Wie man Gurken zum Glühen bringt und andere weltbewegende Fragen – Serie: Die letzten Ratschläge für Bücherkäufer, auch nach Weihnachten (Teil 8/10)

Damit war es erstmals nichts, denn natürlich sucht man einen Buchtitel dann im Inhaltsverzeichnis, wo fünf Kapiteln dann „Antworten“ gegenüberstehen. Also schauen wir bei I ’Physik in der Küche` nach und kapieren mit einem Schlag das gesamte System. Dort wird nämlich unter 23. – insgesamt werden über 100 Rätsel gelöst – das „Elektrische Gürkchen“ angesagt, das statt einer Wurst zwischen den Enden des Hot Dog Elektrogeräts als grüne Gurke, noch dazu als eine eingelegte, steckt und glüht. Sagt der Text auf Seite 26. Auf Seite 89 wird dann die Nummer 23 und damit das Glühen des Gürkchens erklärt.

Das Gürkchen glüht zwar, aber nur an einer Seite – was heißt hier „vorwiegend“, meine Herren? – und gelblich ist die Farbe je nach dem Gurkentyp und der Einlegelake. Die Gurke fungiert als elektrische Diode, der Strom fließt also nur in einer Richtung. Und fließen kann er überhaupt nur, weil die Lake aus Essig und Natriumchloridsalz besteht. Letztere bindet nämlich Elektroden aus dem fließenden Strom. Wir kamen beim Lesen aus dem Staunen nicht heraus, denn oft leuchteten uns erst bei den Antworten die Fragen ein.

Ganz anderen Fragen muß sich Tahar Ben Jelloun in „Papa, woher kommt der Hass?“. Gespräch mit meiner Tochter“, erschienen bei Rowohlt Berlin stellen. Heiner Geißler, der gerne Moral kommentiert, hat ein Vorwort geschrieben, das auf den Haß benachbarter Völker eingeht, aber auch auf die Möglichkeiten, sich von fremdbestimmten Vorgaben frei zu machen und im anderen den Menschen zu sehen, ausführt. Das Buch ist auch als Argon Hörbuch erschienen und uns scheint fast, daß das die bessere Variante ist. Beim Lesen nämlich wird einem „das Gespräch“ – es handelt sich nicht um mehrere, sondern ein ganz langes – etwas ermüdend, was nicht am Inhalt, sondern der Form liegt, indem die einzelnen Redebeiträge nur durch einen Strich und neuen Absatz voneinander getrennt sind. Liest man sich das selber laut vor, ist man im richtigen Verständnisrhythmus.

Inhaltlich werden kluge Sachen gesagt, aber die Fragen der Tochter changieren zwischen echten Fragen und den sogenannten mäeutischen Fragestellungen. So nannte Sokrates selbst seine Fragekunst als Hebamme des fast automatischen Herausholens der Gedanken des anderen ans Tageslicht, durch die gezielte Fragestellung. Hat das bei Sokrates noch Witz, so fühlt man sich bei Jelloun doch sehr besserwisserisch an die Leine genommen. Weil wir aber Thema und auch Methode für wichtig halten, hatten wir dann über Wochen verteilt das Buch in kleinen Frage- und Antworthappen zu uns genommen. Dann wirkt es.

Uwe Wandreys „Kraftwerk Sonne“ zeigt, „Wie wir natürliche Energiequellen nutzen und die Umwelt schützen“. Es ist im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen, hat aber ein viel größeres Format und einen festen Umschlag. In vier Kapiteln wird die Sonnenkraft aufgeteilt: als Feuerball, der Leben spendet, als Wärmequelle, die uns einheizt, als Stromspender, der uns elektrisiert und als Energienahrung für grüne Pflanzen. Sehr anschaulich beginnt alles mit dem Gegenteil, wenn die Sonne nämlich ausfällt und verfinstert ist. Und daran schließen sich Theorien über das Aussterben der Dinosaurier genauso an, wie die Folgefragen, was wäre, wenn die Sonne überhaupt nicht mehr aufginge. Das Schriftbild ist schön groß und die auf Gelb gesetzten Erklärungstafeln sehen ein bißchen nach Schulbuch aus, aber das macht nichts, denn das ist sinnvoll, zwischen den Fließtext immer wieder erklärende Kästen zu setzen. Wir wären froh, könnten wir nur die Hälfte dessen, was das Buch erklärt, als unser Alltagswissen gebrauchen.

