Was uns die Leningrader Symphonie sagen will

Dmitri Schostakowitsch am Klavier. Die ersten drei Sätze seiner 7. Symphonie, auch Leningrader Symphonie oder nur Leningrader genannt, schrieb er in Leningrad. Nach seiner Evakuierung beendete er sie in Kuibyschew. © ITAR-TASS, Aufnahme: Leningrad, 1941

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die militärische Blockade von Leningrad unter der Führung von Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb (Oberbefehlshaber bis 16. Januar 1942) durch deutsche, finnische, spanische Faschisten mit Unterstützung von Freiwilligen aus Nordafrika, Europa und der Seestreitkräfte von Italien dauerte vom September 1941 bis 27. Januar 1944 (872 Tage).

Der Ring der totalen Blockade wurde erstmals am 18. Januar 1943 durchbrochen! An den Folgen des schrecklichen Hungers und der unvorstellbaren Entbehrungen der Menschen durch fehlende Lebensmittel, Elektroenergie, Brennstoffe und Trinkwasser starben mehr als 630.000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt.

Die geheime Weisung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 23. September 1941 lautete: „Der Führer ist entschlossen, die Stadt Petersburg vom Erdboden verschwinden zu lassen. Es besteht nach der Niederwerfung Sowjetrusslands keinerlei Interesse am Fortbestand dieser Großsiedlung.“ Die Ausrottung der ca. drei Millionen Einwohner von Leningrad (Genozid) gehörte zum Generalplan Ost des deutschen Nazireiches.

Auf dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess von 1945 bis 1949 wurden insgesamt 1,5 Millionen Opfer der mörderischen Blockade von Leningrad genannt. Im ersten Kriegswinter von 1941 – 1942 starben mehr als 250.000 Menschen.

Bei vielen Europäern und ihren Politikern ist offensichtlich die Erinnerung an dieses Verbrechen gegen die Sowjetunion/Russland stark verblasst, viele wollen nicht, dass man sie daran erinnert, viele wissen überhaupt nichts darüber, weil ihnen die wahre Geschichte über diese mörderische Blockade von den herrschenden Medien verschwiegen oder verschleiert, bzw. nur in Bruchstücken dargestellt wird. Wir alle wissen, dass dieses beispiellose Kriegsverbrechen der europäischen Faschisten und Nazis niemals verjährt! Niemals! Denn 3% der Opfer in Leningrad starben an der Front und durch Bombenangriffe, 97% durch Hunger und unmenschliche Entbehrungen!

Es ist kaum zu glauben und nicht vorstellbar, dass die Frage „Warum hat Leningrad nicht kapituliert?“ vor einigen Jahren in Europa die Runde machte. „Vielen hunderttausend Menschen hätte mit einer derartigen Kapitulation das Leben gerettet werden können!“. „Jetzt könnten sie sogar bayrisches Bier trinken und deutsche Würstchen essen!“ meinen so genannte „Dummköpfe“ des Establishments. Mit solchen und anderen Plattheiten versuchen die kolonial-nazistischen Medien des „goldenen Westens“, uns von entscheidenden Tatsachen abzulenken. Mit ihrem Anspruch auf eine hohe Kultur, Zivilisation und Tugend in allen ihren subversiven Plänen, Handlungen und Aktivitäten stellt Europa bei jeder Gelegenheit die Russen als unmoralische grausame Barbaren dar. Sobald wir jedoch die moralischen Ideale mit dem realen Leben der Völker vergleichen, entsteht ein völlig anderes Bild. In der russischen Geschichte gab es keinen Gott des Krieges. In den europäischen Ländern dominierte dagegen diese religiöse Gottheit bereits vor dem Christentum. In seinem Sinne und in seinem Geiste
wurden viele Kriege und Eroberungen durchgeführt.

Russische Kriege wurden zum Schutz der Glaubensfreiheit geführt. Themen des religiösen Hasses und der religiösen Rache gibt es in den russischen Volkssagen nicht. Nach dem Sieg über Andersgläubige haben die Russen niemals einen Glaubenswechsel erzwungen. Lesen Sie, verehrte Leserinnen und Leser, die Heldensage „Ilya Muromez“ und Sie werden sich schnell von dieser Tatsache überzeugen können. In den Sagen des europäischen Mittelalters haben die Kreuzzüge eine völlig andere Zielstellung: „Wer im Kampf nicht getötet wurde, der wird von unserer Kirche getauft“. Dafür war der Ritter bereit, seinen Gegner erbarmungslos aufzuhängen, zu verbrennen, d.h. zu töten.

