Berlin, Deutschland (Weltexpress). Dem britischen TV-Sender „Channel 4 News“ liegt das israelische „Geheimdokument“ vor, in dem 12 Mitarbeiter des UNO-Hilfswerkes UNRWA beschuldigt werden, an der Militäroperation der Hamas gegen die israelischen Besatzer am 7. Oktober 2023 teilgenommen zu haben. Beweise? – Fehlanzeige! Trotzdem hat der Wertewesten die Unterstützung für das UNRWA eingestellt.

Wegen ihrer Bedeutung und als Beispiel für investigativen Journalismus anstelle von Regierungspropaganda bespreche ich nachfolgend detailliert die Channel 4 News-Sendung vom 5. Februar, in der u.a. auch das 6 Seiten umfassende geheime israelische Dossier gezeigt wird. Es zeigt, dass die israelische Regierung – anders als behauptet – keinerlei Beweise für ihre folgenschweren Beschuldigungen hat. Aber in einem Akt wahrer Chuzpe hat das rechtsradikale Netanjahu-Regime den Mangel an Beweisen mit einer noch größeren Lüge überspielt und seine ursprünglichen Beschuldigungen gegen die 12 dann auf sogar 190 UNRWA-Mitarbeiter ausgeweitet.

Chuzpe ist ein Begriff aus dem Jiddischen, der schon lange internationalisiert ist und vor allem in den USA gerne und oft verwendet wird – entweder positiv, wenn jemand mit besonderem Mut und Selbstbewusstsein vorgeht, oder negativ, um ungewohnte Dreistigkeit Unverfrorenheit oder gar Unverschämtheit zu beschreiben. Ein sarkastisches Beispiel für die negative Interpretation ist, wenn ein Mörder, der Mutter und Vater umgebracht hat, vor der Verurteilung vom Richter das Letzte Wort erhält und der Angeklagte um Milde bittet, weil er doch jetzt keine Eltern mehr hat.

Auch das beste Deutschland aller Zeiten, dessen Ampel-Regierung ihren Humanismus wie eine Monstranz beim Kirchenumzug vor sich herträgt, hat aufgrund der israelischen Beschuldigungen und ohne einer Untersuchung von neutraler Seite weitere Hilfen an das UNRWA eingefroren und damit unzählige Menschen in Gaza im wahrsten Sinne des Wortes zum Tode durch unterlassene Hilfeleistung verurteilt. Die Enthüllung des britischen Senders Channel 4 News erklärt auch, warum das Dossier so geheim gehalten wurde: damit die massenmörderische Lüge, die das Dossier darstellt, nicht auffliegt.

Die Sendung von Channel 4 News beginnt mit Bildern hungriger palästinensischer Kinder, die sich vor einer UNRWA-Ausgabestelle drängen, wo es Brei gibt. Dazu kommt eine erklärende Stimme aus dem Off: „Die Kinder in Gaza sind hungrig, und die Sorge ist groß, dass sie noch hungriger werden. Das UNRWA ist die wichtigste UN-Agentur, die palästinensische Flüchtlinge unterstützt. Die wichtigsten Geberländer, einschließlich das Vereinigte Königreich, haben vor 10 Tagen ihre Finanzierung zurückgezogen hat, aufgrund von Vorwürfen in einem vertraulichen israelischen Dokument, das dieses Programm (Channel 4 News) jetzt einsehen konnte.“

„Das Dokument wiederholt eine Behauptung, die die israelischen Streitkräfte schon früher mehrfach erhoben haben, dass nämlich [es folgt als Zitat aus dem Geheimdokument] ‚die Terrororganisation Hamas ihre terroristische Infrastruktur methodisch und absichtlich in einer Vielzahl von UN-Einrichtungen und -Einrichtungen platziert habe‘.“

Anschließend betont die Channel 4 News-Sprecherin: „Aber das Dokument liefert keine Beweise, um seine explosive neue Behauptung zu stützen, dass UNRWA-Mitarbeiter an den Terroranschlägen auf Israel beteiligt waren.“

An dieser Stelle zeigt das Video erneut das 6-seitige Dokument mit hebräischen Schriftzeichen. An einer Stelle werden einige Zeilen hervorgehoben und auf Englisch wiedergegeben. Die Übersetzung lautet: „Aus Geheimdienstinformationen, Dokumenten und Personalausweisen, die während der Kämpfe beschlagnahmt wurden, ist es jetzt möglich, etwa 190 Terroristen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad zu identifizieren, die als UNRWA-Mitarbeiter angestellt sind. Mehr als 10 UNRWA-Mitarbeiter haben an den Ereignissen vom 7. Oktober teilgenommen.“

Dann sagt die Nachrichtenmoderatorin, dass Israel das Dokument erst dann an die Geberländer übergeben hatte, als kurz zuvor der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein Zwischenurteil über seine Anklage wegen Völkermordes gegen Israel gefällt hatte. Hier wird ein Clip von der Vorsitzenden Richterin der Internationalen Gerichtshofs in Den Haag (IGH) eingeblendet, die aus dem vorläufigen Urteil verliest: „Israel muss sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um die dringend benötigte Grundversorgung und humanitäre Hilfe in Gaza zu ermöglichen.“

