Wer sind denn die Piraten? – Kleine Benotung des Plakatwaldes zur Bundestagswahl

Die FDP bekommt die glatte 5 für die hemmungslose Verhohnepiepelung der Wähler. Früher schwatzte sie von Leistung, die sich wieder lohnen solle und da wusste man, dass die mit Leistung alles andere meinen, als ehrliche Arbeitsleistung, sondern finanzielle Vorleistung oder unternehmerische Leistung bis hin zur hemmungslosen Finanzspekulation. Aber nun heißt es, dass sich Arbeit wieder lohnen solle! Ja sind die denn jetzt für den Mindestlohn, gegen den Niedriglohnsektor, gegen Leiharbeit, für die Stärkung gewerkschaftlicher Rechte? Mitnichten! Es läuft doch wieder nur auf Steuersenkungspläne hinaus, um den Staat vollends zu ruinieren und die Reichen noch mehr zu entlasten, damit sich trotz Krise die Spekulation wieder lohnt. Wer kein Millionär ist und diese Partei der entfesselten Spekulation trotz Krise wählt, kann als Selbstmordattentäter eingestuft werden. Die gestalterische Einfallslosigkeit nichtssagende glatte 0815-faces vor gelbem Hintergrund zu präsentieren, kann den Notendurchschnitt der Liberalen auch nicht heben.

Aber in diesem Jahr haben wir ja etwas ganz Neues im Angebot, die Piratenpartei. Und was wollen die eigentlich? Die wollen, das wir ihnen auf ihre leeren Plakate schreiben, was wir wollen, dass sie es wollen sollen! Da kann natürlich jeder kommen: Verstaatlichung des Einzelhandels und Privatisierung des Bundestags, Islamische Republik, Abschiebung aller Roma nach Rom und aller Chilenen nach China und überhaupt brauchen wir die vollständige Demokratie mit einem starken Mann mit unumschränkten Vollmachten an der Spitze. Nein, so schafft man das wohl auch nicht, mit der besseren Bürgerbeteiligung. Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht und wie soll man eine Partei wählen, von der man nicht weiß was sie macht, wenn sie denn gewinnen sollte? Aber geben wir ihnen noch eine 4, denn wer gar nichts sagt, lügt wenigstens nicht so schamlos wie die Liberalen, wenn sie sich als Partei der Arbeit stilisieren.

Ich sollte mich mehr auf die großen Parteien konzentrieren, die auch wirklich in den Bundestag kommen? Der Einwurf ist nicht unberechtigt, also kümmern wir uns um die „große Volkspartei“ CDU. Aber o Schreck!, die erweist sich als zweite Piratenpartei. So erfahren wir, das sie die Kraft hat, aber nicht wozu sie sie gebrauchen will. Wie viel Kraft sie dann wirklich haben wird, entscheiden natürlich die Wähler, und die sind dieser Partei in letzter Zeit auch eher weggelaufen, nur eben nicht ganz so schnell wie der Hauptkonkurrenz. Da hat diese Partei denn auch noch einen Kandidaten, der verspricht frische Ideen zu haben. Warum stellt er diese nicht vor, damit der Wähler entscheiden kann, ob sie ihm auch gefallen? Überlebensgroß grinst uns ein von Guttenberg an und will Wirtschaft mit Vernunft, was so auch so verdammt vielsagend ist. Er ist zwar kein Pirat, aber er könnte sich als Traditionsträger des Raubrittertums erweisen. Aber wozu auch Inhalte präsentieren, man hat ja die Wunderwaffe Angela Merkel, die und nun nahezu jeder Laterne anlächelt. Aber wir sollen die Angie als Katze im Sack kaufen. Die Mutter der Nation wird sich schon irgendwas ausdenken, wenn sie wieder Kanlerine ist und das dicke Ende für den Wähler kommt nach. Na geben wir der CDU immerhin eine 4+ für die vage Andeutung politischer Inhalte mit den Slogen „Familien stärken“ und „Sicher leben“. Aber letztlich ist es wie bei den Piraten: Wie soll man eine Partei wählen, von der man nicht weiß was sie macht, wenn sie denn gewinnen sollte?

Kommen wir gleich zu der anderen großen Schrumpfpartei, der SPD. An der lasse ich ja sonst auch kaum einen guten Faden, aber die bekommen von mir heute eine 1. Ja, so muss man es machen! Man bietet sypatische Kandidaten an, setzt aber nicht vorrangig auf einen reinen Personalwahlkampf, sondern bietet dazu knappe aber klare prägnante programmatische Aussagen an. Auch gegen diese Aussagen ist nichts einzuwenden und dazu das alles mit dem sympathischen rot. Ist natürlich völlig abgekupfert vom Erfolgsmodell der LINKEN. Aber in der Politik darf man ja abkupfern, wenn es denn dazu führt das Richtige und Vernünftige voranzubringen. ( Im Sinne des Verbraucherschutzes muss allerdings angefügt werden, dass die sehr gute Benotung dem gilt, was auf der Verpackung steht, das bei der SPD aber erfahrungsgemäß, die Wahrscheinlichkeit, dass nachher nicht drin ist, was drauf stand, viel größer ist als bei den LINKEN. )

Dieses Muster von SPD und Linken, Kombination von Personalangebot und kurzen aber prägnanten programmatischen Forderungen, hätten die Grünen natürlich auch hinkriegen können. Dann eben mit grüner Farbe unterlegt statt mit der roten. Ökologische Themen und Forderungen gibt es ja in unserer Zeit wahrlich genug. Aber sie bringen es bloß bis zu der grünen Farbe und dem Slogan: „Jetzt auf grün drehen!“ Und das in einer Zeit, in der auch die meisten anderen Parteien ökologische Themen besetzen. Die SPD wird da immerhin mit „Atomkraft war gestern.“ inhaltlich konkreter. Nein, das ist unter aller Sau: 4-!

Na dann haben wir ja noch die ganz linken Parteien. Da fällt nun die MLPD mächtig auf, mit großen bunten Plakaten im Stile des sozialistischen Realismus. Eine „Partei für soziale Gleichheit“ zeigt dagegen nur Schriftbild. Jedenfalls setzen diese Parteien ausschließlich auf Programmatik statt auf Personen. Von der DKP habe ich noch nichts gesehen, kommt aber sicher noch. Alle ihre Forderungen sind sind vernünftig, außer der, sie zu wählen, denn das zersplittert das linke Stimmpotential unnötig. Wählen sollte man die progressivste Partei, die über 5% kommt. Deshalb sind die anderen ja nicht zwingend überflüssig. Sie sind dann für Straßenprotest zuständig, wenn diese auch versagt oder droht, dem Anpassungsdruck zu unterliegen oder zu sehr nachzugeben. Aber angesichts der klaren inhaltlichen Profilierung kann man wohl die Note 2 verantworten.

Von Rechtsaußen habe ich noch nichts gesehen und vermisse dies natürlich auch keineswegs. Es wäre wünschenswert, wenn es so bliebe. Benoten könnte man das ohnehin nicht, denn sowas steht unterhalb jeder Kritik.

Dann ist noch eine Note 1 zu vergeben an eine Tierschutzpartei. Der Wolf, der um Integration in die deutsche Tierwelt nachsucht oder der Frosch, der vor Schönwetterpolitik in Sachen Klimaschutz warnt etc. sind einfach großartig. Eine Partei, die sich diesem Thema ausschließlich widmet, kommt zwar leider nie in den Bundestag, aber die Präsentation ihres Anliegens ist ausgezeichnet.

Ach so, die LINKEN? Die benote ich nicht, denn da bin ich ja voreingenommen.

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