„Von Menschen und Göttern“
Das wirkliche Kinoereignis ist stattdessen der französische Film „Von Menschen und Göttern“ unter der Regie von Xavier Beauvois, der in Frankreich Triumphe feiert und jetzt in Deutschland startet. Die Mittel des Films sind einfache. Eine überschaubare Gruppe von Menschen wird dargestellt, in deren Mikrokosmos es bisher ein friedliches Zusammenleben und auch eine kulturelle und religiöse Koexistenz gab. Aber die Geschichte geht furchtbar aus und das Ende ist das, was wir in der Zeitung als Anfang erfuhren: sieben Trappistenmönche wurden aus ihrem Kloster entführt, man fand ihre abgetrennten Köpfe im Mai 1996 im algerischen Teil des Atlasgebirge.
Islamistische Guerillakämpfer hatten ein Exempel statuiert. Zuvor waren die Mönche schon – auch von Wohlmeinenden – aufgefordert worden, den feindlich eingestimmten Ort zu verlassen. Aber die Dorfbewohner sahen sie längst als eine der ihren an, weshalb sie, auch aus Prinzip, blieben. Dem Film gelingt es nun, trotz des furchtbaren Endes den Zuschauer offen zu halten für die Argumentation der Verharrenden. Das liegt auch an der Art und Weise, wie der Regisseur hier erzählen läßt. Die Mönche selbst sind auf das Wesentliche konzentriert, der Zuschauer fühlt mit, was Spiritualität vermag, die Seele nämlich frei zu halten von irdischer Schwere und seinem Leben einen Sinn zu geben.
„Small World“
ist ein amüsantes, auch geistreiches Buch von Martin Suter, dem Erfolgsautor aus der Schweiz, der darunter zu leiden hat, daß er von der Literaturkritik übersehen oder sogar geschmäht wird. Buch und Film verbinden zwei gegenwärtige Tendenzen: Kriminalgeschichten und das Erzählen über Alzheimer Erkrankte. Derjenige, der beim Entfallen von Namen immer wieder die bekannte „kleine Welt“ zitiert ist Konrad Lang, den Gerard Depardieu gibt. Eine Paraderolle für den Koloß Depardieu, der von außen massiv wirkt, aber im Inneren zum zarten Kind wird. Er ist es, der Alzheimer erkrankt ist, und an ihm und mit ihm wird wieder einmal wahr, wenn es heißt: Kinder und Narren sprechen die Wahrheit.
Suter hat ein Netz gesponnen, das auch im Film hält, indem er das Kurzzeitgedächtnis des Kranken verkümmern läßt und stattdessen das Langzeitgedächtnis ans Licht holt. Und da kommt seine Familie ins Spiel. Eigentlich ist Konrad nur der Gärtner, sprich das Faktotum einer reichen Familie, aber uneigentlich ist alles ganz anders, was vor allem Elvira, die Patriarchin, weiß, die von Francois Fabian als Spinne im Netz hervorragend verkörpert wird. Und sie muß Angst haben davor, daß der verrückte Konrad die Wahrheit ans Licht holt, aufgrund derer in der reichen Familie alles zuoberst gekehrt würde. Eigentlich sollte die zweite Hauptrolle wohl die gerade zur Schwiegertochter mutierte Simone, dargestellt durch Alexandra Maria Lara, übernehmen. Aber deren Rolle bleibt einfach zu blaß, als daß sie gewichtig mitreden könnte. Nein, das alles übernimmt Konrad selbst, der uns genauso anrührt wie Simone und alle diejenigen, die erleben, wie der Geist aus einem Menschen schwindet, seine Menschlichkeit aber wächst.
„Vater Morgana“
Schon wieder eine Komödie, schon wieder eine Heiratskomödie mit Christian Ulmen und schon wieder ein Film, in dem Alzheimer die Hauptrolle spielt. Darum bleibt es auch nicht bei der Komödie, sondern der Film erhält eine derb aufgesetzte tragische Weihe. Till Endemann versucht, den bisherigen verhinderten Hochzeitler Ulmen (Maria, ihm schmeckt’s nicht!, Hochzeitspolka) nun in den Hafen der Ehe mit Polizistin Annette (Felicitas Woll) zu befördern. Dieser Lutz ist Angestellter einer Sicherheitsfirma und diese Annette die Tochter des Chefs. Auf der Betriebsfeier soll die berühmte Frage „Willst Du”¦?“ gestellt werden, da öffnet sich die Tür für seinen Vater Walter, den Michael Gwisdek darstellt.