Anschließend erscheint der UNRWA-Sprecher Christopher Gunnes im Bild, der seine Empörung über das Verhalten der westlichen Geberländer ausdrückt und sagt: „Es ist absolut schockierend, dass ausgerechnet die Geber, die das UNRWA beschuldigt haben, die humanitäre Hilfe zu instrumentalisieren, jetzt genau das selbst tun, indem sie selbst [durch den Stopp der Hilfe] das UNRWA als Waffe einsetzen.“

„Was sie tun, ist ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Das ist ein Verstoß gegen internationale Prinzipien. Es ist ein Verstoß gegen das Urteil des IGH, das besagt, niemand sollte die internationale humanitäre Hilfe behindern. Aber was Großbritannien und andere hier getan haben, ist genau das: sie behindern die Hilfe. Und das ist ein Verstoß gegen die Völkermordkonvention, weil es das Leben von 1,2 Millionen Menschen zerstören wird, die schon vor dem 7. Oktober an den UNRWA-Lebensmittelausgabestellen Schlange standen. Und die werden noch länger werden. Wenn die Entscheidung der Einstellung der Hilfe nicht rückgängig gemacht wird, wird das zweifellos zu Massenhunger führen.“

Hier setzt die Moderatorin wieder ein und erklärt, dass das UNRWA neben der Nothilfe auch Schulen, Krankenhäuser und andere Dienstleistungen für 5,9 Millionen palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten betreibt. Diese UN-Agentur beschäftigt 13.000 Helfer, deren Namen alle mit der UN-Terrorliste abgeglichen wurden, und das erst im Mai des vergangenen Jahres. Sie wurden auch von Israel überprüft und genehmigt. Das UNRWA entließ sofort die 12 in dem Dokument genannten Mitarbeiter und leitete eine Untersuchung ein.

Hier folgt ein Bildschnitt und der für außenpolitische Belange der Europäischen Union zuständige Beauftragte, der Spanier Josep Borrell, wird eingeblendet, der sich für die Fortführung der UNRWA-Nothilfe in Gaza einsetzt und erklärt: „Das UNRWA spielt eine entscheidende Rolle. Es stimmt, dass die israelische Regierung sehr kritisch ist. Nicht nur jetzt, sondern auch schon seit Langem. Aber wir können nicht 2 Millionen Menschen bestrafen, indem wir ihnen die Unterstützung entziehen, die das UNRWA leistet. Wer kümmert sich sonst um sie?“

Wieder ein Schnitt, und die nächste Szene zeigt den israelischen Ministerpräsidenten, der sich letzte Woche mit einer UN-Delegation traf. Er zeigt sich sichtlich verärgert über die UN-Berichte über die katastrophale humanitäre Situation in Gaza, die bei der Anhörung vor dem IGH in Den Haag als Beweise für Völkermord angeführt wurden. Hinzu kommt seine Wut darüber, dass UNRWA-Mitarbeiter angeblich an Terrorakten der Hamas beteiligt waren. An einer Stelle spricht Netanjahu in die Kamera: „Ich denke, es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft in der UNO selbst versteht, dass ihre lästige [UNRWA-] Mission beendet werden muss!“

Das versucht die israelische Armee offensichtlich bereits jetzt mit ihren eigenen militärischen Mitteln. Der Monitor zeigt jetzt ein Standbild mit einem Sattelschlepper am Straßenrand. Dessen Ladefläche ist von einer Granatexplosion aufgerissen worden, und ein Teil seiner Ladung aus Kartons und Kisten liegt verstreut herum. Die Nachrichtensprecherin von Channel 4 News kommentiert das Bild mit den folgenden Worten, dass am selben Tag das UNRWA Fotos herausgegeben hat, die einen mit Lebensmittel beladenen Lastzug in Gaza zeigen, „der von Schüssen der israelischen Kriegsmarine getroffen wurde“.

Wieder ein Bildwechsel. Eine Luftaufnahme zeigt ein riesiges, offensichtlich provisorisches Zeltlager.

Schnitt zu einem Video-Interview, wobei ein Journalist von Channel 4 News der UNRWA-Direktorin für Kommunikation Juliette Touma die Frage stellt: „In Gaza scheint das Leiden kein Ende zu nehmen. Heute kündigte der UN-Generalsekretär eine Untersuchung gegen das UNRWA an, die von einem ehemaligen französischen Außenminister geleitet werden soll. Wenn das UNRWA schließen müsste, müsste eine andere Organisation einspringen. Nach internationalem Recht im Westjordanland und im Gazastreifen hat die Besatzungsmacht, also Israel, dafür die Verantwortung.“ Aber dieser Verantwortung ist Israel seit 1948 kein einziges Mal nachgekommen.