Die Helden im „Nibelungenlied“ beschäftigen sich verzweifelt mit der Suche nach dem im Rhein vergrabenen Goldschatz. Der Hauptheld in der alten englischen Sage „Beowulf“ stirbt, nachdem „er sich an den funkelnden Farben und an dem Glanz des Goldes satt gesehen hatte“. Nicht einem einzigen Helden in russischen Sagen kommt der Gedanke in den Kopf, „sein Leben für Geld und Reichtum zu opfern“. In keinem russischen Epos folgt der Held dem allgemein anerkannten moralischen Gesetz nach Blutrache. Der Begriff einer Rache existiert in der russischen Folklore nicht. Sie – die Rache – wurde scheinbar im „genetischen Code“ des russischen Volkes völlig
vergessen.

Die Haupthelden in russischen Sagen sind in der Regel Glaubensbrüder und Blutsbrüder. Diese Brüderschaften haben in ihren Sagen nichts mit Rache und Vendetta zu tun, sondern beinhalten gegenseitige Hilfe in Notfällen, bei Krankheiten, Epidemien und im Krieg.

Solche grausamen und blutrünstigen Beschreibungen wie in den europäischen Sagen gibt es in den russischen Erzählungen nicht. Unvorstellbar, dass der russische Held, wie im „Nibelungenlied“ detailliert beschrieben, das Blut seines Feindes trinkt. Die Ideale der russischen Sagen folgen im starken Maße den christlichen Normen. Die Orthodoxie ist eine starke Religion der Nächstenliebe, des Mitgefühls und des Gewissens. Im krassen Gegensatz zur katholischen Kirche in Europa lebten die russischen Pfarrer der orthodoxen Kirche äußerst bescheiden in ihren Gemeinden, besaßen eine eigene Familie und kümmerten sich Tag und Nacht um das Wohl und Wehe ihrer Bürger. Wir ersparen uns an dieser Stelle eine Darstellung der widerlichen und abstoßenden Handlungen der katholischen Kirche in Europa im XV. und XVI. Jahrhundert (Inquisition, Ablasshandel, Pädophilie, Prostitution u.a.).

Der große russische Schriftsteller, Fjodor Dostojewski, beschreibt und lobt in seinen Werken die besondere Fähigkeit des russischen Menschen zur Selbstkritik, sein äußerst nüchterner Blick auf sich selbst und das Fehlen jeglicher Selbstverherrlichung, welche jede Handlungsfreiheit nur negativ beeinflusst.

Europa kennt und versteht die Russen nicht. Der slawisch-russische Blick auf die Welt, auf die Natur und auf den Menschen ist ihnen völlig fremd. Denn für die Menschen in Westeuropa stehen ihr eigener Wille und ihr kalter und berechnender Verstand immer an erster Stelle. Für den russischen Mensch stehen Herz und Seele an erster Stelle und erst dann der Wille und Verstand. Deshalb ist die russische Kultur völlig anders als die westeuropäische Kultur. Deshalb gibt es in Russland andere Kirchen, Gottesdienste, Familientraditionen, Literatur und Kunst. Trotz alledem ist die russische Seele immer offen für gute Werke der westlichen Kunst und Kultur. Sie achten, verstehen und lernen aus ihnen. Europa besitzt diese Fähigkeiten nicht. Für sie ist alles Russische fremd, beunruhigend und sehr gefährlich.

Deshalb verstehen sie den heldenhaften aufopferungsvollen Kampf der Menschen von Leningrad bis heute nicht.

In Russland hatten und haben die Menschen ein sehr feines und gesundes Gespür für Gerechtigkeit. Denn Russisch – das ist keine Nationalität. Russisch, das ist eine geistige Grundhaltung von 194 Völkern, eine Beziehung zur Welt und zum wirklichen Leben, ein Verhältnis zur Pflicht, zur Ehre und zu den einfachen Menschen. Es ist die Bereitschaft, sich für das „Mütterchen“ Russland zu opfern, ihrem großen Land, ihrer Heimat zu dienen.

Die Blockade von Leningrad ist ohne Zweifel eines der größten Verbrechen Europas in der Geschichte der Menschheit.

Im Jahre 1941 schrieb der große sowjetische Komponist und Pianist, Dmitri Schostakowitsch, die „Leningrader Sinfonie“, die zu einem musikalischen Symbol der Standhaftigkeit und Tapferkeit der Verteidiger seiner Heimatstadt wurde. „Ich widme meine 7. Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem unabwendbaren Sieg über den Feind, und Leningrad, meiner Heimatstadt…“ schrieb er am 29. März
1942 in der „Prawda“.

Am 1. Oktober 1941 wurde Schostakowitsch mit seiner Familie nach Kuibyschew gebracht. Dort konnte er seine Komposition beenden. Die Uraufführung der „Leningrader Sinfonie“ mit dem Orchester des Moskauer Bolschoi-Theaters unter der Leitung von Samuil Samossud fand am 5. März 1942 in Kuibyschew statt.