Und schon ist alles anders, was Lutz aus seinem bisherigen Leben gut kennt. Doch diesmal kommt es schärfer. Tags darauf, auf den öffentlichen Heiratsantrag hatte Lutz verzichtet, überfällt sein Vater einen Geldtransporter, für dessen Sicherheit Lutz verantwortlich ist. Eine Schachtel Diamanten ist sein, und als Vater Walter ohne Ware gefaßt wird, ist das nicht so schlimm, denn der Alzheimer verhindert, daß er sich an das Versteck der Beute erinnern kann. Dafür wird Lutz der Mittäterschaft bezichtigt. Eine heikle Lage, die aber nicht zu emotional ansprechenden Filmgefühlen führt. Das ist alles so absichtsvoll konstruiert, daß es einen dauert. Und auch die Schauspielerleistungen bleiben auf der Strecke. Christian Ulmen sollte mal ganz etwas anderes spielen, als sich als Möchtegernehemann gemütlich fürs Leben einzurichten.
„Die Chroniken von Narnia – Die Reise auf der Morgenröte“
Solche langen Filmtitel gehören verboten, die Filme selbst werden in 3D-Versionen alle die bezaubern, die an magischen Welten Vergnügen haben, wo Tiere sprechen, wo es Hexen gibt und richtige Helden auch. Also nur im Kino. Hier füllt sich der Raum mit Meerwasser, der sich aus dem Meer des Bildes an der Wand in die Stube ergießt. Die Kinder staunen nicht weiter, sondern segeln mit dem Segelschiff davon. Wieder einmal eine der Möglichkeiten, mit denen C.S. Lewis, der die „Chroniken von Narnia“ aufschrieb, die Erdenbewohner, allerdings nur die kindlichen, übergangslos von der irdischen Welt in eine andere befördert. Es geht gut aus, ist alles was wir sagen wollen, wenn wieder einmal Kinder die Welt retten.
„The Way Beyond“ und „A Real Life“
Geht einem ans Herz, weil der Hauptdarsteller Guillaume Depardieu, 1971 als Sohn des Gerard Depardieu geboren, bei den Dreharbeiten tödlich erkrankte, am Bakterium MRSA, mit dem er sich 1995 nach einem Motorradunfall im Krankenhaus infiziert hatte und heir seine letzte Rolle spielt. Für den Regisseur Alex Iordachescu war es der Debütfilm. Hier geht es um einen jungen Mann, einen gescheiterten Anwalt, der durch einen Unfall lebensuntauglich wird und sich einer experimentellen Gentherapie überantwortet, die grauenhaft zu verfolgen ist.
Auch im zweiten Film aus dem Nachlaß des Guillaume Depardieu zeigt sich, welch wunderbarer Schauspieler hier starb. Er stellt einen Dieb dar, der auch die Liebe einer Lehrerin stibitzen kann und eigentlich geht es gar nicht so sehr um das Geschehen, sondern die Art und Weise der unaufdringlichen, aber eindrücklichen Figuren.
„Plein Sud- Auf dem Weg nach Süden“
Hier geht es um eine Fahrt durch Südfrankreich, auf der ein Sam drei Mitfahrer aufgabelt und durch sie die Liebe und das Leben neu erfährt. Aber eigentlich ist das weder ein klassischer Road-Movie, noch überhaupt einer. Eigentlich ist dieser französische Film von 2008 doch eher ein erotisches Kammerspiel, wo eine Beziehungsgeschichte unter den Zufallsbekanntschaften zu völlig überraschenden und auch richtig sinnlichen Begegnungen gerät, die jedem Zuschauer als seine eigenen Sehnsüchte bekannt sind. Sébastien Lifshitz ist der Regisseur des knisternen Spiels auf der Leinwand.
„Yellow Cake“
Trägt den Untertitel „Die Lüge von der sauberen Energie“. Dabei geht es um die Uranförderung in Ostdeutschland, die für alle diejenigen, die noch die alte DDR mit ihren Sperrbezirken, so zum Beispiel den Uransperrbezirk im Erzgebirge, kannten, Erinnerungen wach werden läßt. Wie gefährlich war und ist das eigentlich?, ist eine der Fragen, die dieser Dokumentarfilm stellt und in seiner Langzeitstudie zu beantworten sucht.
„Av Mevsimi“
Ein Film aus der Türkei, von Yavuz Turgul 2010 gedreht. Ein Thriller, der dunkel Dunkles erzählt und sich dabei all der Geheimnisse bewahrt, die sich auftun, wenn Mädchen ihre Hände verlieren, die dann in einem Sumpfgebiet gefunden werden. Muß doch leicht aufzuklären sein, denkt der erfahrene Inspektor, der dann immer stärker in den gesellschaftlichen Sumpf gerät, der sich auftut. Kann man sich sehr gut ansehen.