen jüdischen Glaubens und als Juden gebranntmarkte Berliner als Versteck.

Heute wird hier am Röhrichtgürtel spaziert, am Strand gelegen, in der Havel gebadet und auf dem Wald- und Wiesenspielplatz in der Senke am Fuß von Schildhorn auf Spielgeräten, die alle aus Holz sind und an den juten Jaxa erinnern, getobt, bis bei einigen Kindern und Kerle der wilde Wende zum Vorschein kommt.

Nach der Ertüchtigung welcher Art auch immer am Havelufer des alten Jagdreviers der Hohenzollern, wo bis 1900 die drei großen Ausflugslokale Schröder, Richter und Ritzhaupt standen, wählen wir die Gaststätten des GEW-Hotel Haus Schildhorn, wo zum Wohl des Bürgers Bier gebracht wird und – auf unseren Wunsch – Wildschwein Grunewald. Zum Wildschwein Grunewald gleich mehr!

1965 baute die IG Bau für ihr Gemeinnütziges Erholungswerk (GEW) auf dem südlich gelegenen Gelände des ehemaligen und abgerissenen Hauses Ritzhaupt das Hotel Haus Schildhorn, dessen Grundstück kurz vor der Halbinsel Schildhorn endet. Das wunderbare Gartenlokal mit schönen Strandkörben, buntem Spielplatz und freiem Blick über die Jürgenlanke auf Schildhorn und Havel ist für alle öffentlich zugänglich und sobald die Sonne scheint eine willkommene Wohlfühloase mit frischgezapfter Molle, Kaffee und Kuchen im Grunewald.

Grunewald

© WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowDer Grundewald ist ein Teil des Berliner Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Wohlhabende wohnen, und ein Forst, ein Stadtwald mit Turm, dem Grunewaldturm. Damit die Kutschen zur Millionärskolonie Grunewald flugs fahren konnten, wurde eigens der Kurfürstendamm, auf dem heute noch noble Karossen zur Villenkolonie Grunewald rollen, ausgebaut. Die dortigen Sümpfe wurden trocken- und künstliche Seen angelegt, um die sich die verschiedensten Villen gruppieren, die zum über die Landesgrenzen hinaus bekannten wie berühmten Berliner Villenbogen zählen.

Nach der Wende 1989/90 wandelte sich Berlin auch im Grundewald. Botschaften wie die aus Katar und Kuweit zogen in den Grunewald, Residenzen für Botschafter aus China und Großbritannien wurden bezogen. Neben Politniks zog und zieht es auch Prominente in den Grunewald. Wo einst Heinrich Himmler, Engelbert Humperdinck, Vicki Baum, Max Planck, Ulrich Schamoni, Grete Weiser, Max Reinhardt, Lion Feuchtwanger, Walter Benjamin, Ingeborg Bachmann, Gerhart Hauptmann, Walther Rathenau, Romy Schneider, Hildegard Knef, Johannes Heesters, Harald Juhnke, Max Pechstein – um nur einige wenige zu nennen – wohnten, haben jetzt Sarah Conner, Michael Ballhaus, Artur Brauner, Joschka Fischer, Jeanette Biedermann, Hugo Egon Balder ein Heim.

Wildschwein

Daß heute mehr Wildschweine als prominente Millionäre im Grunewald zu Hause sind, das ist sicher. Womit wir nach ausführlichen Schilderungen zum Schildhorn und knapperen Formulierungen zum Grunewald (Autoren sollten Texte wie diesen nicht vor dem Mittagsmahl tippen) endlich beim Wildschwein wären.

© WELTEXPRESS, Foto: Stefan PribnowAn die 5 000 Wildschweine – niemand weiß das wirklich genau – leben wohl in den Berliner Wäldern, im Spandauer und Tegeler Forst, vor allem im Grunewald, wo sie genug Baumfrüchte wie Eicheln und Eckern finden, um einen gesunden Nachwuchs gedeihlich großzuziehen, der im Frühjahr in die Welt geworfen wird und sofort als Frischling durch den Wald tapst. In die Stadt werden die Wildtiere nur durch Fütterung gelockt.

Rotten von Wildschweinen ziehen täglich durch den Grunewald und einzelne Jäger lauern auf Hochsitzen. Seltener sind es ein, zwei Dutzend Jäger gleichzeitig, die mit Helfern samt ihren Hunden, die das Wild vor die Flinten treiben, Halali rufen. Das Fleisch der toten Tiere, neben Wildschwein auch Reh, verkauft das Forstamt Grunewald.