In der Heldenstadt Leningrad (jetzt Sankt Petersburg) fand die Premiere der 7. Sinfonie von Schostakowitsch am 9. August 1942 im großen Konzertsaal des Leningrader Konservatoriums unter der Leitung von Karl Eliasberg (Dirigent des Leningrader Radio-Sinfonieorchesters) statt.

Über den sowjetischen Rundfunk wurde das Konzert im Radio und über Lautsprecher in die ganze Stadt übertragen. Sogar die faschistischen Soldaten und Offiziere, die Leningrad von allen Seiten eingekreist hatten, hörten das Konzert. Es ist belegt, dass viele deutsche Soldaten von dem Konzert im starken Maße demoralisiert waren und das es Überläufer gab.

Der Präsident der Russischen Föderation, Vladimir Putin, wandte sich am 9. August 2022 mit folgenden Worten an die Teilnehmer und Gäste des Jubiläums-Konzertes der „Leningrader Sinfonie an den Ufern der Newa“, das auf der Wassiljewski-Insel in Sankt-Petersburg stattfand: „Ich freue mich, die Teilnehmer und Gäste, alle Zuschauer und Hörer des heutigen Konzertes begrüßen zu können. Auf dem Programm steht heute die Leningrader Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch, eine hervorragende Komposition der Weltkultur, eine hinsichtlich Inhalt, Ausdruck und Geschichte einzigartige Schöpfung mit großer Ausstrahlung auf die Gefühle, Hoffnungen und Schicksale der Menschen.

Genau vor 80 Jahren, am 9. August 1942 fand die große Premiere dieser genialen Komposition statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Symphonie bereits in der Sowjetunion und im Ausland gespielt, aber kein Konzert lässt sich hinsichtlich seines Maßstabes und seiner Bedeutung mit dem in Leningrad während seiner Blockade vergleichen. Als Datum der Premiere wurde der Tag gewählt, an dem die Nazis die Eroberung der Stadt feiern wollten. Aber ihre Pläne die Leningrader zu besiegen, waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Und wie eine Hymne an die Tapferkeit und Standfestigkeit von Leningrad erklang in der ganzen Stadt eine grandiose Musik. Sie war ein Lobgesang auf die Heldentaten der Menschen und auf den Kampfgeist des Volkes, die stärksten Waffen unseres Landes im Großen Vaterländischen Krieg.

Die direkte Übertragung des Konzertes hat die Welt erschüttert. Hinter uns lagen die allerschwersten 11 Monate der Blockade. Trotzdem haben die Menschen in sich die Kraft gefunden, ein großartiges Konzert mit einer neuen Symphonie zu organisieren und durchzuführen.

Die musikalischen Themen der Symphonie erzählen in bewegenden Tönen über schwerste Prüfungen, über die Schmerzen und über die große Trauer. Aber das Wichtigste in ihr ist die wahrhaft prophetische Überzeugung des Sieges, welche den Glauben der Leningrader, aller sowjetischen Völker, ja aller, die gegen den Nazismus und für den Sieg des Humanismus und für die Gerechtigkeit kämpften, stärkte.

Heute, viele Jahrzehnte nach der Premiere der Leningrader Symphonie von Schostakowitsch ruft diese Komposition auch in den neuen Generationen starke Gefühle hervor. Sie widerspiegeln die Trauer und Bitterkeit über die Verluste, die Freude über den Sieg, die Liebe zur Heimat und die Bereitschaft sie zu verteidigen.

Diese Musik ist ein überzeugender Beweis einer großen Kunst, die für alle Zeiten sich zu einem Werk entwickelt, das sich rühmen kann, wahre ewige Werte zu repräsentieren. Sie verbindet die Menschen aller Altersstufen, alle Nationalitäten und Religionen. Sie stärkt die Wahrheit und das Licht, welche immer die Lüge und die dunklen Kräfte besiegen werden.

Liebe Freunde, ich wünsche Ihnen Erfolge und Glück.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

іVenceremos!
Мы победим!
Wir werden siegen!

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Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Dr. Wolfgang Schacht wurde am 13.8.2022 unter dem Titel Was uns die Leningrader Symphonie sagen will verfaßt und auf der Heimtseite https://www.dr-schacht.com im Weltnetz erstveröffentlicht.

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Dr. Wolfgang Schacht
Steinkohlenhauer in Zwickau; Freiwilligendienst bei der Nationalen Volksarmee; Ingenieur für Gasfortleitung und Gasverteilung; Dipl.-Ing. für Maschinen- und Energietechnik; Promotion in Moskau; Berater der DDR im RGW, Abt. Kohleindustrie, in Moskau; Leiter der Netzleitstelle in der GV Thüringen