Noch nach Spielbeginn, Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus pfeift pünktlich an, strömen Zuschauer ins Stadion an der Alte Försterei. Auch einige Dutzend Aachener sind da, die sich gut gelaunt geben und wie zuhause fühlen, denn die „Alte Försterei“ ist wie der mehr gelb glänzende als schwarz schimmernde „Tivoli“ in der Kaiserstadt Aachen ein Einrangstadion, in dem über 10 000 Schlachtenbummler auf dem „Bitburger Wall“ stehend schauen können.
In der Hauptstadt nehmen auch nur wenige Hundert der insgesamt 12.347 zahlenden Zuschauer Platz und die werden sich sich Sekunden vor Schluß erheben, um ihrer Elf, die ein mitreißenden Spiel lieferte, stehend Applaus zu spenden.
Jetzt aber wirklich auf Los. John Jairo Mosquera kommt im Strafraum zu Fall, doch der Pfiff bleibt aus (4.) wie ein Treffer von Benny Auer, der knapp an der Flanke von Zoltan Stieber vorbeirutscht (6.). Im Gegenzug rettet Torsteher Davi Hohs vor FCU-Stürmer Halil Savran.
Union nimmt von Beginn an das Heft des Handelns in die Hand, robbt sich auf dem matschigen Boden immer näher ans gegnerische Gehäuse. Der quirlige Paul Thomik spielt auf der rechten Seite mit Mittelfeldmotor Torsten Mattuschka Doppelpaß und flankt in die Strafraummitte. Mosquera fliegt mit dem Kopf voran in den Ball und wuchtet das Leder Zentimeter über den Kasten. Besser macht es Thomik und zwar selbst. Wie ein Hase schlägt er Haken, läßt Aachens Achenbach alt aussehen und zirkelt das Spielgerät aus gut und gerne 17, 18 Meter gekonnt über Freund, Feind und Hohs zum 1:0 ins Gehäuse (21.). Ein sehenswertes Solo, ein tolles Tor und Kollegen raunen den Namen von Arjen Robben.
Wer auf ein Aufbäumen der Alemannen hoffte, der sah sich getäuscht. Fortan brannten die Gastgeber ein Feuerwerk ab, erspielten Möglichkeiten im Minutentakt. Union Berlin ist überlegen bis zum geht nicht mehr. 100-Prozentige hatten Thomik (26./35.) und Christian Stuff (37.) auf dem Fuß, während Jan Glinker im Tor der Heimelf beschäftigungslos blieb. Manuel Junglas rettet gegen Mosquera auf der Linie. Christoph Menz, Dominic Peitz und Michael Parensen schossen äußerst knapp vorbei.
Union-Trainer Uwe Neuhaus sah in der ersten Hälfte eine beeindruckende Begegnung seiner Mannschaft und in der Pause keinen Grund, Spieler auszuwechseln. Auch Alemannia-Trainer Peter Hyballa wechselte nicht zur zweiten Halbzeit. Er hätte allerdings alle bis auf Hohs vom Platz holen können. Nun, die 22 Mann auf dem Feld machten nach der Halbzeitpause dort weiter, wo sie nach den ersten 45 Minuten aufhörten. Die Hauptstädter griffen mit großem Ideenreichtum und Spielvermögen an, die Kaiserstädter verteidigten wie ein Hühnerhaufen. Dominic Peitz, Mosquera (56.) und Parensen (60.) ließen schönste Chancen ungenutzt. Endlich traf John Jairo Mosquera, dessen Schuß leicht von Thomas Stehle abgefälscht wurde, zum – gefühlt – erlösenden 2:0 (63.). Erlösend? Schon oft zeigte die Statistik bei den Berlinern besser Zweikampfwerte, mehr Ballbesitz doch keine Tore und zu oft traf der Gegner. Am Ende blieben die Punkte auf der Strecke.
Heute nicht, obwohl fortan die Hausherren die Zügel schleifen ließen. Aachen kam besser zum Zug, brauchte aber einen Foulelfmeter in der dritten Minute der Nachspielzeit zum Endstand von 2:1. Der Treffer vom Strafstoßpunkt verdeckt keinesfalls das blaue Auge, mit dem Aachen beim Flutlichtspiel am Freitagabend in Berlin davongekommen ist.
Zuvor hatten Peitz und der eingewechselte Santi Kolk noch zwei, drei Chancen. Kolk hätte kurz vor Schluß fast ein Kopfballtor erzielt (81.).
Selten sah man in der Alten Försterei eine Elf, die weniger Zweikämpfer verlor.
Die Unioner erspielten sich großartige Torchancen. An der Frage, warum bei Dutzenden Schüssen aufs gegnerische Tor nur wenige, nämlich zwei Tore raussprangen, daran werden die Verantwortlichen in Berlin noch zu knabbern haben. Immerhin zeigten die Berliner, daß sie mit Mosquera und Halil Savran zwei Stürmer haben, die Aachens Hintermannschaft stets beschäftigten und nur im bestens parierenden Torwart Hohs meist ihren Meister fanden.
Mann des Spiels im Matsch-Match war – keine Frage: Paul Thomik. Kein Wunder, daß der Flügelflitzer an Bayern-Robben erinnerte. Thomik ging nämlich beim Münchner Trainer Hermann Gerland in die Fußball-Schule. Was er auf der einen Seite vollbrachte, ergänzte Michael Parensen auf der anderen. Gemeinsam bereichern sie beide Flügel und so ist das Angriffsspiel der Eisernen variantenreicher.
Im Kampf gegen den Abstieg rangiert der zweite Hauptstadtclub in der zweiten Liga hinter Alemannia Aachen auf dem elften Rang. Kapitän Mattuschka blickte bereits nach vorn: Zuhause wollen wir „eine Macht“ bleiben und „wenn wir so auch in Fürth auftreten, können wir auch dort etwas reißen“.
* * *
Die Aufstellung des 1. FC Union Berlin (www.fc-union-berlin.de): Jan Glinker (Torwart), Dominic Peitz, Christian Stuff, Patrick Kohlmann, John Jairo Mosquera, Paul Thomik, Daniel Göhlert, Christoph Menz, Torsten Mattuschka, Halil Savran, Michael Parensen. Auf der Bank nehmen Platz: Christoph Haker (Ersatztorwart), Christopher Quiring, Bernd Gerd Rauw, M. Younga Mouhani, Santi Kolk, Chinedu Ede und Björn Brunnemann.
Die Aufstellung des TSV Alemannia Aachen (www.alemannia-aachen.de): David Hohs (Torwart), Tobias Feisthammel, Zoltan Stieber, Benjamin Auer, Kevin Kratz, Thomas Stehle, Tolgay Arslan, Manuel Junglas, Mirko Casper, Timo Achenbach, Marco Höger. Auf der Ersatzbank nehmen Platz: Thomas Unger (Torwart), Andreas Korte, Babacar Gueye, H. Tsoumou, Narciso Lubasa, S. Radjabali Fardi, und Bilal Cubukcu.