Das Fleisch für die Gaumenfreuden, welche die Speisekarte des GEW-Hotels Haus Grunewald weckt, stammt in der Regel aus Brandenburg, wo nach offiziellen Schätzungen rund 50 000 Wildschweine leben, liegt dennoch als Wildschwein Grunewald auf den Teller und schmeckt köstlich. Die Vorbereitung braucht Zeit und die Zubereitung dieses Rezept.

Wildschweinbraten Grunewald mit einer Marinade aus Rotwein, Möhren und Maronen

Das frische Wildschweinfleisch wird zwei Tage vor der Zubereitung mariniert. Für eine Rotwein-Marinade benötigen Köche als Zutaten: 2 Zwiebeln, 2 Möhren, 1/4 Sellerieknolle, 2 Petersilienwurzeln, 2 Lorbeerblätter, 8-10 Wacholderbeeren, 1EL Zuckerrüben-Sirup, Pfeffer, Salz, 0,7l Rotwein, 1/4l Wasser und 0,1l Weinessig.

Für den Braten werden verbraucht: 2 kg Wildschweinbraten aus der Keule, 150 g durchwachsener Speck, 4 EL Butter, 2 Möhren für den Bratenfond, 1/2 Stange Lauch, 2 Zwiebeln, 1 Knoblauchzehe, Pfeffer, Salz, 400 g Möhren, 500 g Maronen, 2 EL Zucker, 1 EL Mehl, 5 EL Rotwein und 0,1 l Schlagsahne.

Wie folgt wird die Marinade zubereitet: Das Gemüse putzen und waschen. Die Zwiebeln schälen und vierteln. Die Möhren und den Sellerie klein schneiden. Das Gemüsen würzen und mit Rotwein, Wasser und Essig aufkochen. Während dessen wird der Braten vorbereiten und in der abgekühlten Marinade einlegen, so dass das Fleisch bedeckt ist. Das Lebensmittel am besten in eine kühle Kammer stellen und volle zwei Tage das Fleisch in der Marinade ziehen lassen.

Am Tag des Festmahls das Fleisch aus der Marinade nehmen, abtropfen lassen und trocken tupfen. Die Marinade gut aufheben! Den durchwachsenen Speck würfeln und mit 2 EL Butter im Bräter anbraten. Möhren, Lauch und Zwiebeln waschen, putzen, klein schneiden, mit der Knoblauchzehe zum Speck geben und kurz andünsten. Den Braten pfeffern und salzen, von allen Seiten scharf anbraten. ¾ l Wasser und ½ l der Marinade, die zuvor gesiebt wurde, zugeben und die feine Flüssigkeit kurz aufkochen. Alles in den Bräter, Deckel drauf und bei gut 200 ° C rund zwei Stunden garen. Gegebenenfalls Marinade nachgießen.

Bevor der Braten gar ist bitte Möhren und Maronen jeweils 15 Minuten lang kochen. Die noch heißen Maronen schälen. 2 EL Butter in einer Pfanne erhitzen, 1 EL Zucker zugeben und die Maronen darin einige Minuten glacieren. Anschließend die Möhren auf die gleiche Weise glacieren. Nach Abschluss der Garzeit den Wildschweinbraten aus dem Bräter nehmen. Den Bratensud mit etwas Mehl binden, mit Rotwein und Sahne verfeinern und durch ein Sieb streichen. Mit den glacierten Möhren und Maronen servieren. Da sieht erst lecker aus und schmeckt dann auch so. Berliner essen preußisch und also klassisch Kartoffeln, meist Salzkartoffeln, zum Braten und somit auch zum Wildschweinbraten Grunewald. Jedoch kennen und schätzen Preußen die Vielfalt der knubbeligen Knolle und wissen, die richtige Sorte zu wählen. Auf den Teller paßt zudem etwas Süßes, Obst wie Birnen und Preiselbeeren.

Wer nicht nachkochen möchte, der begebe sich in der winterlichen Zeit, die in Berlin von Mitte November bis weit in den März reichen kann, erst zum Wandern in den Grunewald, schaue auf der Halbinsel Schildhorn vorbei und Grüße Jaxo von uns. Und dann nichts wie rein ins GEW-Hotel Haus Schildhorn zum Wildschweinessen. Wohl bekomm`s!

GEW-Ferienhotel, Hotel "Schildhorn", Straße Am Schildhorn 5, 14193 Berlin, Telefon: 030 / 300 970 0, Fax: 030 / 300 970 299, Email: hotel@hotel-schildhorn.de, Website: www.hotel-schildhorn.de und im Facebook unter http://www.facebook.com/HotelSchildhorn

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