Cordula Nussbaum fragt im Campus-Verlag „Organisieren Sie noch oder leben Sie schon“ und will ein „Zeitmanagement für kreative Chaoten“ vorschlagen, weshalb ein „Selbst-Check: Wie chaotisch sind Sie tatsächlich?“ die Voraussetzung fürs Bessermachen ist. Natürlich hören wir lieber ’kreatives Chaos` als nur ’Chaos`. Aber solche doch eigentlich einfachen Aufforderungen wie „Entlarven Sie Ihre eigenen Streßquellen“ oder „Entdecken Sie Ihre Energiequellen“ sind etwas, was für manche neu sind. Das haben wir überprüft. Auch „Den Aufgabe-Dschungel lichten“ taugt uns sehr, und der „Ja-Falle entgehen“ wollen wir schon lange. Das letzte Kapitel „Auf dem Weg zum genialen Querdenker“ haben wir uns nicht mehr reingezogen, weil die bisherige Lektüre uns unsere diesbezügliche Qualifikation schon klar gemacht hatte.

„Warum sind wir morgens größer als abends?“, hat uns schon immer beschäftigt. „Die 70 schönsten Alltagsrätsel und ihre verblüffenden Lösungen“ verspricht uns dieser von Martin Gent herausgegebene Band bei Rowohlt Berlin, der auf der Radiosendung „Leonardo – Wissenschaft und mehr“ auf WDR 5 basiert. In vier weiten Kapiteln werden erst die Fragen zum Menschen, zur Welt & All, zu Tieren & Pflanzen und zum Alltag geordnet und beantwortet. Denn die jeweilige Überschrift in einem Satz mit Fragezeichen ist der Ausgangspunkt für eine mehrseitige Beantwortung. Und da fängt es schon an. Wir hätten die Frage, warum wir morgens größer sind als abends, dem Menschen zugeordnet. Sie steht hier aber unter Alltag. Wenn man solches kritikasterische Getue aber einmal beiseitelegt, dann hat man sehr sehr viel von den Antworten. Denn jeder Mensch ist anders, der eine- nämlich wir – hat nur einen Zentimeter Unterschied zwischen der Morgenmessung und der am Abend. Aber es soll Leute geben, die da auf drei Zentimeter kommen. Die großen nämlich.

Aber das stimmt nicht für alle. Wir haben auch bei einem ganz großen den Versuch gemacht und sind auch nur auf einen Zentimeter gekommen, dafür bei einem kleinen auf zwei Zentimeter! Punktum. Das Prinzip stimmt und hat eine gute orthopädische Erklärung. Es sind die Knorpel zwischen den Wirbeln, die die Bandscheibe bilden, die sich im Laufe des Tages durch Tragen, Laufen, Sitzen und so vieles ineinanderpassen, also dichter und enger sitzen und uns kleiner machen. Wie das geschieht, wird im Buch auch erklärt. Die Gelenk- und Bandscheibenknorpel bestehen nämlich aus einem kollagenhaltigen Gewebe, das wie ein Schwamm Wasser einlagert. Tagsüber entleert sich dies Gewebe durch den auf ihm lastenden Druck. Aber über Nacht, im Liegen, saugt sich dieses Gewebe wieder mit Flüssigkeit voll.

Wir haben voll Spannung unser Alltagsverhalten in diesem Kapitel überprüft und festgestellt, wie pragmatisch, also vernünftig und zielorientiert wir uns sozusagen automatisch verhalten, auch wie man durch den Regen laufen muß, um möglichst wenig naß zu werden. Das ist ein richtiges Familienbuch, das wir gerne empfehlen.

Auch Christoph Drösser hat mit „Stimmt’s?“ so einen Hammer vorgelegt, wo „Freche Fragen, Lügen und Legenden für clevere Kids“ Kinder anregen, den Sachen auf den Grund zu gehen und mit ihrem Mehrwissen die Erwachsenen vorzuführen, wenn die das bei Rotfuchs rororo erschienene Taschenbuch nicht längst gelesen haben. Das mit dem Kitzeln ist so eine besondere Sache. Alle wundern sich immer, daß wir an den Fußsohlen nicht kitzelig sind. Wohl aber sonst, fast am ganzen Körper. Aber hier wird auch geklärt, was wir automatisch auch nie tun: „Man kann sich nicht selbst kitzeln“. Das funktioniert einfach nicht. Man kann sich auch nicht selbst erschrecken, also eine Aktion starten, die einen erschrecken soll. Das Bewußtsein von unserem Tun macht uns unfähig, dies als normalen Reiz zu werten und wie sonst zu reagieren. Im Hirn hat man in Versuchen eine Stelle gefunden, die dafür zuständig sein soll und bei Selbstversuchen mental reagiert „Regt Euch nicht auf, das sind nur wir selbst.“ (Seite 19).

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