Vorüber, doch nicht vorbei: die Familie Della Robbia – Serie: Was von der großen Schau „Della Robbia“ in Arezzo bleibt (Teil 1/3)

In Florenz dagegen, schwört man auf diesen Luca und die Kunstgeschichte ist dem gefolgt, was schon der selbsternannte erste Kunsthistoriker, der selber Maler war, Vasari zu damaligen Zeiten formulierte. Dazu gleich mehr. Aber erst einmal ein Blick in unser aller Wikipedia, was die dazu sagen? „Della Robbia ist eine florentinische Bildhauerfamilie des 15 und 16. Jahrhunderts. Sie wurde berühmt durch ihre glasierten Tonreliefs.“ Und dann werden als Vertreter der Familie aufgelistet:

Und wir selber haben dann noch einen Francesco della Robbia herausgefunden! Das kommt einem zwar nicht spanisch, aber doch sehr italienisch vor. Denn es wimmelt nur so von Söhnen des Andrea, aber der Erfinder des Ganzen, was die Mode der Zeit wurde und uns heute durch die Vielfalt und Farbgebung überrascht, ist tatsächlich Luca della Robbia, der von 1399 bis 1482 lebte. Das Geburtsjahr ist übrigens nur kurz nach dem des Meisters von Flémalle und Jan van Eyck, den spätgotischen Könnern, und zwei Jahre vor dem 1401 geborenen Frühvollendeten, übrigens in der Provinz Arezzo, dem revolutionären Masaccio. Luca entstammte einer Florentiner Färberfamilie, auf Latein Rubia tinctorum, Färberkrapp, die durch Handel wohlhabend geworden war und hatte zwei Brüder.

Wenn uns also dieser berühmt-berüchtigte Giorgio Vasari nun lebensecht von Luca berichtet, muß man wissen, daß dieser erst 1511 in Arezzo geboren wurde, wenn er vom genialischen Einfall des Lucas so um 1438/39 spricht: „Er sah, daß in Erde zu arbeiten sehr leicht war und keine Anstrengung forderte; daß nur ein Mittel zu finden not tat, was dieser Art von Werken Dauer zu geben vermöchte; er sann daher unermüdlich nach, wie man sie gegen die Zerstörung der Zeit schützen könne, bis er durch vielfach angestellte Versuche entdeckte, ein glasierter Überzug von Zinn, Glätte, Antimonium und anderen Mineralien und Mischungen, in einem dazu geeigneten Schmelzofen zubereitet, erfülle diesen Zweck vollkommen und geben den Tonarbeiten eine fast ewige Dauer. Diese Verfahren, für welcher er als Erfinder großen Lob erntete, gab ihm ein Recht auf den Dank aller kommenden Zeiten.“

Dabei hatte Luca della Robbia gar nichts Neues erfunden. Er hatte nur die altbekannten Verfahren zur Herstellung von Majoliken aufgegriffen und weiterentwickelt. Die hatten nämlich die Väter der Renaissance Brunelleschi und Donatello erstmals seit der Antike wieder zum Thema gemacht. Mit „Antike“ sind erst einmal die Römer gemeint, die zusammen mit den Byzantinern die gekonnte Glasurtechnik der orientalischen Völker nachgeahmt hatten. Aber, daß diese auf einen Schlag im 14. Jahrhundert in Europa reüssierten, hat mit den Arabern zu tun, die sie in die von maurischer Kultur geprägten europäischen Landstriche brachten. Auch und sogar bevorzugt nach Mallorca. Diese Insel, in der Antike Maiolica genannt, wurde zum Hauptumschlagplatz für Geschirr und für den Hausgebrauch bestimmte Waren, die durch die Glasur einen Haltbarkeitswert gewannen.

Aber die Erfindung des Luca della Robbia – inventione und Einfall waren die hochgehaltenen Ausweise eines künstlerischen Temperaments, die Ausführung war dagegen niedriger gehängt – , die also keine Erfindung , sondern Wiederaufnahmen bedeutete, hatte trotzdem zwei wichtige Neuerungen, die das Lob des Vasari und auch unseres, verdienen. Er gestaltete aus dem Ton nicht Keramiken für den Hausgebrauch, sondern Skulpturen, ja sogar überlebensgroße Abbildungen und Gegenständen und erfand für sie einen Schutz, der gleichzeitig glänzte, in dem er eine Formel für eine Bleiglasur entwickelte, die schon der Renaissance als Geheimnis galt und der ganzen Familie einen leicht okkulten Einschlag gab. Man muß wissen, wie sehr die methodische und Verfahrensneuerungen wie Ölmalerei in der Renaissance als alchemistische Wundertaten verschrieen und bewundert waren, für die sogar Spione in anderen Werkstätten ausgesandt wurde und kleine Morde an Konkurrenten einfach dazu gehörten. Aber auch der Wettstreit ohne Blut wie zwischen Raffael und Sebastiano del Piombo war nicht ohne.