Erneuter Schnitt, diesmal zu einem etwas längeren Video-Interview des einen Journalisten von Channel 4 News und der UNRWA-Direktorin für Kommunikation Juliette Touma:

Frage: Frau Touma, Haben sie irgendwelche Beweise aus Israel erhalten, die die erhobenen Anschuldigungen gegen die 12 UNRWA-Mitarbeiter stützen?

Antwort: Es gibt eine laufende Untersuchung, die nicht von dem UNRWA durchgeführt wird. Sie wird vom höchsten Untersuchungsbüro der Vereinten Nationen durchgeführt. Diese Untersuchung ist im Gange und sie werden ihre Arbeit tun und all diese Vorwürfe prüfen.
Frage
: Wann hat das UNRWA das letzte Mal eine Liste ihrer Mitarbeiter oder Auftragnehmer an Israel weitergegeben?

Antwort: Jedes Jahr schicken wir eine Liste aller unserer Mitarbeiter, die mit uns in der Region zusammenarbeiten, an die Regierungen der Gastländer, und wir haben von der israelischen Regierung keine Antwort auf den Inhalt dieser Liste erhalten.

Frage: Waren die 12 Namen, gegen die Israel Vorwürfe erhoben hat, auf dieser Liste, die im Mai 2023 verschickt wurde?

Antwort: Ich gehe davon aus, dass sie es waren.

Frage: Das muss eine Überraschung gewesen sein.

Antwort: Es war ein Schock.

Frage: Wie Sie wissen, ist die Entlassung normalerweise nicht die erste Maßnahme, wenn Vorwürfe gegen Mitarbeiter in einer großen Organisation erhoben werden. In der Regel erfolgt eine Suspendierung bis zum Abschluss einer Untersuchung. Hat das UNRWA selbst Beweise gefunden oder hat es von anderer Seite Beweise erhalten, die allem Anschein darauf hindeuten, dass die israelischen Beschuldigungen berechtigt sind?

Antwort: Der Generalkommissar des UNRWA hat diese Entscheidung im besten Interesse des Hilfswerks getroffen.

Frage: Entschuldigung, verstehen Sie die Frage, die ich hier stelle? Soweit ich das verstanden habe, wurden Vorwürfe erhoben. Dann haben Sie diese Leute entlassen und ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Haben Sie diesen Schritt, der normalerweise ein großer Schritt ist, getan, nachdem Anschuldigungen erhoben wurden, aufgrund von Beweisen, die vielleicht noch nicht in die öffentliche Debatte eingebracht wurden, oder einfach wegen der Schwere dieser Anschuldigungen?

Antwort: Letzteres, weil diese Anschuldigungen so schwerwiegend sind, und wie ich bereits sagte hat der Generalkommissar des UNRWA dies im besten Interesse der Organisation getan, da dies (die Affäre) enorme Risiken birgt, sowohl für das Ansehen der Organisation als auch für die größte humanitäre Operation als Reaktion auf den Krieg.

Frage: War Ihnen damals klar, dass die Geberländer die Finanzierung des UNRWA einstellen würden?

Antwort: Ich würde sagen, wir haben unsere größten Spender informiert. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns damit gerechnet hat, dass diese große Zahl unserer befreundeten Spender, die seit Jahrzehnten unsere Partner sind, die Finanzierung so schnell aussetzen würde, wie sie es getan haben. Ich meine, in etwas mehr als 24 Stunden haben neun unserer Spender die Finanzierung des UNRWA eingestellt. Ich glaube auch, dass niemand von uns damit gerechnet hat, dass dies mitten in einem Krieg und für die größte humanitäre Organisation geschehen würde, die auf eine der komplexesten und schwierigsten humanitären Krisen der Welt reagiert.

Frage: Gibt es etwas Vergleichbares, das Ihnen einfällt – Eine Aussetzung der Finanzierung, bevor überhaupt eine Untersuchung begonnen wurde?

Antwort: Da fällt mir nichts ein. Das Schlimmste an der Aussetzung der Finanzierung ist, dass etwa die Hälfte des operativen Budgets der Agenturen verloren geht. Wir reden hier über eine riesige Menge Geld.

Frage: Wie lange können Sie angesichts der Aussetzung der Finanzierung durch diese wichtigen Geldgeber noch tätig sein?

Antwort: Wir werden wahrscheinlich gezwungen sein, unseren Betrieb Ende Februar, Anfang März einzustellen, wenn die Finanzierung nicht wieder aufgenommen wird.

Frage: Aber was bedeutet das in der Praxis, wo doch Ihre Aktivitäten so umfangreich sind. Heißt das, dass alles – die Schulen und Bildungseinrichtungen, alle Agenturen – alle, alle Arbeiten einfach aufhören werden?

Antwort der UNRWA-Kommunikationsdirektorin Juliette Touma darauf: Wir werden gezwungen sein, sehr schwierige Entscheidungen zu treffen, zu denen humanitäre Helfer nicht gezwungen werden sollten.

Ende des Interviews

Anmerkungen:

Vorstehender Beitrag von Rainer Rupp wurde am 11.2.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.

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