Von der Lust am Deutschen – Serie: Kleine kommentierte Zeitungsumschau in den „Sprachnachrichten“ und „Deutsche Sprachwelt“ (Teil 1/3)

Keine Legitimation für das Deutsche nach 1945. Man mag es manchmal glauben, daß noch heute Abbitte für nationalsozialistische Übergriffe ausgerechnet durch Vermeidung des Deutschen als Weltsprache geleistet wird. Dies hat die Politik in der Zeit nach 1945 konsequent gefördert. Während eine Zeitlang der Kalte Krieg noch in der Bundesrepublik zu einer Förderung deutscher Sprachangebote führte, um die DDR auszubooten, waren dann die 90er Jahre ein trauriges Beispiel nicht nur für mangelndes Selbstbewußtsein des wiedervereinigten Deutschlands – bis heute ist das Deutsche in den europäischen Institutionen nicht gleichberechtigt, obwohl in der EU diese Sprache an der Spitze der gesprochenen Muttersprachen steht – , sondern dann auch noch absichtsvolle Politik durch die Schließung von Goethe-Instituten in aller Welt, die gezielt deutsche Kultur im Ausland verbreiten und Kurse zum Erlernen der deutschen Sprache anbieten sollen. Anders beispielsweise als die Institute Cervantes, die das Spanische noch bedeutender machen oder die Institute Francaise. Was in den letzten 20 Jahren mit den deutschen Schulen im Ausland passiert ist, die ihre Schüler traditionell zu einem sehr guten Standard des Deutschsprechens führten, wissen wir nicht, wäre aber einer Untersuchung wert.

Walter Krämer nun führt in seinem Artikel „Sprache und Geld“ die Situation von einer anderen Seite aus vor. Er macht die Rechnung auf, wieviel England am Englischlernen von Ausländern verdient: bei rund 700 000 Englandbesuchern der Sprache wegen, werden weltweit rund eine Milliarde Euro für Lehrmittel gekauft. Dabei sind CDs, DVDs nicht einberechnet. „Das British Council beziffert den Gesamtbetrag des Sprachunterrichts für Ausländer zum englischen Sozialprodukt, den man beim Addieren aller dieser direkten und indirekten Posten erhält, auf mehr als zwölf Milliarden Euro pro Jahr“, so Krämer.

Die Engländer selber schaffen derweil Fremdsprachen konsequent ab. Die früher übliche Zugangsberechtigung zum Studium mit mindestens einer Fremdsprache – bei uns übrigens zweien – wurde abgeschafft, denn: „Warum denn auch Fremdsprachen lernen, schienen sich viele englische Muttersprachler zu fragen, wenn die ganze Welt so bereitwillig unsere eigene Sprache spricht?“, interpretiert Krämer diese dennoch unverständliche politische Entscheidung. Interessant auch der Ausgabenvergleich für Fremdsprachen nach einer Genfer Studie, dernach das Englische Erziehungswesen – also schon vor der obigen Entscheidung – nur rund zwei Milliarden Euro jährlich für Fremdsprachenunterricht ausgibt, das französische dagegen acht Milliarden, also viermal so viel. Leider liegen die Zahlen für Deutschland und andere europäische Länder nicht vor.

„Diese geldwerten Vorteile der englischen Sprachdominanz erschöpfen sich nicht darin, daß man die Kosten für die eigene Sprachausbildung spart, dafür aber Geld für die Sprachausbildung anderer kassiert. Typische englische oder amerikanische Hochschulabsolventen sind nicht nur, da sie keine Fremdsprache lernen müssen, ein bis zwei Jahre früher fertig und damit eher auf dem Arbeitsmarkt als die kontinental-europäischen Kommilitonen. Englische und amerikanische Absolventen bekommen bei vielen Ämtern und Firmen auch deswegen schneller eine Anstellung, weil sie native speaker sind. Hier findet eine mehr oder weniger offene, wenn auch offizielle verbotene Diskriminierung aller anderen Arbeitnehmer statt, die auch Gegenstand eines Gewerkschaftsprotestes vor kurzem in Paris gewesen war.“

