Weiße Trüffel, rote Weine – im Schlemmerparadies Piemont ist wieder Saison

Das sanft gewellte Hügelland im unteren Piemont - hier wachsen die edlen Trüffel und Weine. © Foto/BU: Manfred Weghenkel, 26.10.2016

Hügel reiht sich an Hügel. Viele dieser sanften Erhebungen sind von Wäldern und Weinbergen bedeckt oder mit Dörfern, Burgen und Schlössern gekrönt. Dazwischen liebliche Täler. In den Ebenen breiten sich kulturhistorisch sehenswerte Städte aus, wie Casale Monferrato, Alessandria, Asti, Acqui Termi oder die weltberühmte Trüffelmetropole Alba. Hat sich der eigene Wagen oder der Reisebus auf Serpentinenstraßen hochgeschraubt, bieten sich oftmals faszinierende Weitblicke über das Hügelmeer bis zur schneebedeckten Alpenkette.

Das untere Piemont, das sich vom Po bis zu den südlichen Seealpen erstreckt, gehört mit den Gebieten Monferrato, Langhe und Roero nicht nur zu den schönsten Landschaften Europas, sondern auch zu den Schlemmerparadiesen schlechthin. Damit ist es – vornehmlich im Frühjahr und jetzt wieder im Herbst – ein beliebtes Reiseziel, oftmals kombiniert mit der nur 60 Kilometer entfernten Regionalmetropole Turin, die sich in letzter Zeit touristisch ebenfalls ziemlich gemausert hat.

Alle Jahre wieder beginnt Ende September in Piemont („am Fuß der Berge“) die neue Trüffelsaison, die bis Anfang Dezember auch diesmal wieder viele ausländische Besucher anlocken dürfte. Anziehungspunkt Nr. 1 ist natürlich das 30.000 Einwohner zählende türmereiche Alba, die Hauptstadt des Weißen Alba-Trüffels. Dort laufen rund um den Edelpilz (italienisch „tartufo“), aber auch um den Wein zahlreiche Events ab. Am ersten Sonntag im Oktober steigt das traditionelle „Palio degli Asini“, ein Gaudi, bei dem – anders als in Asti – nicht Pferde, sondern bockige Esel um die Wette rennen.

Die eigentliche Attraktion in Alba ist jedoch der in diesem Jahr an den fünf Wochenenden vom 9. Oktober bis 7. November bereits zum 80. Male stattfindende große Trüffel-Markt. Zu dieser international wichtigsten aller Trüffelmessen mit einem Umsatz von rund 1 Million Euro kommen alljährlich rund 500. 000 Käufer und Besucher. Auch viele Touristen aus Deutschland nutzen die Gelegenheit, die frischen Trüffel zu “beschnüffeln“, zu vergleichen und eventuell welche zu kaufen, was ja bekanntlich nicht gerade billig ist. Aber auch in über 30 anderen Städten und Dörfern entlang der „Strada del Tartufo Bianco d’Alba“ (Route des Weißen Trüffels von Alba) gibt es quirlige Handelsmessen, so in Moncalvo, Murisengo und Mondovi. Die touristisch gut entwickelte Trüffel-Route schlängelt sich durch das Hügelbecken der drei Provinzen Alessandria, Asti und Cuneo, wo der „Tuber Magnatum Pico“ – so der wissenschaftliche Name für den Weißen Trüffel von Alba – unterirdisch in der Nähe von Eichen, Pappeln, Haselnuss, Weide und Buchen wächst. Er gilt wegen seines Duftes und seiner Schmackhaftigkeit als der beste Trüffel überhaupt. Entsprechend sind die Preise. Denn 5 bis 6 Euro kostet ein Gramm, d.h. für eine mittlere Knolle von 150 Gramm muß man bis zu 800 Euro hinblättern. Dennoch, einige Touristen leisten sich ein solches Luxus-Souvenir schon mal.

Und die Preise scheinen weiter zu klettern. „Die globale Erderwärmung wirkt sich auch hier aus“, berichtet Roberto Pisano, Experte vom Nationalen Tartufo-Studienzentrum. „Wegen der zunehmenden Trockenheit wachsen von Jahr zu Jahr weniger Trüffel, was die Preise steigen läßt.“ Übrigens, Trüffel-Seminare werden von den Forschern auch Reisegruppen angeboten. Dabei bekommt man spielerisch vieles über die hochwertige, wohlschmeckende Delikatesse mit, die ja von Gourmets genauso geschätzt wird wie Hummer, Langusten, Schnecken oder Kaviar.

