Die meisten Menschen, die das sehen könnten, sahen das nicht, denn entweder finden sie Beckmann oder Schäuble unerträglich. Unerträglich fanden viele nicht nur in Russland das, was Schäuble gesagte hat und gemeint haben könnte, denn einer wie Schäuble sagt womöglich nicht immer, was er denkt, wenn er denkt.
Laut Spiegel-Online (31.03.2014) soll Schäuble "vor rund 50 Schülern aus Berlin auf einer Veranstaltung des EU-Projekttags 2014 der Bundesregierung" zu Fragen nach der Europäischen Einigung vor dem Hintergrund des Umsturzes in der Ukraine und der Sezession der Krim gesagt haben: "Solche Methoden hat schon der Hitler im Sudetenland übernommen… Das kennen wir alle aus der Geschichte."
Spiegel-Online hält weiter fest: "Auf die Spannungen rund um die Ukraine kam er zu sprechen, weil ein Schüler wissen wollte, ob deren Auswirkungen die Euro-Krise verschärfen könnten. Schäuble erklärte, es gehe vor allem darum, die Zahlungsunfähigkeit der Ukraine zu verhindern. Wenn die Regierung die Ordnungskräfte nicht mehr bezahlen könne, "dann nehmen natürlich irgendwelche bewaffneten Banden die Macht in die Hand", sagte der Minister. Das biete womöglich den Russen einen Vorwand für eine Intervention. "Dann sagen die Russen, das geht gar nicht, die bedrohen unsere russische Bevölkerung. Jetzt müssen wir sie schützen, das nehmen wir zum Grund, um einzumarschieren."
Ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ähnlich dämlich redete wie US-Außenministerin Hillary Clinton (Demokraten), die den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Adolf Hitler verglich, liegt auf der Hand und ist dennoch eine Frage des Geschmacks auf der Zunge. Am Ende wird das Essen ausgeschissen. Clinton bekam dafür Beifall von den Rechten, auch von John McCain und anderen Republikanern.
Wir wollen an dieser Stelle nicht darauf hinweisen, dass aus Russland niemand in den vergangenen Wochen in die Ukraine "einmarschierte" und auch nicht auf die Halbinsel Krim. Die Russen waren schon da. Vielmehr interessiert uns, woher Schäuble weiß, was Putin will, denn der CDU-Politiker sprach: "Irgendwann hat sich das zugespitzt und dann hat der Putin gesagt, eigentlich wollte ich sowieso schon immer die Krim."
Wann und wo hat der Putin das gesagt? Und selbst wenn "der Putin" das irgendwann irgendwo gesagt hat, was ist mit der Mehrheit der Menschen auf der Krim? Der Wohl und Wille ist entscheidend und sie haben Entschieden.
In einem Referendum hat die überwältigende Mehrheit von über 90 Prozent aller wahlberechtigten Bürger der Krim über eine vom Krim-Parlament erarbeiteten Vorlage entschieden. Die "Tagesschau" (16.03.2014) teilt mit: "Trotz Sanktionsdrohungen des Westens und Boykottaufrufen der Regierung in Kiew beteiligten sich nach Angaben der Behörden 75 Prozent der Wähler an der Abstimmung." Wahlbeobachter bestätigten eine freie, geheime Wahl. Mehr direkte Demokratie geht kaum. Wenn die Regierung in Berlin, zu der Schäuble gehört, auch nur halb so viel Demokratie wagen würde, bei wichtigen Fragen zum Wohl des Volkes den Willen des Volkes einholen, das wäre wunderbar. Doch da scheint Schäuble – Achtung: Führervergleich – wie Hitler. Einmal gewählt, macht er was er will.
Gegen den Vorwurf, die Annexion des Sudetenlandes 1938 durch Hitler-Deutschland und die Eingliederung der Krim in Russland verglichen zu haben, verwahrte sich Schäuble, berichtet die Zeitung „Die Welt“ heute (04.04.2014).
Das ist auch schlecht möglich, denn der Begrifff Sudeten oder Sudetenland ist ein nach dem ersten Weltkrieg in Mode gekommener Begriff für das Land, das überwiegend von Deutschen, also Menschen, die Deutsch sprachen und sich Deutsche nannten, in Böhmen und Mähren besiedelt wurde. Dabei ist Sudeten als Gegend größer, denn es sind die Wildschweinberge, die von der Lausitz bis ins Niedere Gesenke (auch Mährisches Gesenke) reichen. Von einem Referendum in Böhmen und Mähren oder in den Wildschweinbergen (griechisch Soudeta ore, polnisch und tschechisch Sudety gennnt, deutsch Sudeten) zwischen 1933 und 1945 wie im wie im März 2014 auf der Krim ist kein Wort überliefert. Weiß Hobbyhistoriker Schäuble mehr als die nach 1945 aus Sudeten geflüchteten und vertriebenen Deutschen? Was weiß Schäuble, was weiß die Regierung in Berlin über Flucht und Vertreibungen auf der Krim?
"Ein diplomatischer Skandal war ausgebrochen", notiert RIA Novosti, "nachdem Schäuble am Montag vor Berliner Schülern gesagt hatte: "Das kennen wir alles aus der Geschichte. Solche Methoden hat schon der Hitler im Sudetenland übernommen – und vieles andere mehr."
"Am Donnerstag protestierte Russlands Außenamt wegen der Äußerungen von Schäuble beim deutschen Botschafter in Moskau. Der Politiker habe unannehmbare historische Parallelen gezogen, die eine grobe Verzerrung historischer Ereignisse und Fakten darstelle", hieß es laut RIA Novosti.
"Ich bin doch nicht blöd, dass ich Hitler mit irgendjemandem vergleiche", verteidigte sich Schäuble am Donnerstagabend in der ARD. Solche Vergleiche könnten gerade deutsche Politiker nicht ziehen, das sei völlig klar. Einerseits leugnet Schäuble nicht, diese Worte gesagt zu haben, andererseits habe er Hitler nicht mit irgendjemandem verglichen.
Aus Erfahrung gewürzt mit wissenschaftlicher Erkenntnis wissen wir, dass sich Altersstarrsinn auch mit Altesalbernheiten paart. Ob diese Mischung die richtige ist, um über unser Geld (Stichwort Griechenland) zu entscheiden?
"Wir wollen eigentlich mit Russland eng zusammenarbeiten", versicherte Schäuble. Das sagt er. Was tut er? Er und seine Kollegen in Kabinett und Parlament wollen scheinbar noch mehr Bundeswehrsoldaten Richtung Russland schicken. Das ist doch Altersirre, oder? Und unerträglich!
Mit Material von RIA Novosti, Spiegel-Online, Tagesschau/ARD, Die Welt