Wie holen wir die Weltstars nach West-Berlin? – Archivmaterial und Interviews zur Berlinale-Geschichte

Reinhard Hauff (l.) und Moritz de Hadeln schrieben Berlinale-Geschichte: der Eine als umstrittener Sieger 1986, der andere als Festivalleiter von 1980-2001.

Sympathisch und weise plaudert Tilda Swinton auch darüber, wie sie dieses Jahr in der Forum-Sektion gerne mal die Toiletten und Kinosäle reinigen würde, nachdem sie schon Bären-Preisträgerin und sogar Jurypräsidentin war. Tom Tykwer berichtet von Marathons in den 1980ern, wo er fast ununterbrochen in den Kinos saß. Das ermutigt uns junge Filmer, es ihm gleichzutun. DDR-Produzenten kommen ebenso zu Wort wie Großmeister des Autorenfilms.

Zu den weiteren Stimmen zählen Claudia Cardinale, John Hurt, Michael Winterbottom und Wolfgang Jacobsen ebenso wie Artur Brauner, Peter Schamoni, Michael Verhoeven, Wolfgang Kohlhaase, Katrin Sass, Ang Lee und Hans – Christian Schmid. Die Festivaldirektoren Moritz de Hadeln und Dieter Kosslick teilen kleine Geheimnisse. Kosslick trifft sich kurz vor den offiziellen Auftritten mit den Stars, damit es später so wirkt, als wären sie dicke Freunde.

Außerdem sieht man in historischen Interviews Alfred Bauer, Errol Flynn und Jean Luc Godard. Roman Polanski kann leider dieses Jahr seinen Film THE GHOST WRITER nicht persönlich präsentieren, da er ja festgehalten wird in der Schweiz. Werner Herzog hingegen leitet die Wettbewerbsjury.

Man erlebt, wie ein amerikanischer Offizier 1951 das Festival befürwortete und so der Nachkriegsstadt etwas Glamour verschaffte. Viele Berlinale-Direktoren hatten ihr Amt über Jahrzehnte inne. Irgendwann vollzog sich der Wechsel vom Festival der Filmstars zu einem der Filmemacher. Man erfand schrittweise neue Sektionen hinzu, um die Bandbreite des Filmschaffens von Kommerz bis Experiment abzudecken. Nach dem Forum erschuf man das Panorama mit einem Fokus auf Queer Film. Die Wegbegleiter und Festivalmacher beschreiben anschaulich, wie sie die Berlinale erlebten und streuen viele Anekdoten ein.

Zwar ist der Frauenanteil relativ gering, doch bekommt man einen guten historischen Überflug. Bewusst verzichtet diese Dokumentation auch auf Details zu Filmen, da dies den Rahmen sprengen würde. Unaufwändig aber charmant versammelt SPUR DER BÄREN genug Material, dass man erfrischt aus dem Kino kommt und auch etwas über ein Stück Berlingeschichte lernte. Die letzten Jahre kommen zwar zu kurz, aber die haben wir schließlich selbst erlebt. Wer dennoch die Filmtitel der 6 Jahrzehnte sucht, wird auf den aktuellen Berlinaleplakaten fündig.

Titel: Spur der Bären

BRD 2010 Dokumentarfilm

Regie: Hans-Christoph Blumenberg

Kamera: Johann Feindt, Jule Cramer

Montage: Florentine Bruck

Ton: Frank Kruse, Patrick Veigel, Tassilo Letzel, André Zacher, Paul Oberle

Produzent: Martin Hagemann

Produktion: zero fiction film

Konzept & Interviews: Hans-Christoph Blumenberg, Alfred Holighaus

Regie: Hans-Christoph Blumenberg

Bewertung: * * * *

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