Ein anderes Erlebnis ist die Teilnahme an einer „simulierten Trüffelsuche“ für Touristen, die z. B. nahe dem besuchenswerten Schloss Gabiano bei Alessandria organisiert wird. Ein typisches Szenario – selbst erlebt – könnte so aussehen: Die Gruppe wandert am Morgen los. Noch liegt leichter Nebel über dem Laubwald. Auf einer Lichtung steht ein Auto, aus dem ein übermütiger schwarz-weiß gefleckter Hund springt. Begeistert tanzt er rund um einen Mann mit Gummistiefeln. Und auf dessen Ruf stürmt er plötzlich los. Der Mann ist Giorgio Monferrino, seines Zeichens „trifulau“, wie der Trüffelsucher hier genannt wird. Sein weiblicher Mischlingshund „Lampo“ (Blitz) wuselt und schnüffelt herum, bis er bei einer alten Eiche den Boden aufwühlt und damit seinen Fund anzeigt, der nun vom Herrchen sorgsam geborgen wird.

In Piemont gibt es 6.000 behördlich zugelassene Trüffelsucher, die in der bis Anfang Januar reichenden Erntesaison die weltweit begehrten weißen Alba-Trüffel aus dem Boden holen. In der Regel brechen die Trifulau – egal wie das Wetter ist – bereits nachts ab drei Uhr zur Jagd auf das „weiße Gold“ auf. Bei Vollmond sollen die Trüffel besonders gut wachsen.

Apropos Trüffelhunde! Was ist eigentlich mit den Trüffelschweinen? Das ist Vergangenheit. „Hunde sind besser abzurichten und zu befördern“, erzählt Giovanni Monchiero, Direktor der seit 1880 in Roddi bestehenden einzigen Universität für Trüffelhunde. „Außerdem neigen Schweine dazu, ihre Beute selbst zu verspeisen, während Hunde schon mit einem Belohnungskeks zufrieden sind.“ Die Trüffelhundeschule kann von Touristen besucht werden. Da erfährt man z. B., dass die Ausbildung der Hunde drei bis vier Jahre dauert und ein solches Tier dann einen Kaufwert von 5.000 Euro hat.

Wer nun schon (fast) alles über den knollenförmigen Schlauchpilz erfahren hat, möchte ganz sicher auch davon kosten. Es gibt wohl in Piemont kaum ein Restaurant, wo Trüffelgerichte im Herbst nicht auf der Karte stehen. Man findet sie auch ganz schnell – immer der Nase nach!

Besonders gut sind Touristen in der Burggaststätte auf Castello di Grinzane Cavour ganz in der Nähe von Alba aufgehoben. Dort werden typische Trüffelspeisen mit Kalbfleisch, Tatar, Wachtelei, Reis und Pasta serviert. Auf dem imposanten Kastell aus dem 12. Jahrhundert befindet sich auch die erste und größte Önothek von Piemont. Weiße Trüffel und rote Spitzenweine, wie Barolo, Barbaresco und inzwischen auch Barbera, haben den internationalen Ruf Piemonts als Genussland wesentlich mitgeprägt. Von den vielen Weingütern sei das von Domenico Clerico in Monforte (Barolo-Gebiet) besonders empfohlen. Der Besuch ist gratis. Und der Winzer besticht als witziger „Philosoph der Weinkultur“. Übrigens, Freunde piemontesischer Weine sollten sich das gern besuchte Weinfest „Vinum“ in Alba vormerken, das dort wieder Ende April bis Anfang Mai 2011 stattfindet.

Infos:

Italienische Zentrale für Tourismus ENIT, D-60325 Frankfurt/Main, Barckhausstraße 10; Tel. 069-237434; Fax 069-232894; e-Mail: frankfurt@enit.it; www.enit-italia.de

Consorzio Turistico Langhe, Monferrato, Roero, I-2 Alba (CN), Piazza Risorgimento; Tel. 0039-0173366328; Fax 0039-0173220237; e-Mail: info@turismodoc.it; www.turismodoc.it

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