Dies kann man am Bankenstandort Frankfurt nur bestätigen. Und werden schon so viele Engländer und Amerikaner, auch Australier in Deutschland eingestellt, dann müssen die kein Deutsch lernen, denn jeder junge Deutsche bemüht sich, ihnen sein perfektes Umgangsenglisch vorzuführen. Geht man des Mittags im Westend und der Innenstadt durch die Eßzonen auf den Bürgersteigen und Plätze, schallt einem überall Englisch entgegen. Das geht ja noch weiter: wie sich einst die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die gerade einen Englischkurs absolviert hatte, nicht entblößte und entblödete, eine Pressekonferenz auf Englisch abzuhalten. Anwesende amerikanische und französische Journalisten empfanden das als würdelos und werfen uns angesichts dieser Anglisierung der Deutschen Sprache und der Sucht so vieler Deutscher, mit Englisch zu glänzen, mangelnde nationale Souveränität vor. So ist es auch.

Krämer führt auch Gegenbeispiele an und ein wichtiges, von uns auch öfter angezogenes, ist die Firma Porsche. „Hut ab vor Porsche! Auch wenn das Motiv für Deutsch als Unternehmenssprache weniger die Liebe zur Sprache, mehr die Aussicht auf eine reibungslose Produktion gewesen ist“, so Krämer, denn der alte Porsche hatte betont, daß Motorenbauen so kompliziert sei, daß man die gemeinsame Arbeit nur in der Muttersprache Deutsch bewältigen könne; Krämer führt weiter aus, daß Konkurrent Daimler-Benz, deren Firmensprache in Deutschland seit 10 Jahren Englisch ist, neben starken Verkaufsverlusten im Jahr 2005 die höchste Rückrufrate aller Automobilkonzerne der Welt hatte, wobei Kommunikationsprobleme beim Autobauen eine sinnvolle Erklärung sind.

In einer persönlichen Glosse fügt Walter Krämer, der Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS) ist, provokant eine durchaus witzige Koinzidenz an. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den gerade durch den Verein zu Sprachpantschern des Jahres Gewählten und ihrem baldigen Verlust ihrer hochdotierten Posten. So war Zumwinkel 2002 Sprachpantscher des Jahres. „Ich behaupte einmal, daß diese Ereignisse zusammenhängen. Illoyalität gegenüber der eigenen Sprache und Kultur geht oft mit Illoyalität gegenüber Geschäftsfreunden und Mitarbeitern zusammen und ist damit eine gerne übersehene Wurzel für geschäftlichen Mißerfolg.“ Diese Behauptung ist das eine, aber dann wird man bei seiner Beweisführung durchaus nachdenklich: Johannes Ludewig, Sprachpantscher 1999 und damals Chef der Deutschen Bahn, mußte drei Tage nach seiner Wahl durch Entlassung seinem Nachfolger Hartmut Mehdorn weichen. Der nun wiederum erhielt diesen Sprachpreis für verschlamptes und meist angliziertes Deutsch im Jahr 2007 und ist nun auch weg vom Fenster. Sein Nachfolger sollte sich durchaus hüten und diese absurden Albernheiten, mit denen die Deutsche Bahn den Sprachnerv der Deutschen echt nervt, stoppen und zurückfahren, sonst”¦.

Aber das ist unsere Interpretation, denn die weiteren Beispiele zeigen alle in diese Richtung. Auch Jil Sander hatte nach ihrer Wahl 1997 unmittelbar ihre Firma verloren und auch Ron Sommer, der 1998 der Sprachpantscher war, mußte längst als Vorstandsvorsitzender der Telekom zurücktreten, die auch genug Dreck am Stecken hat, was die Verschandelung des Deutschen angeht. Zwei Sprachpantscher allerdings hat es noch nicht erwischt: Günther Oettinger, 2006 ausgezeichnet und Klaus Wowereit vom letzten Jahr, der die sprachlich dämliche Werbung für Berlin politisch zu verantworten hat. Spannend also, wer der Sprachpantscher 2009 werden wird, der durch Mitgliedervotum entschieden wird.

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Quelle: Sprachnachrichten Mai 2009, hrsg. vom Verein deutsche Sprache (VDS)

www.vds-ev.de

Nächste Artikel auch Quelle: Deutsche Sprachwelt, Ausgabe 36, Sommer 2009, hrsg. vom Verein für Sprachpflege e.V.

www.deutsche-sprachwelt.de

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