Die Familie Della Robbia lebte lange vom Einfall des Luca. Dieser hatte erst einmal in Florenz eine Bildhauerlehre absolviert und in der Werkstatt von Donatello gearbeitet. Für den Dom von Florenz schuf er 1432-35 das Gegenstück zu Donatellos Sängerkanzel, der Cantoria. Dabei zeigte sich, daß Luca hervorragend arbeitete, aber in der Gesamtanlage konventioneller blieb als der geniale Donatello. Auch fünf Figuren der Sieben Freien Künste am Florentiner Dom gehen noch auf das Konto des Bildhauers Luca. Aber ab 1439 war sein Lebensinhalt die glasierte Keramik, die man – hat man sie einmal gesehen – überall wiedererkennt, denn er hat seinen Formen gültige Farben beigegeben. Meist ist der Untergrund ein intensives Blau, auf dem die weißen Figuren doppelt plastisch hervortreten. Die Farben Grün und Gelb sind für Blumen oder andere Zutaten bestimmt, Andrea wird später gleichfarbige Girlanden als Rahmung bevorzugen, die Mantegna aus antiken Zusammenhänge reaktiviert hatte.

Zusammen mit seinem Bruder hatte Luca ein Haus am Rande von Florenz gekauft, das auch Werkstattbetrieb für Terrakottakunst wurde. Und als kurz darauf der Bruder verstarb, adoptierte der bescheidene, hochfromme und arbeitsame Jungegeselle Luca dessen sechs Kinder, von denen Andrea der erfolgreichste wurde und den er – als Neffen und Ziehsohn – zum Erben der Werkstatt und des Glasurgeheimnisses bestimmte. Andere Quellen berichten von Meinungsverschiedenheiten zwischen Onkel und Neffen, die zu einer Gegenwerkstatt des Andrea führten. Wie auch immer, Andrea della Robbia ist derjenige, der seit 1481 aus der Hochkunst des Luca eine breit verkäufliche, immer noch sehr anspruchsvolle Serienproduktion machte und zu einem fast industriellen Zuschnitt gelangte, dem man im Ausdruck der Zeit als Manufaktur bezeichnen muß, was wiederum dem Gedanken des einsam vor sich hinwerkelnden Genies – Ideal der Zeit – widerspricht.

Tatsächlich war die Ausdehnung nicht nur quantitativer Art. Auch die Produkte selbst wurden ausgeweitet. Nach wie vor waren Madonnenbilder in Kermaik begehrtes Gut, aber auch Friese wurden gefertigt und für Lünetten schien diesen Material auch gut geeignet, aber auch Wappenschilder oder alles, was eine Adelsfamilie zur privaten andacht oder als zum privaten gebrauch nutzen kann. Auch Grabmäler. Die fünf Söhne des Luca gelangten bis Paris und machten Furore mit Gegenständen, die wir heute als Kunsthandwerk bezeichnen täten, bis die Sache einschlief, die glasierte Keramik ihre modische Funktion eingebüßt hatte und nach dem Höhenflug in der Früh- und Renaissance fürderhin als kein ideales Material zu Herstellung von Kunst galt. Die Ausstellung in Arezzo ist gut geeignet, dem zu widersprechen.

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Ausstellung: bis zum 7. Juni 2009

Katalog: I Della Robbia. Il dialogo tra le Arti nel Rinascimento, a cura di Giancarlo Gentilini con la collaborazione de Liletta Fornasari, Skira , Milano 2009

Der nur auf Italienisch erhältliche Katalog entwickelt die Kunst des Luca aus seinen Lehren bei Donatello und Brunelleschi und bettet das Madonnenbild des Luca in die Vorstellungen der Frührenaissance ein, die inniger und himmelwärtiger erscheinen, als die stärker realistischen Züge bei Andrea della Robbia. Weil diese Ausstellung im Zusammenholen so vieler Einzelstücke einzigartig ist, ist es auch der Katalog, der ein Kompendium für jeden sein wird, der sich überhaupt mit den Della Robbia beschäftigt. und das werden nach dieser Ausstellung in Arezzo sehr viel mehr sein als vorher.

Fiamma Domestici, Die Künstlerfamilie Della Robbia, Scala 1992

Schon heute freuen kann man sich auf die von Alessandro Nova herausgegebene „Edition Giorgio Vasari“ aus dem Wagenbach Verlag, wenn der Band „“Das Leben der toskanischen Bildhauer der ’ersten Generation’. Jacopo della Quercia, Nanni di Banco, Nicolí² Aretino, Luca della Robbia“ im Oktober 2010 erscheint. Vasari hat so treffende wie oft unverschämte Wertungen den jeweiligen Künstlern verpaßt, die um so interessanter werden, wenn man das Gesamtgeflecht erkennt, innerhalb dessen der Mann aus Arezzo, der sich als Florentiner fühlt, die Florentiner Künstler für ewig als die ganz Besonderen darstellen kann. Von daher sollte man die bisher 24bändige Ausgabe sofort erwerben, zu der im Oktober Michelangelo und Bandinelli stoßen. Vier Bände pro Jahr lassen sich auch vom Lesen her verkraften.

Mit freundlicher Unterstützung von Enit Deutschland, in Person ihres Direktors, Marco Montini, der Journalisten auch an die weiter entfernten Ausstellunksorte außerhalb von Arezzo brachte.

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